29.12.2020
Das Abkommen steht - wer stimmt wann wie zu?
Die Botschafter der 27 Mitgliedstaaten stimmten dem Abkommensvorschlag vorläufig zu, wie die Tageschau meldete. Dieser soll nun von allen 27 EU-Regierungen bis 29.12.2020 um 15 Uhr schriftlich genehmigt werden. Bereits am 27.12.2020 ist das Bundeskabinett virtuell zusammengetreten und stimmte dem Brexit-Abkommen zu. Das britische Parlament soll am 30.12.2020 zustimmen.
„Das Europäischen Parlament befindet sich in einer sehr unguten Situation,“ bewertet Gunther Krichbaum, Vorsitzender des Ausschusses für die Angelegenheiten der EU. „Da das Abkommen bereits ab 1.1.2021 vorläufig angewandt wird, kann es Änderungen kaum mehr einfordern, ohne das Abkommen insgesamt in Frage zu stellen. Es wird also noch zu lebhaften Diskussionen kommen, zumal das Abkommen manche Fragen offenlässt.“
28.12.2020
EU/UK-Abkommen im Entwurf - erster Überblick betreffend Warenverkehr
Der Entwurf des Abkommens zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich (UK) wurde am 24.12.2020 veröffentlicht. Doch welche Regelungen beinhaltet dieser für den künftigen Warenverkehr?
Das Abkommen ist in dieser Version über 1200 Seiten lang und regelt die unterschiedlichsten Bereiche des künftigen Verhältnisses zwischen der EU und UK.
In Bezug auf den Warenhandel erscheinen vor allem folgende ausgewählte Regelungen des Entwurfs von besonders hoher Relevanz:
- Im Rahmen der Tarifierung von Waren soll das „Harmonisierte System“ angewendet werden, d.h. die ersten 6 Stellen einer Zolltarifnummer werden von beiden Parteien als identisch anerkannt.
- Es sollen keine Zölle für Waren mit Ursprung in der jeweils anderen Abkommens-Partei erhoben werden.
- Unabhängig vom Ursprung sollen keine Abgaben auf Waren des zollrechtlich freien Verkehrs erhoben werden, die nach vorübergehender Ausfuhr zur Reparatur re-importiert werden.
- Hinsichtlich des Zollwertes einigt man sich auf die Einhaltung der GATT Prinzipien (General Agreement on Tariffs and Trade). Die bekannten Zollwertprinzipien sollen demnach auch zwischen der EU und UK anzuwenden sein.
- Der Status des Authorised Economic Operator (AEO) wird nach dem Entwurf gegenseitig anerkannt.
Hinsichtlich des Warenursprungs wurde im Entwurf u. a. Folgendes festgelegt:
- Die Ursprungsregeln sollen grundsätzlich dem folgen, was wir von anderen Freihandelsabkommen kennen. Ware, die von der Begünstigung profitieren soll, muss entweder vollständig in einer der Abkommens-Parteien hergestellt oder dort ausreichend be- oder verarbeitet worden sein.
- Die Verarbeitungsregeln sind in einem gesonderten Anhang des Entwurfs je nach Ware unterschiedlich definiert. In den Verarbeitungsregeln finden sich Verarbeitungskriterien, Positionswechsel (change of tariff heading, CTH), Wertkriterien (Wert des Vormaterials ohne Ursprung im Verhältnis zum Ab-Werk-Preis, MaxNOM (EWX)) und Kombinationen aus den vorgenannten Kriterien.
- Es sollen - wie in anderen Abkommen - Minimalbehandlungen festgelegt werden, die keinen Ursprung begründen.
- Hinsichtlich der Einführung eines Draw Back Verbotes soll zunächst eine Monitoring-Phase eingeführt werden, um dann über weitere Maßnahmen entscheiden zu können.
- Das Prinzip der Lieferantenerklärung (LE) und Langzeitlieferantenerklärung (LLE) soll dem Grunde nach deckungsgleich zu anderen Abkommen übernommen werden.
Alle Beteiligten müssen sich jetzt zeitnah mit den Details der Regelungen auseinandersetzen und Prozesse sowie IT-Systeme entsprechend anpassen.
