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BGH zum Widerrufsrecht nach den Vorschriften über Verbraucherdarlehensverträge bei einer unechten Abschnittsfinanzierung

Urteil des BGH vom 28.5.2013 - XI ZR 6/12

Bei ei­ner un­ech­ten Ab­schnitts­fi­nan­zie­rung steht einem Ver­brau­cher kein Wi­der­rufs­recht nach den Vor­schrif­ten über Ver­brau­cher­dar­le­hens­verträge gem. § 495 Abs. 1, § 355 BGB zu, wenn nach Aus­lau­fen der Zins­bin­dungs­frist mit der dar­le­hens­ge­ben­den Bank le­dig­lich neue Kon­di­tio­nen für die Zu­kunft ver­ein­bart wer­den und die Kon­di­tio­nen­an­pas­sung ent­spre­chend dem ur­sprüng­lich ge­schlos­se­nen Dar­le­hens­ver­trag voll­zo­gen wird.

Der Sach­ver­halt:
Die Par­teien strei­ten um Fest­stel­lungs- und Rück­for­de­rungs­an­sprüche im Zu­sam­men­hang mit einem Dar­le­hen, das der Fi­nan­zie­rung ei­ner Be­tei­li­gung an einem ge­schlos­se­nen Im­mo­bi­li­en­fonds diente. Die Be­klag­ten wur­den im De­zem­ber 1997 von einem Ver­mitt­ler ge­wor­ben, eine mit­tel­bare Be­tei­li­gung an ei­ner GbR (Fonds) i.H.v. 60.000 DM zu zeich­nen. Zur Fi­nan­zie­rung gewährte die Kläge­rin den Be­klag­ten ein Dar­le­hen i.H.v. 63.000 DM mit ei­ner Zins­fest­schrei­bung von fünf Jah­ren. Die Rück­zah­lung des Dar­le­hens sollte bei Zah­lung vier­teljähr­li­cher Zins­ra­ten bis spätes­tens Ende 2017 er­fol­gen. Nach Ab­lauf der Zins­fest­schrei­bungs­zeit wa­ren die Kon­di­tio­nen mit der Kläge­rin neu zu ver­ein­ba­ren. So­fern in­ner­halb von vier Wo­chen nach einem ent­spre­chen­den An­ge­bot der Kläge­rin keine Ver­ein­ba­rung über neue Kon­di­tio­nen zu­stande kom­men sollte, war das Dar­le­hen ohne vor­he­rige Kündi­gung zur Rück­zah­lung fällig.

Im Jahr 2003 wurde das Dar­le­hen erst­mals pro­lon­giert. Mit Schrei­ben von Au­gust 2007 un­ter­brei­tete die Kläge­rin den Be­klag­ten un­ter Hin­weis dar­auf, dass die ver­trag­lich ver­ein­barte Zins­bin­dungs­frist zum 30.12.2007 aus­laufe, ein er­neu­tes Pro­lon­ga­ti­ons­an­ge­bot. Dem Schrei­ben wa­ren zwei Wi­der­rufs­be­leh­run­gen bei­gefügt, die als "Wi­der­rufs­be­leh­rung" bzw. als "Wi­der­rufs­be­leh­rung zu Ih­rer Ver­trags­erklärung" be­zeich­net wa­ren und die­selbe Ver­trags­num­mer wie der ur­sprüng­lich ge­schlos­sene Dar­le­hens­ver­trag ent­hiel­ten. Die "Wi­der­rufs­be­leh­rung", die zusätz­lich die Be­zeich­nung "An­lage zur Pro­lon­ga­tion" trug, wies auf ein zweiwöchi­ges Wi­der­rufs­recht hin, die na­hezu wort­glei­che "Wi­der­rufs­be­leh­rung zu Ih­rer Ver­trags­erklärung" auf ein ein­mo­na­ti­ges Wi­der­rufs­recht.

Die Be­klag­ten nah­men das Pro­lon­ga­ti­ons­an­ge­bot der Kläge­rin an und setz­ten die Zah­lung der mtl. Ra­ten ab dem 1.1.2008 zunächst ver­ein­ba­rungs­gemäß fort. Mit An­walts­schrei­ben von Juli 2008 mach­ten sie gel­tend, der Dar­le­hens­ver­trag sei in ei­ner Haustürsi­tua­tion ab­ge­schlos­sen wor­den. Er sei "nach wie vor wi­der­ruf­bar", weil die Wi­der­rufs­be­leh­run­gen feh­ler­haft seien. Die Be­klag­ten seien nicht zur Rück­zah­lung der Dar­le­hens­va­luta ver­pflich­tet, son­dern hätten An­spruch auf Rück­zah­lung sämt­li­cher Zah­lun­gen. Dem wi­der­sprach die Kläge­rin.

