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BGH zu den Pflichten eines GmbH-Geschäftsführers zur Überwachung der wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft

Urteil des BGH vom 19.6.2012 - II ZR 243/11

Ob der Ge­schäftsführer ei­ner GmbH sei­ner Pflicht zur lau­fen­den Be­ob­ach­tung der wirt­schaft­li­chen Lage des Un­ter­neh­mens und näheren Überprüfung im Fall kri­sen­haf­ter An­zei­chen hin­rei­chend nach­ge­kom­men ist, kann nur un­ter um­fas­sen­der Berück­sich­ti­gung der für die Ge­sell­schaft wirt­schaft­lich re­le­van­ten Umstände be­ur­teilt wer­den, die dem Ge­schäftsführer be­kannt wa­ren oder be­kannt sein muss­ten. Er muss auf je­den Fall für eine Or­ga­ni­sa­tion sor­gen, die ihm die zur Wahr­neh­mung sei­ner Pflich­ten er­for­der­li­che Über­sicht über die wirt­schaft­li­che und fi­nan­zi­elle Si­tua­tion der Ge­sell­schaft je­der­zeit ermöglicht.

Der Sach­ver­halt:
Der Be­klagte war al­lei­ni­ger Ge­schäftsführer ei­ner GmbH, über de­ren Vermögen auf Ei­gen­an­trag im No­vem­ber 2004 das In­sol­venz­ver­fah­ren eröff­net wurde. Der Kläger wurde zum In­sol­venz­ver­wal­ter be­stellt. Er ver­langte in­fol­ge­des­sen mit der Be­haup­tung, die GmbH sei be­reits seit Ende 2003 zah­lungs­unfähig und über­schul­det ge­we­sen, von dem Be­klag­ten gem. § 64 Abs. 2 GmbHG a.F. Zah­lun­gen i.H.v. ins­ge­samt rund 523.722 € er­setzt, die zwi­schen Ja­nuar und Ok­to­ber 2004 zu Las­ten des Ge­sell­schafts­vermögens ge­leis­tet wor­den wa­ren.

Das LG gab der Klage statt; das KG wies sie ab. Auf die Re­vi­sion des Klägers hob der BGH das Be­ru­fungs­ur­teil auf und wies die Sa­che zur er­neu­ten Ver­hand­lung und Ent­schei­dung an das KG zurück.

Die Gründe:
Das Be­ru­fungs­ge­richt hatte für den Zeit­raum bis An­fang Mai 2004 ein Ver­schul­den des Be­klag­ten mit rechts­feh­ler­haf­ten Erwägun­gen ver­neint. Zwar war es noch zu­tref­fend da­von aus­ge­gan­gen, dass die Haf­tung des Ge­schäftsführers nach § 64 Abs. 2 S. 1 GmbHG a.F. Ver­schul­den vor­aus­setzt. Ein­fa­che Fahrlässig­keit genügt. Maßstab ist nach § 64 Abs. 2 S. 2 GmbHG a.F. al­ler­dings die Sorg­falt ei­nes or­dent­li­chen Ge­schäfts­manns. Auf die in­di­vi­du­el­len Fähig­kei­ten des in An­spruch ge­nom­me­nen Ge­schäftsführers kommt es nicht an; man­gelnde Sach­kennt­nis ent­schul­digt ihn nicht.

Ob der Ge­schäftsführer sei­ner Pflicht zur lau­fen­den Be­ob­ach­tung der wirt­schaft­li­chen Lage des Un­ter­neh­mens und näheren Überprüfung im Falle kri­sen­haf­ter An­zei­chen hin­rei­chend nach­ge­kom­men ist, kann nur un­ter um­fas­sen­der Berück­sich­ti­gung der für die Ge­sell­schaft wirt­schaft­lich re­le­van­ten Umstände be­ur­teilt wer­den, die dem Ge­schäftsführer be­kannt wa­ren oder be­kannt sein muss­ten. Dem Ge­schäftsführer, der die Ver­mu­tung schuld­haf­ten Ver­hal­tens zu wi­der­le­gen hat, ob­liegt es, die Gründe vor­zu­tra­gen und zu erläutern, die ihn ge­hin­dert ha­ben, eine tatsäch­lich be­ste­hende In­sol­venz­reife der Ge­sell­schaft zu er­ken­nen. Bei der Be­wer­tung die­ses Vor­brin­gens ist zu berück­sich­ti­gen, dass der Ge­schäftsführer ei­ner GmbH für eine Or­ga­ni­sa­tion sor­gen muss, die ihm die zur Wahr­neh­mung sei­ner Pflich­ten er­for­der­li­che Über­sicht über die wirt­schaft­li­che und fi­nan­zi­elle Si­tua­tion der Ge­sell­schaft je­der­zeit ermöglich.

Ge­mes­sen daran wa­ren die Erwägun­gen un­zu­rei­chend, mit de­nen das Be­ru­fungs­ge­richt an­ge­nom­men hatte, die - mögli­che - Über­schul­dung der GmbH 2003 sei für den Be­klag­ten nicht er­kenn­bar ge­we­sen. Ent­ge­gen sei­ner Auf­fas­sung ist eine Er­kenn­bar­keit der mögli­chen Über­schul­dung auf­grund der be­triebs­wirt­schaft­li­chen Aus­wer­tun­gen nicht des­halb von vorn­her­ein aus­zu­schließen, weil dort grundsätz­lich keine Rück­stel­lun­gen für künf­tige Ver­bind­lich­kei­ten aus­ge­wie­sen wer­den. Nicht frei von Rechts­feh­lern war auch die An­nahme, der Kläger müsse die be­haup­tete Über­schul­dung der Schuld­ne­rin, die es für den Zeit­punkt Ende 2003 hat da­hin­ste­hen las­sen, für einen späte­ren Zeit­punkt im Laufe des Jah­res 2004, zu dem die Er­kenn­bar­keit der In­sol­venz­reife für den Be­klag­ten in Be­tracht zu zie­hen sei, er­neut dar­le­gen.

Link­hin­weis:
  • Der Voll­text der Ent­schei­dung ist auf der Home­page des BGH veröff­ent­licht.
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