Der BFH bezweifelt in einem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes die Verfassungsmäßigkeit der Höhe von Nachzahlungszinsen für Verzinsungszeiträume ab 2015 und gewährt die Aussetzung der Vollziehung des Zinsbescheides (Beschluss vom 25.4.2018, Az. IX B21/18).
Der BFH begründet dies mit der realitätsfernen Bemessung des Zinssatzes (0,5 % der nachzuzahlenden Steuer pro Monat, § 238 AO), wodurch der allgemeine Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG verletzt würde. Infolge der strukturellen und nachhaltigen Verfestigung des niedrigen Marktzinsniveaus im Streitzeitraum (1.4.2015 bis 16.11.2017) habe der gesetzlich festgelegte Zinssatz den angemessenen Rahmen der wirtschaftlichen Realität erheblich überschritten. Rechtfertigungsgründe für die gesetzliche Zinshöhe seien bei der gebotenen summarischen Prüfung nicht ersichtlich.
Überdies bestünden schwerwiegende verfassungsrechtliche Zweifel, ob der Zinssatz dem Übermaßverbot entspreche, das aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG abzuleiten sei. Angesichts des strukturellen Niedrigzinsniveaus wirke die realitätsferne Bemessung der Zinshöhe wie ein rechtsgrundloser Zuschlag auf die Steuerfestsetzung. Im Übrigen sei der Gesetzgeber von Verfassungs wegen gehalten, die gesetzlich geregelte Zinshöhe dahingehend zu überprüfen, ob diese auch bei dauerhafter Verfestigung des Niedrigzinsniveaus aufrechtzuerhalten oder herabzusetzen sei.
Hinweis
Mit der Entscheidung des BFH erhöhen sich die Chancen, dass die Zinssatzhöhe einer verfassungsrechtlichen Überprüfung durch das BVerfG unterzogen und ggf. für verfassungswidrig erklärt wird. Festsetzungen von Nachzahlungszinsen für Zeiträume ab 1.1.2015 sollten deshalb per Einspruch offen gehalten werden.