Mit ih­rer Klage ver­langte die Kläge­rin die Fest­stel­lung, dass der ge­schlos­sene Dar­le­hens­ver­trag wirk­sam sei. Die Be­klag­ten wi­der­rie­fen "den Dar­le­hens­ver­trag" dar­auf­hin in der Kla­ge­er­wi­de­rung un­ter Hin­weis auf ein ver­trag­lich vor­aus­set­zungs­los ein­geräum­tes Wi­der­rufs­recht "ausdrück­lich". Zu­gleich er­ho­ben sie Wi­der­klage mit dem Ziel, fest­zu­stel­len, dass sie aus dem Dar­le­hens­ver­trag zu kei­nen wei­te­ren Zins- und Til­gungs­leis­tun­gen ge­genüber der Kläge­rin ver­pflich­tet sind. Außer­dem ver­lang­ten sie die Rück­zah­lung sämt­li­cher bis­lang auf den Dar­le­hens­ver­trag ge­leis­te­ter Zah­lun­gen, ab­zgl. er­hal­te­ner Fonds­aus­schüttun­gen so­wie die Rück­ab­tre­tung ei­ner si­che­rungs­hal­ber ab­ge­tre­te­nen Le­bens­ver­si­che­rung Zug um Zug ge­gen Ab­tre­tung des Fonds­an­teils und die Fest­stel­lung des An­nah­me­ver­zugs der Kläge­rin ver­langt.

Das LG gab der Klage statt, wies die Wi­der­klage ab und gab der Hilfs­wi­der­klage teil­weise statt. Das KG wies die Klage ab und gab der Wi­der­klage statt. Auf die Re­vi­sion der Kläge­rin hob der BGH das Be­ru­fungs­ur­teil auf und ver­wies die Sa­che zur neuen Ver­hand­lung und Ent­schei­dung an das KG zurück.

Die Gründe:
Das KG hat die Fest­stel­lungs­klage rechts­feh­ler­haft mit der Begründung ab­ge­wie­sen, der Dar­le­hens­ver­trag sei un­wirk­sam, weil die Be­klag­ten ihre auf Ab­schluss der zwei­ten Pro­lon­ga­ti­ons­ver­ein­ba­rung ge­rich­tete Wil­lens­erklärung gem. § 495 Abs. 1, § 355 Abs. 1 S. 1 BGB a.F. mit Schrift­satz von Ja­nuar 2009 wirk­sam wi­der­ru­fen hätten. Durch­grei­fen­den recht­li­chen Be­den­ken be­geg­net zu­dem die hieran anknüpfende An­nahme des KG, in­folge des Wi­der­rufs der Pro­lon­ga­ti­ons­ver­ein­ba­rung sei der Dar­le­hens­ver­trag nach den Grundsätzen des ver­bun­de­nen Ge­schäfts rück­ab­zu­wi­ckeln.

Die Re­vi­sion wen­det sich mit Er­folg ge­gen die An­nahme des KG, die Be­klag­ten hätten die Pro­lon­ga­ti­ons­ver­ein­ba­rung wirk­sam wi­der­ru­fen, wo­durch der ur­sprüng­lich ge­schlos­sene Dar­le­hens­ver­trag be­en­det und in ein Rück­ab­wick­lungs­verhält­nis um­ge­stal­tet wor­den sei. Rechts­feh­ler­haft hat das KG schon ein Wi­der­rufs­recht der Be­klag­ten nach den Vor­schrif­ten des Ver­brau­cher­dar­le­hens­rechts be­jaht. Zu­dem hal­ten seine Ausführun­gen zu den Rechts­fol­gen des Wi­der­rufs der Pro­lon­ga­ti­ons­ver­ein­ba­rung re­vi­si­ons­recht­li­cher Nachprüfung nicht stand.