Es ist dringend anzuraten, die präferenzielle Zollfreiheit erst dann zu nutzen, wenn Stammdaten, Kalkulationen und Nachweise entsprechend angepasst sind.
28.12.2020
Deal als Weihnachtsgeschenk - was steckt drin für den Warenverkehr?
Pünktlich zu Heilig Abend gab es den viel gepriesenen Durchbruch. Der Deal ist da, vorausgesetzt, alle erforderlichen Gremien stimmen zu.
Die Wirtschaft auf beiden Seiten des Kanals hatte händeringend darauf gewartet. Doch was bedeutet dies nun für den Warenfluss in beide Richtungen?
Großbritannien wird ab dem 1.1.2021 weiterhin nicht mehr Teil des Zollgebietes der EU und damit Drittland sein. Es sind dann - und daran ändert wohl, nach allem was bis dato bekannt ist, auch der Deal nichts - Zollanmeldungen beim Export aus der EU, dem Import in Großbritannien und umgekehrt zu erstellen. Nach wie vor wird sich die Wirtschaft auf geschätzt mindestens 250 Millionen zusätzliche Zollanmeldungen und damit Wartezeiten und Verzögerungen einstellen müssen.
Was der Deal beinhaltet, sind weitreichende Zollfreiheiten unter Einhaltung bestimmter Ursprungsbedingungen, wie dies die Unternehmen bereits aus dem Warenverkehr z. B. mit der Schweiz und Kanada kennen.
Um die Zollvorteile in Anspruch nehmen zu können muss nun die Wirtschaft möglichst schnell die technischen und papiermäßigen Voraussetzungen schaffen.
Auch Zollbehörden auf beiden Seiten haben jetzt eine Menge Hausaufgaben zu erledigen, insbesondere die IT-Systeme zu aktualisieren.
Der Deal ist geschafft, die Arbeit beginnt jetzt.
25.12.2020
Foto-Finish zu Weihnachten: Der Brexit-Deal steht!
Zwar nicht innerhalb der regelmäßig verlängerten Deadlines aber immerhin rechtzeitig für den weihnachtlichen Gabentisch konnten sich die EU und das Vereinigte Königreich doch auf ein sog. Brexit-Folgeabkommen einigen.
Künftig gelten für europäische Fischer, insbesondere Belgien, Dänemark und Frankreich, geringere Fangquoten. Eine fünfeinhalbjährige Übergangszeit soll die Anpassung an die Kürzungen vereinfachen; innerhalb dieses Zeitraums reduzieren sich die Fangmengen um 25 Prozent. Ab Juni 2026 will die EU jährlich mit dem Vereinigten Königreich über die Fangquoten verhandeln.
Der Schutz des europäischen Binnenmarkts war für die EU das wichtigste Anliegen bei den jahrelangen Verhandlungen: Großbritannien sollte sich an die in der EU geltenden Arbeits-, Sozial- und Umweltstandards halten und im Gegenzug einen ungehinderten Zugang zum Markt erhalten. Darüber hinaus sollte das Vereinigte Königreich gehindert werden, durch übermäßige Staatshilfen britische Unternehmen unlauter zu bevorteilen. Hier setzte sich die EU durch, indem sich die Vertragspartner in dem Abkommen zu gemeinsamen Subventionsregeln verpflichteten.
Europäische Unternehmen, die sich künftig trotzdem durch britische Subventionen benachteiligt fühlen, können vor britischen Gerichten klagen. Umgekehrt kann die EU Strafzölle verhängen, sofern sich die Briten nicht an die Regeln halten und europäische Firmen benachteiligt werden.
Das Vereinigte Königreich garantiert zudem, die existierenden Sozial- und Umweltstandards nicht abzusenken. Hebt allerdings einer der beiden Wirtschaftsräume seine Standards an, muss die andere Seite nicht folgen.
