Der Sachverhalt:
Die Klägerin war von September 2008 bis Juni 2009 als Bezirksvertreterin der Beklagten tätig. Diese betreibt einen Großhandel mit Brillengestellen verschiedener Kollektionen und Marken und veräußert sie an Optiker. Die Beklagte weist ihren Handelsvertretern nicht den Vertrieb ihrer gesamten Produktpalette zu, sondern lediglich Brillenkollektionen bestimmter Marken.
Nach Beendigung des Handelsvertretervertrages machte die Klägerin einen Anspruch auf Handelsvertreterausgleich geltend. Ihre Forderung begründete sie u.a. damit, dass die von ihr geworbenen Optiker, auch wenn sie bereits auf der ihr überlassenen Kundenliste verzeichnet gewesen seien, als Neukunden anzusehen seien, weil sie erstmalig Brillen der Kollektionen C.K. und F. bezogen hätten.
Das LG hat auch diejenigen von der Klägerin geworbenen Kunden, die vorher andere Kollektionen von der Beklagten erworben hatten, als Neukunden angesehen, jedoch einen Billigkeitsabschlag i.H.v. 50 % vorgenommen, da dem Handelsvertreter der Vertrieb der Brillen erleichtert werde, wenn der Kunde seinen Vertragspartner bereits kenne. Das OLG hat dies bestätigt. Auf die Revision der Beklagten hat der BGH das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurückverwiesen.
Die Gründe:
Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung konnte eine Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung eines Handelsvertreterausgleichs an die Klägerin nicht bejaht werden.
§ 89b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 HGB ist im Lichte von Art. 17 Abs. 2 Buchstabe a) erster Gedankenstrich der Richtlinie 86/653/EWG dahin auszulegen, dass die von einem Handelsvertreter für Waren geworbenen Kunden, mit deren Vertrieb ihn der Unternehmer beauftragt hat, auch dann als neue Kunden i.S.d. Bestimmung anzusehen sind, wenn sie bereits wegen anderer Waren Geschäftsverbindungen mit dem Unternehmer unterhalten, sofern der Verkauf der erstgenannten Waren durch diesen Handelsvertreter die Begründung einer speziellen Geschäftsverbindung erfordert hat. Nach Auffassung des EuGH (Urt. v. 7.4.2016, C-315/14) darf der Begriff "neuer Kunde" im Sinne dieser Bestimmung im Hinblick auf das mit der Richtlinie 86/653/EWG verfolgte Ziel, die Interessen des Handelsvertreters gegenüber dem Unternehmer zu schützen, nicht eng ausgelegt werden.
Ob danach davon auszugehen ist, dass die Klägerin neue Kunden i.S.d. § 89b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 HGB für die Beklagte geworben hatte, hat das Berufungsgericht bislang nicht festgestellt. Die Klägerin hat die streitgegenständliche Ausgleichsforderung auf der Basis der entgangenen Provisionen für Vertragsabschlüsse mit den Optikern berechnet, die sie für die ihr zugewiesenen Brillenmarken geworben hatte. Sie hat die Klage danach darauf gestützt, dass es sich bei den geworbenen Optikern um neue Kunden i.S.d. § 89b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 HGB gehandelt hat. Hierfür kommt es nach den vorstehenden Grundsätzen darauf an, ob der Vertrieb der ihr zugewiesenen Brillenmarken Vermittlungsbemühungen und eine besondere Verkaufsstrategie im Hinblick auf die Begründung einer speziellen Geschäftsverbindung zu diesen Kunden erfordert hat.
Linkhinweise:
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