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BGH zur Rechtskraft eines gegen den Alleingesellschafter ergangenen klageabweisenden Nichtigkeitsurteils

Urteil des BGH vom 29.11.2011 - X ZR 23/11

Eine Ka­pi­tal­ge­sell­schaft muss sich nicht die Rechts­kraft ei­nes ge­gen ih­ren Al­lein­ge­sell­schaf­ter er­gan­ge­nen kla­ge­ab­wei­sen­den Nich­tig­keits­ur­teils ent­ge­gen­hal­ten las­sen. Die für den Ein­wand der Nicht­an­griffs­ab­rede aus Treu und Glau­ben auf­ge­stell­ten Grundsätze las­sen sich nicht auf den Rechts­kraft­ein­wand an­wen­den.

Der Sach­ver­halt:
Die Be­klag­ten sind In­ha­ber ei­nes 1995 an­ge­mel­de­ten deut­schen Pa­tents, das eine hy­dro­dy­na­mi­sche Düse für die Rei­ni­gung von Roh­ren und Kanälen be­trifft. Der Ge­schäftsführer der Kläge­rin, der zum Zeit­punkt der münd­li­chen Ver­hand­lung vor dem Patent­ge­richt auch de­ren Al­lein­ge­sell­schaf­ter war, hatte 2007 un­ter dem Na­men ei­ner an­de­ren Firma, de­ren In­ha­ber er ist, Nich­tig­keits­klage ge­gen das Streit­pa­tent er­ho­ben, die das Patent­ge­richt durch rechtskräfti­ges Ur­teil im April 2008 ab­ge­wie­sen hatte.

Mit der vor­lie­gen­den Klage machte die Kläge­rin gel­tend, das Pa­tent sei in vol­lem Um­fang we­gen feh­len­der Pa­tentfähig­keit für nich­tig zu erklären. Das Patent­ge­richt hat die Klage wei­test­ge­hend als un­zulässig ab­ge­wie­sen. Im Ver­lauf des Be­ru­fungs­ver­fah­rens vor dem BGH hat der bis­he­rige Al­lein­ge­sell­schaf­ter der Kläge­rin einen Teil sei­ner An­teile einem wei­te­ren Ge­sell­schaf­ter über­tra­gen. Auf die Be­ru­fung hob der BGH das erst­in­stanz­li­che Ur­teil auf und wies die Sa­che zur er­neu­ten Ver­hand­lung und Ent­schei­dung an das Patent­ge­richt zurück.

Die Gründe:
Zu Un­recht hatte das Patent­ge­richt an­ge­nom­men, der Zulässig­keit der Klage stehe die Rechts­kraft des Ur­teils aus April 2008 ent­ge­gen.

Eine Ka­pi­tal­ge­sell­schaft muss sich nicht die Rechts­kraft ei­nes ge­gen ih­ren Al­lein­ge­sell­schaf­ter er­gan­ge­nen kla­ge­ab­wei­sen­den Nich­tig­keits­ur­teils ent­ge­gen­hal­ten las­sen. Die Kläge­rin war we­der Par­tei des Vor­pro­zes­ses, noch ist sie die Rechts­nach­fol­ge­rin ih­res vor­ma­li­gen Al­lein­ge­sell­schaf­ters, des Klägers des Vor­pro­zes­ses. Für das Pa­tent­nich­tig­keits­ver­fah­ren gilt in­so­fern nichts Ab­wei­chen­des.

Eine über § 325 Abs. 1 ZPO hin­aus­ge­hende Rechts­kraft­wir­kung (Rechts­kraf­ter­stre­ckung) kommt nur auf­grund ge­setz­li­cher Re­ge­lung in Be­tracht. Darüber hin­aus kann sich aus Vor­schrif­ten des ma­te­ri­el­len Rechts er­ge­ben, dass ein am Ver­fah­ren nicht be­tei­lig­ter Drit­ter die rechtskräftige Ent­schei­dung ge­gen sich gel­ten las­sen muss. Ma­te­ri­ell­recht­li­che Vor­schrif­ten, aus de­nen ab­ge­lei­tet wer­den könnte, eine GmbH müsse die Ab­wei­sung ei­ner (Pa­tent­nich­tig­keits-)Klage ih­res Al­lein­ge­sell­schaf­ter ge­gen sich gel­ten las­sen, gibt es in­des­sen nicht.

Das Patent­ge­richt hatte nicht hin­rei­chend be­ach­tet, dass sich die für den Ein­wand der Nicht­an­griffs­ab­rede aus Treu und Glau­ben auf­ge­stell­ten Grundsätze nicht auf den Rechts­kraft­ein­wand an­wen­den las­sen. Denn im Rah­men der Be­wer­tung ei­nes ver­trag­li­chen Ver­pflich­tun­gen wi­der­spre­chen­den pro­zes­sua­len Ver­hal­tens nach § 242 BGB sind die Rechts­po­si­tio­nen und In­ter­es­sen­la­gen der Be­tei­lig­ten um­fas­send zu berück­sich­ti­gen und ge­gen­ein­an­der ab­zuwägen. Dies lässt Raum für Lösun­gen, bei de­nen ge­ge­be­nen­falls die recht­li­che Un­ter­schei­dung zwi­schen der ju­ris­ti­schem Per­son und ih­rem Al­lein­ge­sell­schaf­ter in ih­rer Be­deu­tung so zurück­tritt, dass sich die Ge­sell­schaft wie ihr Ge­sell­schaf­ter (und um­ge­kehrt) be­han­deln las­sen muss. Auf das In­sti­tut der Rechts­kraft (und der Rechts­kraf­ter­stre­ckung) las­sen sich sol­che Wer­tun­gen al­ler­dings nicht über­tra­gen.

Link­hin­weis:
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