Strittig war schließlich, wie die getroffenen Vereinbarungen durchgesetzt werden sollen. Großbritannien lehnte eine Schlichtung zukünftiger Streitigkeiten durch den EU-Gerichtshof strikt ab. Die EU forderte demgegenüber eine Gerichtsbarkeit durch den EuGH. Diese hervorgehobene Stellung des EuGH wird es nach Verlautbarungen auf britischer Seite nicht geben. Nunmehr sollen vielmehr andere Schlichtungsmechanismen greifen.
Im Abkommen sind ausführliche Regelungen zum Güterhandel enthalten, während die Vorgaben für Dienstleistungen nur kurz vor - ein Manko für Großbritannien, dessen Wirtschaft zu mehr als 80 Prozent von Dienstleistungen abhängt. Insbesondere aufgrund des Finanzplatzes London ist Großbritannien auf reibungslose Abläufe in diesem Bereich angewiesen. Hier bleiben zahlreiche Streitfragen offen. Diese sollen in den kommenden Monaten geklärt werden.
Jetzt müssen die Parlamente beider Seiten das getroffene Abkommen noch bestätigen. Dafür unterbrechen die Abgeordneten des britischen Unterhauses am 30.12.2020 ihren Weihnachtsurlaub. Auf Seiten der EU müssen die Regierungen aller 27 Mitgliedstaaten das Verhandlungsergebnis billigen. Für eine reguläre Ratifizierung bis zum Jahresende reicht die Zeit nicht aus. Deshalb soll das Abkommen anschließend weiter geprüft und genehmigt werden. Zum 1.1.2021 soll es schon vorläufig in Kraft treten. Dann verlässt Großbritannien den EU-Binnenmarkt und die Zollunion nach der bis dahin geltenden Brexit-Übergangszeit.
21.12.2020
Frist des EU-Parlaments für Brexit-Deal verstrichen
Die EU und Großbritannien konnten sich auch Wochenende nicht auf einen Brexit-Handelspakt einigen. Zuletzt machte das Europaparlament Druck und forderte, dass spätestens am Sonntag bis Mitternacht ein Deal stehen müsse, um zur Ratifizierung eine Sondersitzung Ende Dezember anzusetzen. Diese Frist ist nunmehr auch verstrichen, wonach das Handelsabkommen ein verkürztes Verfahren hätte durchlaufen und noch hätte ratifiziert werden können. Weiterhin liegen die Knackpunkte bei der Fischerei und den sogenannten gleichen Wettbewerbsregeln.
Wenn es jetzt doch noch zu einer Einigung für ein Abkommen käme, sind drei Varianten denkbar, die jedoch allesamt rechtlich schwierig sind.
- Variante 1: Vorläufige Anwendung des Abkommens. In diesem Fall würde der Rat der EU-Staaten ohne Mitsprache des Parlaments entscheiden.
- Variante 2: Fristverlängerung für die Verhandlungen und die Ratifizierung. Dies wurde im bisherigen Verlauf der Verhandlungen nicht in Betracht gezogen und wird auch gegenwärtig von britischer Seite abgelehnt.
- Variante 3: Technische Auszeit um den Jahreswechsel.
Sofern keine dieser Varianten umgesetzt werden kann, käme es zu einem ungeregelten Austritt mit erheblichen Verwerfungen der Wirtschaft.
17.12.2020
Umsatzsteuerliche Konsequenzen des Brexit
Das BMF geht mit Schreiben vom 10.12.2020 (Az. III C 1 -S 7050/19/10001 :002) auf die anstehenden umsatzsteuerlichen Änderungen ein. So ist das Vereinigte Königreich ab 1.1.2021 als Drittland anzusehen. Davon ausgenommen ist Nordirland, das für die Umsatzbesteuerung des Warenverkehrs auch nach dem 31.12.2020 als zum Gemeinschaftsgebiet gehörig behandelt wird.
Mehr dazu lesen Sie hier.
16.12.2020
Leichte Annäherung bei den Brexit-Verhandlungen
Bei den ins Stocken geratenen Brexit-Verhandlungen ergeben sich leichte Anzeichen der Hoffnung. So sind die Verhandlungspartner nach einer Pressemeldung der FAZ bei zwei der drei Hauptstreitpunkte vorangekommen: beim Ringen um einen fairen Wettbewerb im künftigen Handel und bei der Durchsetzung des erhofften Abkommens. Der Streit über Fischereirechte bleibe jedoch sehr schwierig.
