Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist eine inländische Kapitalgesellschaft und seit dem Jahr 2000 nach einer Verschmelzung Rechtsnachfolgerin der Y-GmbH, einer inländischen (konzernangehörigen) Gesellschaft. Diese war im Streitjahr 1998 zu 99,9999 % unmittelbar und zu 0,0001 % mittelbar an der B. mit Sitz in Belgien beteiligt. Diese war ein steuerlich privilegiertes sog. Koordinierungszentrum i.S.d. belgischen königlichen Verordnung Nr. 187 vom 30. Dezember 1982.
Im März 2000 hatte das Finanzamt gegenüber der Klägerin einen Bescheid über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 18 AStG für das Wirtschaftsjahr 1997/Feststellungsjahr 1998 erlassen, in dem es (erklärungsgemäß) auf die Y-GmbH entfallende Einkünfte der B. aus passivem Erwerb sowie entrichtete Steuern vom Einkommen und Vermögen (§ 10 Abs. 1 AStG) feststellte. Diese Besteuerungsgrundlagen wurden der Körperschaftsteuerfestsetzung der Y-GmbH für 1998 unter Vorbehalt der Nachprüfung zugrunde gelegt.
Nach einer Außenprüfung wurde im Oktober 2003 der Feststellungsbescheid nach § 18 AStG zum Feststellungsjahr 1998 geändert und die auf die Y-GmbH entfallenden Einkünfte der B. aus passivem Erwerb sowie entrichtete Steuern vom Einkommen und Vermögen ausgewiesen. Zudem erließ das Finanzamt einen geänderten Körperschaftsteuerbescheid für 1998 unter Ansatz eines Hinzurechnungsbetrags nach § 10 Abs. 2 AStG sowie nach § 12 AStG anzurechnender ausländischer Steuern in eben dieser Höhe. Den jeweiligen Vorbehalt der Nachprüfung hob es auf. Die Klägerin legte (nur) gegen den geänderten Körperschaftsteuerbescheid Einspruch ein. Der geänderte Feststellungsbescheid wurde bestandskräftig.
Die Klägerin war der Ansicht, die Einbeziehung der Gewinne einer in einem Mitgliedstaat ansässigen Gesellschaft in die Steuerbemessungsgrundlage einer in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen beherrschenden Gesellschaft verletze nach dem EuGH-Urteil Cadbury Schweppes vom 12.9.2006, C-196/04 ihre Niederlassungsfreiheit. Die Klage blieb in allen Instanzen erfolglos.
Gründe:
Das Finanzamt hatte im vorliegenden Fall als das für die Rechtsvorgängerin der Klägerin örtlich zuständige Finanzamt für die inländische Klägerin einen Feststellungsbescheid nach § 18 Abs. 1 Satz 1 AStG zu erlassen. Die Feststellungen betrafen sowohl den Gegenstand, den Zeitpunkt und die Empfängerperson der Hinzurechnung als auch die Hinzurechnung als Rechtsfolge.
Feststellungsgegenstand sind die "nach § 7 Abs. 1 AStG steuerpflichtigen Einkünfte". Der Feststellungsbescheid ist nach § 182 Abs. 1 AO für den Festsetzungsbescheid (Folgebescheid) bindend. Dies schließt es aus, einen Sachverhalt, über den im Feststellungsverfahren entschieden worden ist, im Folgeverfahren einer hiervon abweichenden Beurteilung zu unterwerfen. Im Streitfall galt dies auch für die der Hinzurechnungsbesteuerung unterworfenen Einkünfte. Die Beteiligten und das FG waren übereinstimmend davon ausgegangen, dass diese Feststellung den unionsrechtlichen Maßgaben eines Grundfreiheitsschutzes nicht entspricht. Dies sieht der Senat genauso.
Bestandteil der gesonderten Feststellung ist dabei auch die Prüfung der wirklichen wirtschaftlichen Tätigkeit (Substanzanforderungen), denn dafür spricht auch die "Sachnähe" bei der Beurteilung der "tatsächlichen wirtschaftlichen Tätigkeit" der Gesellschaft. Hieraus folgt jedoch zum einen, dass die Vereinbarkeit der Hinzurechnungsbesteuerung mit dem Unionsrecht eine entscheidungserhebliche Vorfrage für die Feststellung der "nach § 7 Abs. 1 AStG steuerpflichtigen Einkünfte" bildet und - obgleich nicht Teil des Verfügungssatzes des Feststellungsbescheids - Bindungswirkung nach § 182 Abs. 1 Satz 1 AO entfaltet.
Folge hiervon ist ferner, dass es sich bei den Substanzanforderungen nicht um ein "personenbezogenes Element" handelt, das außerhalb des Feststellungsverfahrens stünde. Deren Prüfung ist deshalb auch nicht mit der Antwort auf die Frage gleichzusetzen, ob sich die (Rechtsvorgängerin der) Steuerpflichtigen als jedenfalls im Inland unbeschränkt steuerpflichtige Körperschaft (§ 18 Abs. 1 Satz 1 AStG) auf einen Grundfreiheitsschutz berufen kann.
Im Streitfall bestand auch kein Anspruch der Klägerin auf Erlass eines Ergänzungsbescheids i.S.d. § 179 Abs. 3 AO. Denn nach dieser Vorschrift ist, soweit in einem Feststellungsbescheid eine notwendige Feststellung unterblieben ist, die Feststellung in einem Ergänzungsbescheid nachzuholen. Ein solcher Bescheid ergeht unabhängig von der Bestandskraft des zu ergänzenden Feststellungsbescheids und löst (ebenfalls) die Bindungswirkung des § 182 Abs. 1 AO aus. Dabei lässt der Ergänzungsbescheid den ergänzten Feststellungsbescheid unberührt, da durch ihn bereits getroffene Feststellungen weder geändert noch aufgehoben werden können.
Voraussetzung für den Erlass eines Ergänzungsbescheids ist jedoch, dass der wirksame Feststellungsbescheid insoweit lückenhaft ist, als eine "notwendige Feststellung unterblieben" ist. Daran fehlt es insbesondere, wenn eine Feststellung ausdrücklich unterblieben ist oder wenn die Feststellung ausdrücklich als "abschließend" gewollt war. So war die Situation im Streitfall, denn im Zeitpunkt des Erlasses des Feststellungsbescheids bestand für die Behörde kein Anlass, eine Feststellung in dem begehrten Sinne zu treffen. Vielmehr entsprach der Feststellungsgegenstand der durch § 18 i.V.m. §§ 7 ff. AStG bestimmten nationalen Rechtslage, die keinen sog. Motivtest vorsah. Die Feststellung ist auch nicht nachträglich lückenhaft und damit ergänzungsbedürftig geworden.
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