Dazu steht uns Sten Günsel Rede und Antwort, der sich schwerpunktmäßig mit Entsendungen und Auslandsaufenthalten von Mitarbeitern deutscher Unternehmen sowie Mitarbeitereinsätzen ausländischer Unternehmen im Inland befasst.
Herr Günsel, Sie betreuen zahlreiche deutsche Unternehmen, deren Mitarbeiter im Ausland tätig sind, sei es für eine mehrjährige Entsendung oder auch nur für Kurzeinsätze. Wie sieht das bislang bei Mitarbeitereinsätzen im Vereinigten Königreich aus? Welche aufenthalts- und arbeitsrechtlichen Vorgaben sind da zu beachten?
In UK als Mitglied der Europäischen Union gilt die Arbeitnehmerfreizügigkeit. EU-Bürger können sich damit ungehindert im Vereinigten Königreich bewegen und dort auch beruflich tätig sein. Einzig aus Gründen des Nachweises, dass ein Arbeitnehmer in seinem Heimatstaat in einem Sozialversicherungssystem versichert ist, ist eine sog. A1-Bescheinigung mitzuführen. Diese ist vor Antritt des Auslandseinsatzes elektronisch zu beantragen. Zudem sind aus arbeitsrechtlichen Gründen die Einsatzbedingungen zu dokumentieren, es sei denn, es handelt sich lediglich um eine Dienstreise.
Und damit ist dann seit 1.2.2020 Schluss? Ist dann eine Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis für Großbritannien und Nordirland erforderlich?
Für Unionsbürger und britische Staatsangehörige, die sich zum Ende der Übergangsfrist des Austrittsabkommens, also zum 31.12.2020, im Einklang mit den EU-rechtlichen Vorgaben im jeweils anderen Gebiet aufhalten, wird das Aufenthaltsrecht grundsätzlich aufrechterhalten. Erforderlich ist damit für die Ein- und Ausreise wie bislang lediglich, dass ein gültiger Personalausweis oder Reisepass mitgeführt wird. Das Recht auf Daueraufenthalt - was aber bei Entsendungen regelmäßig nicht relevant ist - wird hingegen nur dann gewährt, wenn bereits ein rechtmäßiger Aufenthalt von fünf Jahren vorliegt. Entsprechend bleibt für Unionsbürger und britische Staatsangehörige, die sich zum 31.12.2020 rechtmäßig im jeweils anderen Gebiet aufhalten, die Möglichkeit bestehen, zu arbeiten. Sofern die Übergangsfrist des Austrittsabkommens nicht verlängert wird - was bis zu zwei Jahren möglich wäre -, gilt dies für Einreisen ab 1.1.2021 nicht mehr. Es bleibt abzuwarten, ob und welche Restriktionen es geben wird. Diese werden nicht kurzfristig, sondern eher mittelfristig zu erwarten sein.
Also ändert sich für Entsendungen, z. B. aus Deutschland auf die Insel, zunächst nichts?
Da letztlich doch noch ein Austrittsabkommen zustande gekommen ist, in 2020 noch nicht. Denn sozialversicherungsrechtlich sind die bestehenden EU-rechtlichen Harmonisierungsregeln auf Unionsbürger und britische Staatsangehörige weiterhin anzuwenden, die zum Zeitpunkt des Endes der im Austrittsabkommen vorgesehenen Übergangsfrist, also zum 31.12.2020, den sozialversicherungsrechtlichen Rechtsvorschriften des anderen Staates unterliegen. Bei Entsendungen ab 2021 wird man dann aber voraussichtlich auf ein altes Sozialversicherungsabkommen zurückgreifen müssen, sofern hier keine neue Regelung getroffen wird. Formell ist ab 1.1.2021 nicht mehr eine A1-Bescheinigung, sondern ein D-UK-101 Zertifikat zum Nachweis des Sozialversicherungsschutzes zu beantragen. Zudem müssen die Unternehmen prüfen, ob sie bei regelmäßiger oder längerfristiger Aktivität eine rechtliche Einheit benötigen, z. B. eine Tochtergesellschaft, Zweigniederlassung oder Repräsentanz.