Der Verhandlungs-Marathon über ein Anschlussabkommen für die Zeit nach der am 31.12.2020 endenden Brexit-Übergangsphase geht also unverändert weiter. Doch noch immer fehlt der Durchbruch. Zudem muss ein solches Abkommen noch ratifiziert werden. Wie dies überhaupt noch möglich sein soll, ist offen.
11.12.2020
Wenig Hoffnung auf ein Austrittsabkommen
Ein Scheitern der Gespräche über ein Handelsabkommen zwischen Großbritannien und der EU wird immer wahrscheinlicher. Auch wenn ein Treffen von Boris Johnson und Ursula von der Leyen am Mittwochabend in Brüssel keinen Durchbruch brachte, sollen die Verhandlungen noch bis Sonntag weitergehen. Gunther Krichbaum hatte heute den irischen Außenminister zu Gast. „Auch er ist sehr skeptisch, ob es bis Sonntag gelingt, eine Einigung zu erzielen,“ berichtet der Vorsitzende des Ausschusses für die Angelegenheiten der EU. Sollten die Verhandlungen scheitern, wird die EU-Kommission gemäß einer Pressemitteilung vom 10.12.2020 gezielte Notfallmaßnahmen vorschlagen, die grundlegende Luft- und Straßenverkehrsverbindungen zwischen der EU und Großbritannien gewährleisten. Mit diesen Notfallmaßnahmen soll der Zeitraum überbrückt werden, in dem kein Abkommen in Kraft ist. Scheitern die Verhandlungen, laufen die Maßnahmen nach einer festgelegten Zeit wieder aus.
8.12.2020
Herzschlag-Finale in Sachen Brexit?
Treffen zwischen Johnson und von der Leyen für diese Woche angekündigt
Bei den Brexit-Verhandlungen geht es um das Eingemachte. Während es gestern im Laufe des Tages noch so aussah, als stünde alles auf des Messers Schneide, gibt es seit gestern Abend wieder einen Hoffnungsschimmer: Zwar wurde das Telefonat zwischen dem britischen Premierminister Boris Johnson und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen verhältnismäßig schnell beendet, doch ging die Meldung über den Ticker, dass Johnson noch diese Woche zu einem persönlichen Treffen nach Brüssel reisen wird. Gibt es also doch noch ein Herzschlag-Finale?
Vielleicht vermag man sich in den Bereichen Fischerei und Aufsichtsmechanismen nun einigen. Dreh und Angelpunkt der Verhandlungen dürfte aber weiterhin das Level-Playing-Field sein. „Es müssen gleich faire Wettbewerbsbedingungen für die EU und Großbritannien bestehen,“ erläutert Gunther Krichbaum, Vorsitzender des Ausschusses für die Angelegenheiten der EU, und führt weiter aus: „Wer Zugang zum EU-Binnenmarkt haben möchte, muss unsere Regeln akzeptieren. Es sind schon sehr große Zugeständnisse an Großbritannien gemacht worden, aber es darf nicht sein, dass die eigenen Unternehmen schlechter behandelt werden als die britischen.“
Unterdessen hat aber das britische Unterhaus die umstrittenen Passagen des geplanten Binnenmarktgesetzes (Internal Bill), die Boris Johnson als treibende Kraft dort erneut eingebracht hat, wiederhergestellt, wie Spiegel Online ganz aktuell unter Berufung auf den »Guardian« berichtet. Danach votierten die Abgeordneten im House of Commons gestern Abend gegen Änderungen, die das Oberhaus des Parlaments zuvor an dem Gesetzentwurf vorgenommen hatte.
Hinweis: Die britische Regierung brüskierte mit Zusätzen innerhalb des Binnenmarktgesetzes die EU, da hierdurch zwischen der EU und Großbritannien getroffene Vereinbarungen obsolet werden. Das House of Lords kippte die strittigen Passagen – nun führt das Unterhaus die Klauseln wieder ein.