Das KG ist zu Un­recht da­von aus­ge­gan­gen, die Pro­lon­ga­ti­ons­ver­ein­ba­rung sei gem. § 495 Abs. 1, § 355 Abs. 1 S. 1 BGB a.F. wi­der­ruf­lich. Zu­tref­fend ist viel­mehr, dass einem Ver­brau­cher bei ei­ner un­ech­ten Ab­schnitts­fi­nan­zie­rung kein Wi­der­rufs­recht nach § 495 Abs. 1 BGB a.F. zu­steht, wenn mit der Bank nach Aus­lau­fen der Zins­bin­dungs­frist le­dig­lich neue Kon­di­tio­nen ver­ein­bart wer­den. Nach § 495 Abs. 1, § 355 Abs. 1 S. 1 BGB a.F. kann nur die auf Ab­schluss ei­nes Ver­brau­cher­dar­le­hens­ver­tra­ges ge­rich­tete Wil­lens­erklärung wi­der­ru­fen wer­den. Kenn­zeich­nend für einen Ver­brau­cher­dar­le­hens­ver­trag i.S.d. § 491 Abs. 1 BGB a.F. ist da­bei, dass dem Ver­brau­cher ein Ka­pi­tal­nut­zungs­recht ein­geräumt wird. Dem ent­spre­chend fin­den die Vor­schrif­ten der §§ 491, 495 BGB a.F. auf Ände­run­gen ei­nes Ver­brau­cher­dar­le­hens­ver­tra­ges nur dann An­wen­dung, wenn dem Ver­brau­cher in­folge der Ver­tragsände­rung zu­gleich ein neues, im ur­sprüng­li­chen Dar­le­hens­ver­trag we­der ge­re­gel­tes noch an­ge­leg­tes Ka­pi­tal­nut­zungs­recht ein­geräumt wird.

Das trifft auf eine un­echte Ab­schnitts­fi­nan­zie­rung nach der Recht­spre­chung des BGH je­doch nicht zu. Da­bei han­delt es sich um Kre­dite, bei de­nen dem Ver­brau­cher be­reits im Zeit­punkt des Ver­trags­schlus­ses ein lang­fris­ti­ges Ka­pi­tal­nut­zungs­recht ein­geräumt wird, die Zins­ver­ein­ba­rung je­doch nicht für den ge­sam­ten Zeit­raum, son­dern zunächst nur für eine be­stimmte Fest­zin­spe­riode ge­trof­fen wird. An­ders als bei ei­ner ech­ten Ab­schnitts­fi­nan­zie­rung, ei­ner No­va­tion oder ei­ner Pro­lon­ga­tion nach Ab­lauf der Ge­samt­lauf­zeit wird dem Ver­brau­cher mit­hin bei ei­ner un­ech­ten Ab­schnitts­fi­nan­zie­rung kein neues Ka­pi­tal­nut­zungs­recht gewährt, wenn nach Ab­lauf der Zins­bin­dungs­frist le­dig­lich neue Kon­di­tio­nen für die Zu­kunft ver­ein­bart wer­den und die Kon­di­tio­nen­ver­ein­ba­rung ent­spre­chend dem ur­sprüng­li­chen Dar­le­hens­ver­trag voll­zo­gen wird.

Vor­lie­gend ha­ben die Par­teien eine un­echte Ab­schnitts­fi­nan­zie­rung ver­ein­bart. Im Zuge der Pro­lon­ga­tion ha­ben sie zu­dem die Fi­nan­zie­rungs­da­ten an die ak­tu­elle Markt­lage an­ge­passt. Da­nach wurde den Be­klag­ten durch den Ab­schluss der Pro­lon­ga­ti­ons­ver­ein­ba­rung kein neues Ka­pi­tal­nut­zungs­recht ein­geräumt. Viel­mehr wur­den le­dig­lich die Kon­di­tio­nen der Ka­pi­tal­nut­zung im Rah­men des ur­sprüng­li­chen Dar­le­hens­ver­tra­ges geändert und das ur­sprüng­li­che Ka­pi­tal­nut­zungs­recht zu veränder­ten Kre­dit­be­din­gun­gen fort­ge­setzt. Ein neuer Ver­brau­cher­dar­le­hens­ver­trag, der zu­gleich ein neues Wi­der­rufs­recht begründet hätte, wurde da­mit nicht ge­schlos­sen. Rechts­feh­ler­haft ist das KG zu­dem da­von aus­ge­gan­gen, der ur­sprüng­li­che Dar­le­hens­ver­trag sei in­folge des Wi­der­rufs der Pro­lon­ga­ti­ons­ver­ein­ba­rung be­en­det und mit der wei­te­ren Folge rück­ab­zu­wi­ckeln, dass die Be­klag­ten nicht mehr an ihre auf Ab­schluss der Fonds­be­tei­li­gung ge­rich­tete Ver­trags­erklärung ge­bun­den wären (§ 358 Abs. 4 S. 3 BGB aF). Dies ist selbst bei An­nahme ei­nes Wi­der­rufs­rechts nach § 495 Abs. 1 BGB aF recht­lich nicht halt­bar.

Link­hin­weis:
  • Der Voll­text der Ent­schei­dung ist auf den Web­sei­ten des BGH veröff­ent­licht.
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