Die Beschlusskammern 8 (Netzentgelte Strom) und 9 (Netzentgelte Gas) der Bundesnetzagentur (BNetzA) haben mit zwei Festlegungen (Az. BK8-19/00002-A, im Folgenden: „Festlegung Strom“ und Az. BK9-19613-1, im Folgenden: „Festlegung Gas“) am 25.11.2019 gemäß § 6b Abs. 6 i. V. m. § 29 Abs. 1 EnWG zusätzliche Vorgaben für die Erstellung und Prüfung von Jahresabschlüssen und Tätigkeitsabschlüssen gegenüber vertikal integrierten Energieversorgungsunternehmen und rechtlich selbständigen Netzbetreibern aufgestellt.
Die Festlegungen sehen vor, dass ein Unternehmen, das lediglich energiespezifische Dienstleistungen konzernintern gegenüber einer Netzgesellschaft erbringt, verpflichtet ist, einen Tätigkeitsabschluss zu erstellen. Die Festlegungen richten sich an die durch § 6b Abs. 1 Satz 1 EnWG verpflichteten Unternehmen, sofern diese Tätigkeiten nach § 6b Abs. 3 EnWG ausüben. Unabhängig von größenabhängigen Erleichterungen müssen die Adressaten den Jahresabschluss, ggf. Lagebericht sowie die Tätigkeitsabschlüsse durch einen Abschlussprüfer prüfen lassen.
Im Rahmen eines Beschwerdeverfahrens hat ein Netzbetreiber Beschwerde eingelegt. Das OLG Düsseldorf kam jedoch zu dem Ergebnis, dass die in der jeweiligen Tenorziffer 4 der Festlegungen angeordnete Verpflichtung, die Prüfung des Jahresabschlusses um die Prüfung entsprechender Angaben und Erläuterungen nach den Tenorziffern 4.1 bis 4.6 zu erweitern, von der Ermächtigungsgrundlage in § 6b Abs. 6 i. V. m. § 29 Abs. 1 EnWG umfasst sei. Insbesondere bewegen sich die den Unternehmen dort auferlegten Pflichten im Rahmen der Zweckbestimmung des § 6b EnWG und sind rein tatsächlich durchführbar. Nach den Beschlüssen umfasst die Ermächtigung der BNetzA auch den Erlass zusätzlicher Bestimmungen, die den Prüfungsgegenstand einer Jahresabschlussprüfung betreffen, wie Aspekte der Rechnungslegung nach § 6b Abs. 3 EnWG.
Der BGH hat mit zwei Beschlüssen vom 19.07.2022 (Az. EnVR 29/21 und EnVR 33/21) die Rechtmäßigkeit der BNetzA-Festlegungen für die Erstellung und Prüfung von Jahresabschlüssen und Tätigkeitsabschlüssen bestätigt und schließt sich der Entscheidung des OLG Düsseldorf an. Nach Ansicht des BGH und des OLG besteht die Pflicht zur Aufstellung der Tätigkeitsabschlüsse bereits nach § 6b Abs. 3 EnWG und wurde nicht durch die BNetzA statuiert. Die Aufnahme und das Testat der ergänzenden Angaben und Erläuterungen aus den Festlegungen in den Prüfungsbericht oder einen Ergänzungsband durch den Abschlussprüfer sind nach Ansicht des BGH rechtmäßig. Das Gesetz ermächtigt die BNetzA zur Festlegung von Bestimmungen zur Ausgestaltung von Prüfungstätigkeiten. Diese umfassen die Angaben zu verbundenen vertikal integrierten Energieversorgungsunternehmen zur Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung der Tätigkeitsbereiche, zu fortwirkenden Schuldbeitritten oder Schuldübernahmen von verbundenen Unternehmen mit Bezug zum Tätigkeitsbereich, zum Rückstellungsspiegel und zu Verbindlichkeiten aus Gewinnabführungsverträgen mit Bezug zu einem Tätigkeitsbereich.
Entflechtungserfordernis für Katalogtätigkeit „Ladepunkte“ im Sinne des § 6b Abs. 3 S. 1 Nr. 7 EnWG
Die Katalogtätigkeiten des § 6b Abs. 3 EnWG sind um die Tätigkeit „Entwicklung, Verwaltung oder Betrieb von öffentlichen Ladepunkten für Elektromobile nach § 7c Abs. 2 EnWG“ (nachfolgend: Tätigkeit Ladepunkte) erweitert. Betreiber von Elektrizitätsverteilernetzen dürfen weder Eigentümer von öffentlichen Ladepunkten sein noch diese entwickeln, verwalten oder betreiben, es sei denn, es liegen private Ladepunkte, die für den Eigengebrauch bestimmt sind, oder ein regionales Marktversagen vor und die BNetzA hat eine entsprechende Genehmigung erteilt. Aufgrund der Übergangsvorschrift in § 118 Abs. 34 EnWG gelten Ladepunkte, die bereits vor dem 27.07.2021 entwickelt, verwaltet oder betrieben worden sind, bis zum 31.12.2023 als aufgrund regionalem Marktversagens genehmigt.
Private Ladepunkte führen nicht zur Verpflichtung zur Aufstellung von Tätigkeitsabschlüssen für die Tätigkeit Ladepunkte. Für Ladepunkte, die vor dem 21.07.2021 entwickelt, verwaltet oder betrieben wurden, muss bis zum Geschäftsjahresende 2023 ein Tätigkeitsabschluss Ladepunkte erstellt, geprüft und offengelegt werden. Ladepunkte mit Genehmigung der BNetzA unterliegen uneingeschränkt der Pflicht zur Erstellung, Prüfung und Offenlegung.