Dies könnte nach der Einschätzung von Gunther Krichbaum eine schwere Belastung für den Fortgang der Verhandlungen bedeuten. „Durch die abkommenswidrigen Änderungen des Binnenmarktgesetzes ist das Vertrauen zerrüttet“, schätzt Krichbaum die Lage ein. „Achtet man das erste Abkommen nicht, weckt man nicht das Vertrauen, dass das zweite Abkommen eingehalten wird.“
3.12.2020
Brexit: Woche der Entscheidung oder erneute Vertagung?
Schon seit mehreren Wochen wird die Woche der Entscheidung proklamiert - und wieder um eine weitere Woche vertagt. Auf einer Konferenz der nationalen Ausschüsse für EU-Angelegenheiten, an der neben Gunther Krichbaum, Vorsitzender dieses Ausschusses in Deutschland, auch Ursula von der Leyen und Angela Merkel (zeitweise) teilnahmen, äußerte die Bundeskanzlerin, dass es kein Abkommen um jeden Preis gebe. Allerdings stufte sie die Interessen aller an einem Abkommen mit dem Vereinigten Königreich als hoch ein. Man befindet sich mit den Verhandlungen in einer entscheidenden Phase - und abermals wurde als Deadline das nächste Wochenende angekündigt, da der Deal spätestens vor dem EU-Gipfel am 10.12.2020 stehen muss.
Doch die Verhandlungsführung ist keinesfalls einfach. Neben den weiterhin umstrittenen Themen der Fischereirechte und des Level-Playing-Fields (faire Wettbewerbsbedingungen), müssen die Akteure auf die genaue inhaltliche Ausgestaltung des Abkommens achten. „Es kommt darauf an, dass das Abkommen als sog. EU-Only-Abkommen ausgestaltet ist,“ erläutert Gunther Krichbaum. „Denn nur in diesem Fall kann das Abkommen ausschließlich durch das EU-Parlament ratifiziert werden. Beinhaltet das Abkommen darüber hinaus Themen, die in den ausschließlichen Kompetenzbereich einzelner Mitgliedsstaaten fallen, wie beispielsweise das Sozialwesen, müssen neben dem EU-Parlament auch noch die Parlamente sämtlicher EU-Mitgliedstaaten ihren Segen erteilen. Das ist gänzlich unrealisitisch.“
Atmosphärisch ist die Stimmung angespannt. Von europäischer Seite bestehen Bedenken, wie ein Freihandelsabkommen umgesetzt werden soll, wenn noch nicht einmal das Austrittsabkommen von der britischen Regierung akzeptiert wird. „Zwar setzen die EU-Politiker hier auf die Unterstützung des britischen Oberhauses. Doch können die Delegierten die Verabschiedung der Internal Market Bill zwar herauszögern, aber eben nicht verhindern,“ erläutert Krichbaum.
Noch ist also nicht absehbar, wie der Poker um den Brexit ausgeht. Deshalb bereitet sich die EU mit den sog. Contigencies auf eventuelle Notfallmaßnahmen auf einen harten Brexit vor. Wie diese Notfallmaßnahmen aussehen, darüber wird Stillschweigen gewahrt. „Man möchte schließlich Plan B nicht vor Plan A veröffentlichen,“ so Krichbaum. „Fest steht, dass es kein Übergangsabkommen geben wird.“ Wann immer weißer Rauch am Verhandlungshimmel aufsteigen mag: der 31.12.2020 naht - unaufhaltsam.
21.11.2020
Weiterhin kein Fortschritt bei den Brexit-Verhandlungen - Sondersitzung des EU-Parlaments zwischen Weihnachten und Neujahr?
