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BGH zum Selbstbehalt gegenüber Unterhaltsansprüchen erwachsener Kinder

Urteil des BGH vom 18.1.2012 - XII ZR 15/10

Sollte ein er­wach­se­nes Kind seine be­reits er­langte wirt­schaft­li­che Selbständig­keit wie­der ver­lie­ren, so ist es nicht zu be­an­stan­den, einem El­tern­teil ge­genüber dem Un­ter­halts­an­spruch des Kin­des einen ebenso erhöhten an­ge­mes­se­nen Selbst­be­halt zu be­las­sen, wie ihn die un­ter­halts­recht­li­chen Ta­bel­len und Leit­li­nien für den El­tern­un­ter­halt vor­se­hen. Das gilt ins­be­son­dere, wenn er sei­nen Abkömm­ling im Falle ei­ge­ner Bedürf­tig­keit nicht sei­ner­seits auf Zah­lung von El­tern­un­ter­halt wird in An­spruch neh­men können.

Der Sach­ver­halt:
Der Kläger ist ein überört­li­cher Träger der So­zi­al­hilfe. Er gewährt der 1958 ge­bo­re­nen, in­zwi­schen er­werbs­unfähi­gen Toch­ter des Be­klag­ten seit Fe­bruar 2007 fort­lau­fend Ein­glie­de­rungs­hilfe. In­fol­ge­des­sen nimmt der Kläger nun den 1935 ge­bo­re­nen Be­klag­ten, der als Rent­ner über Einkünfte von rund 1.372 € und seit Juli 2009 von 1.408 € verfügt, aus über­ge­gan­ge­nem Recht gem. § 94 Abs. 2 SGB XII auf rückständi­gen und lau­fen­den Un­ter­halt i.H.v. mo­nat­lich 26 € seit März 2007 und i.H.v. 27,69 € seit Ja­nuar 2009 in An­spruch.

AG und OLG ha­ben den Un­ter­halts­an­spruch ab­ge­wie­sen. Die Re­vi­sion des Klägers blieb vor dem BGH er­folg­los.

Die Gründe:
Der Un­ter­halts­an­spruch schei­terte daran, dass der Be­klagte nicht leis­tungsfähig i.S.v. § 1603 Abs. 1 BGB war.

Den in den Un­ter­halts­ta­bel­len an­ge­setz­ten Selbst­be­halts­beträgen, die ein Un­ter­halts­ver­pflich­te­ter grundsätz­lich ge­genüber einem min­derjähri­gen oder einem volljähri­gen Kind ver­tei­di­gen kann, lie­gen an­dere Le­bens­verhält­nisse zu­grunde, als im vor­lie­gen­den Fall zu be­ur­tei­len war. Zwar müssen El­tern re­gelmäßig da­mit rech­nen, ih­ren Kin­dern auch über die Voll­en­dung des 18. Le­bens­jah­res hin­aus zu Un­ter­halts­leis­tun­gen ver­pflich­tet zu sein. Ha­ben die Kin­der da­nach eine ei­gene Le­bens­stel­lung er­langt, in der sie auf el­ter­li­chen Un­ter­halt nicht mehr an­ge­wie­sen sind, kann in der Re­gel da­von aus­ge­gan­gen wer­den, dass sie diese El­ter­nun­abhängig­keit auch be­hal­ten. Dar­auf dürfen sich, wenn nicht be­reits eine an­dere Ent­wick­lung ab­seh­bar ist, grundsätz­lich auch die El­tern ein­stel­len.

Ver­liert das er­wach­sene Kind zu einem späte­ren Zeit­punkt wie­der seine wirt­schaft­li­che Selbständig­keit, wie hier durch den Ein­tritt ei­ner Be­hin­de­rung, fin­det die In­an­spruch­nahme des Un­ter­halts­pflich­ti­gen in der Re­gel erst statt, wenn die­ser sich selbst be­reits in einem höheren Le­bens­al­ter be­fin­det, seine Le­bens­verhält­nisse dem­zu­folge be­reits länger­fris­tig sei­nem Ein­kom­mens­ni­veau an­ge­passt hat oder wie hier so­gar be­reits Rente be­zieht und sich dann ei­ner Un­ter­halts­for­de­rung aus­ge­setzt sieht, mit der er nach dem re­gelmäßigen Ab­lauf nicht mehr zu rech­nen brauchte. In tatsäch­li­cher Hin­sicht würde die Not­wen­dig­keit, nicht un­er­heb­li­che Ab­stri­che von dem der­zei­ti­gen Le­bens­stan­dard hin­zu­neh­men, auf eine übermäßige Be­las­tung des Un­ter­halts­pflich­ti­gen hin­aus­lau­fen. Das gilt ins­be­son­dere, wenn er sei­nen Abkömm­ling im Falle ei­ge­ner Bedürf­tig­keit nicht sei­ner­seits auf Zah­lung von El­tern­un­ter­halt wird in An­spruch neh­men können.

Mit Rück­sicht dar­auf ist es ge­recht­fer­tigt, dass der Selbst­be­halt des Un­ter­halts­pflich­ti­gen ge­genüber sei­nem er­wach­se­nen Kind, das seine be­reits er­langte wirt­schaft­li­che Selbständig­keit wie­der ver­lo­ren hat, mit einem erhöhten Be­trag, wie er in den Ta­bel­len und Leit­li­nien in­so­weit als Min­dest­be­trag vor­ge­se­hen ist, an­ge­setzt und ge­ge­be­nen­falls noch da­durch erhöht wird, dass dem Un­ter­halts­pflich­ti­gen ein etwa hälf­ti­ger An­teil sei­nes für den El­tern­un­ter­halt ein­setz­ba­ren be­rei­nig­ten Ein­kom­mens zusätz­lich ver­bleibt.

Link­hin­weis:
  • Der Voll­text der Ent­schei­dung ist auf der Home­page des BGH veröff­ent­licht.
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