Im Gegensatz zu den Erfordernissen für öffentliche Ladepunkte, wonach gesonderte Tätigkeitsabschlüsse aufzustellen sind, dürfen private Ladepunkte grundsätzlich in die bisher aufgestellten Tätigkeitsabschüsse einbezogen werden. Private Ladepunkte können auch einem Tätigkeitsbericht im Sinne des § 6b Abs. 3 S. 1 Nr. 1 bis Nr. 7 EnWG zugeordnet werden, sofern ausschließlich Firmenfahrzeuge geladen werden, die für Zwecke dieses Tätigkeitsbereiches eingesetzt werden.
Auslegung der Erfordernisse zur Entflechtung der Tätigkeit Ladepunkte
Vielfach wird die Frage aufgeworfen, was die Regelung des § 7c Abs. 2 EnWG für gesellschaftsrechtlich nicht entflochtene Betreiber von Elektrizitätsverteilernetzen, die unter die de-minimis-Regelung des § 7 Abs. 2 EnWG fallen (z.B. kleines Stadtwerk), bedeutet.
Nach Auffassung von Drouet/Thye hat der Gesetzgeber versäumt, klarzustellen, dass das grundsätzliche Verbot des § 7c EnWG für diese Unternehmen nicht gilt (vgl. Drouet/Thye: Neue Regelungen für den Netzbetrieb und für selbständige Betreiber von Interkonnektoren durch die EnWG-Novelle 2021, IR 2021, S. 218). Zu der Frage, ob kleinere, vertikal integrierte Energieversorgungsunternehmen i.S. d. § 7 Abs. 2 EnWG folglich für den rechtlich nicht entflochtenen Tätigkeitsbereich „Ladepunkte“ einen Tätigkeitsabschluss aufstellen müssen, schweigen die beiden Autoren. In der Praxis argumentieren einige integrierte Versorger, dass bei der Auslegung des § 7c EnWG nicht auf die rechtliche Einheit, sondern auf die Marktrolle innerhalb der Gesellschaft abzustellen sei. Da Ladepunkte ohnehin regelmäßig dem Vertrieb und nicht der Elektrizitätsverteilung zugeordnet seien, bestünde in diesen Fällen keine Pflicht für die Erstellung und Veröffentlichung eines separaten Tätigkeitsabschlusses „Ladepunkte“, sondern die Kontentrennung der Tätigkeit „Vertrieb“ einschließlich der Ladepunkte würde ausreichen (vgl. z. B. Papier der Thüga AG vom 07.12.2021 zur Berücksichtigung von öffentlichen Ladesäulen im Tätigkeitsabschluss). Gegen diese Argumentation wird vorgetragen, dass nach § 7c Abs. 1 Satz 1 EnWG grundsätzlich der Betreiber von Elektrizitätsverteilernetzen nicht Eigentümer von Ladepunkten für Elektromobile sein darf. Eine rechtlich unselbständige Organisationseinheit kann aber zivilrechtlich gar nicht Eigentümerin sein, sondern nur die rechtliche Einheit als solche. Ähnlich wie bei § 3 Abs. 4 MsbG lässt der Gesetzestext Interpretationsspielräume zu. Entsprechende Stellungnahmen des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft e.V. (BDEW) und der Bundesnetzagentur (BNetzA) zu diesen offenen Fragen stehen noch aus, so dass die Fragen vermutlich wieder gerichtlich geklärt werden müssen.
Hinweise:
Es wird empfohlen, dass nicht entflochtene Unternehmen, die keinen Tätigkeitsabschluss Ladepunkte aufstellen, weil es nach ihrer Auslegung des § 7c Abs. 2 EnWG auf die Marktrolle ankommt, ihre Angaben zu den Rechnungslegungsmethoden in der Verfahrensbeschreibung zu den Tätigkeitsabschlüssen transparent machen, da ansonsten der Abschlussprüfer sein Prüfungsurteil modifizieren müsste. Ein Verweis auf allgemeine Unterlagen reicht in der Regel nicht aus. Vielmehr sollte eine ausführliche rechtliche Begründung, die die Gegebenheiten des Unternehmens berücksichtigt, angegeben werden.
Weitere Fragen ergeben sich aus der konsequenten Auslegung der Beschlüsse des OLG Düsseldorf vom 28.04.2021, Az. 3 Kart 132/20, Az. Kart 23/20, Az. 3 Kart 83/20) und des BGH vom 19.07.2022 (Az.: EnVR 29/21 und EnVR 33/21) im Zusammenhang mit der Erbringung sog. energiespezifischer Dienstleistungen. Danach hat ein Unternehmen i.S.d. § 6b Abs 1 Satz 1 EnWG (vertikal integriertes Energieversorgungsunternehmen), das energiespezifische Dienstleistungen gegenüber dem Tätigkeitsbereich Ladepunkte eines verbundenen, vertikal integrierten Unternehmens erbringt, diese energiespezifischen Dienstleistungen seinem Tätigkeitsbereich Ladepunkte zuzuordnen und einen entsprechenden Tätigkeitsabschluss aufzustellen. Demgegenüber muss der Erbringer von energiespezifischen Dienstleistungen jedoch keinen Tätigkeitsabschluss Ladepunkte aufstellen, wenn er zwar Ladepunkte entwickelt, verwaltet oder betreibt, er aber selbst kein Betreiber von Elektrizitätsverteilnetzen ist und auch keine energiespezifischen Dienstleistungen gegenüber dem Tätigkeitsbereich Ladepunkte eines verbundenen, vertikal integrierten Unternehmens erbringt.