Auch in dieser Woche konnte kein Fortschritt bei den wesentlichen Streitpunkten im Rahmen der Brexit-Verhandlungen erzielt werden. Eine Ursache sind sicherlich die erschwerten Verhandlungen aufgrund der Quarantäne-Auflage gegen Boris Johnson. Nun kam ein weiterer Corona-Fall im Verhandlungsteam von Michel Barnier dazu. „Eine Diskussion per Video ist bei der Bedeutung der Verhandlungen nicht das geeignete Mittel“, erläutert Gunther Krichbaum, Vorsitzender des Ausschusses für die Angelegenheiten der EU, die Stagnation. „Der Rücktritt von Dominic Cunnings - einem der Hardliner in Sachen Brexit - hat bislang auch nicht dazu beigetragen, dass London zu einem Einlenken in den strittigen Punkten bereit wäre“, bedauert Krichbaum. Brüssel bereitet sich auf weitere Verhandlungen in der nächsten Woche vor. Für den Fall eines No-Deal zieht man nun dort verstärkt Notfallmaßnahmen, sog. contingencies, in Betracht. Diese würden seitens der EU einseitig eingeleitet, um größeren Schaden von Bürgern und Wirtschaft innerhalb der EU abzuwenden, der durch einen ungeordneten Brexit in bestimmten Sektoren entstehen und erhebliche Beeinträchtigungen für alle Beteiligten mit sich bringen würde. Die Maßnahmen wären befristet und hätten einen begrenzten Anwendungsbereich. „Sie dienen aber keinesfalls dazu, Vorteile einer EU-Mitgliedschaft oder die im Austrittsabkommen vorgesehenen Bedingungen für den Übergangszeitraum nachzubilden“, erläutert Krichbaum.
Der Zeitplan für eine Ratifizierung des Austrittsabkommens im Europäischen Parlament wird immer knapper. „Mittlerweile wird sogar eine Sondersitzung zwischen Weihnachten und Neujahr in Erwägung gezogen,“ weiß Gunther Krichbaum zu berichten.
16.11.2020
Johnson erneut in Corona-Quarantäne - Einigung wird wegen Zeitdruck immer unwahrscheinlicher
Wie Presseverlautbarungen zu entnehmen ist, musste sich der britische Premierminister Boris Johnson heute erneut in Corona-Quarantäne begeben. Dies macht die Austrittsverhandlungen mit der EU nicht einfacher und es wird extrem knapp, noch eine Einigung zu erzielen.
Denn Boris Johnson muss noch eine weitere Hürde nehmen: Neben einem Abschluss der Verhandlungen zwischen London und Brüssel, muss er noch den Exit aus dem Internal Market Bill, dem umstrittenen Binnenmarktgesetz, vollziehen, dem das britische Oberhaus vergangene Woche eine klare Absage erteilt hat. „Bevor dies nicht vollzogen ist, wird das Europäische Parlament das Folgeabkommen über eine künftige Wirtschaftspartnerschaft kaum ratifizieren können“, erläutert Gunther Krichbaum. „Denn wie sollte man auf die Einhaltung des Freihandelsabkommens vertrauen können, wenn schon das Austrittsabkommen nach kürzester Zeit völkerrechtswidrig gebrochen wird?“ hinterfragt Krichbaum. Das bereits eingeleitete Vertragsverletzungsverfahren gegen Großbritannien ändere hieran wenig.
16.11.2020
Hoffnung auf Einigung bis zum 15.11. geplatzt; weiterhin kein Abschluss in Sicht
Nach wie vor kommen sich die Verhandlungspartner im Brexit-Poker bei den umstrittenen Punkten des Austrittsabkommens nicht näher. Die Zeit drängt, da die Verhandlungsergebnisse in der EU zunächst noch im INTA-Ausschuss (Ausschuss für Internationalen Handel) und dem AFET-Ausschuss (Ausschuss für Auswärtige Angelegenheiten) und anschließend im Europäischen Parlament selbst beraten und ratifiziert werden müssen. Dennoch rechnet Gunther Krichbaum, Vorsitzender des Ausschusses für die Angelegenheiten der EU, damit, dass auch noch die nächste Woche für Verhandlungen ins Land ziehen wird.
10.11.2020
Binnenmarktgesetz wird vom Oberhaus abgelehnt
Das britische Oberhaus hat dem umstrittenen Binnenmarktgesetz von Boris Johnson eine Absage erteilt. Dieses Gesetz würde der britischen Regierung die Möglichkeit geben, die im Brexit-Vertrag festgeschriebene Regelung auszuhebeln, wonach im britischen Nordirland auch künftig EU-Zoll-Regeln gelten sollen. Boris Johnson beabsichtigte, mit diesem Gesetz ein Sicherheitsnetz zu spannen, sofern die Verhandlungen mit der EU zu keiner abschließenden Regelung über den Warenhandel zwischen Großbritannien, der Provinz Nordirland und über die offenen Grenzen zum EU-Mitglied Irland führen.
Die EU bewertet dieses Gesetz als Verletzung des Brexit-Vertrags und hat mit juristischen Schritten gedroht. Der Vorstoß, dem das Unterhaus am 29.9.2020 zugestimmt hatte, war auch in Johnsons eigener Partei umstritten.
Nun müssen Teile des Gesetzentwurfs umgeschrieben und dann erneut vom Unterhaus abgesegnet werden. Es droht ein Patt zwischen Unterhaus und Oberhaus, das über die Frist für die Verhandlungen zwischen der EU und Großbritannien hinaus anhalten könnte. (Laut Information der Tagesschau).
6.11.2020
US-Wahl sorgt für Dynamik bei den Brexit-Verhandlungen: Briten verhandeln jetzt ernsthafter
Vereinzelt vermelden die britischen Medien einen Durchbruch bei den Brexit-Verhandlungen in Bezug auf die Fangquoten. Dies kann von europäischer Seite nicht bestätigt werden, wie uns Gunther Krichbaum, Vorsitzender des Ausschusses für die Angelegenheiten der EU, berichtet.
Nach wie vor sind die Positionen der EU und der Briten in allen Punkten, auch in Bezug auf den umstrittenen Streitbeilegungsmechanismus, noch weit auseinander. Atmosphärisch haben sich die Verhandlungen allerdings verbessert, so seien jetzt beide Seiten bemüht, die neuralgischen Punkte abzuarbeiten. So verhandelt die britische Delegation gegenwärtig ernsthafter als in den Tagen und Wochen zuvor. Nach Einschätzung von Gunther Krichbaum liegt dies auch an dem noch offenen Ausgang der US-Wahl und einem möglichen Wahlsieg von Herausforderer Biden.
Nach wie vor verfolgt die EU das Ziel, bis Mitte November eine Einigung herbeizuführen. Deshalb soll über das Wochenende weiterverhandelt werden.
30.10.2020
Nur noch wenige Verhandlungstage stehen zur Verfügung
Weiterhin ist es völlig offen, ob eine Einigung über ein Handelsabkommen zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU zustande kommen wird. Die EU, im Besonderen auch Deutschland, ist dazu weiterhin gewillt, wie uns Gunther Krichbaum, Vorsitzender des Ausschusses für die Angelegenheiten der EU, berichtet. Doch drängt die Zeit. Angesichts nur noch dreier Plenarwochen im Europäischen Parlament muss bis Mitte November 2020 ein Ergebnis stehen, um dieses noch bis zum Jahresende umsetzen zu können.
Deutlichen Einfluss auf die Verhandlungsposition der britischen Seite dürfte dabei die anstehende Wahl in den USA haben. So geht Gunther Krichbaum davon aus, dass bei einem Wahlsieg des Herausforderers Joe Biden der Druck auf den britischen Premierminister, Boris Johnson, steigen dürfte, ein Handelsabkommen mit der EU zum Abschluss zu bringen. Denn anders als mit dem derzeitigen Amtsinhaber wäre dann nicht mehr mit einem schnell ausverhandelten Handelsabkommen zwischen dem Vereinigten Königreich und der USA zu rechnen, wodurch ggf. Handelseinbußen mit der EU kompensiert werden könnten.
Auch wenn in den Verhandlungen in vielerlei Hinsicht Fortschritte zu verzeichnen sind, z. B. in den Bereichen Energie, Dienstleistungen, Waren- und Datenaustausch, bleiben bereits bekannte Problemfelder bestehen. So wird laut Gunther Krichbaum weiterhin um eine zuverlässige Streitbeilegung gehadert, da der Europäische Gerichtshof nicht mehr zuständig wäre. Faire Wettbewerbsbedingungen durchzusetzen, u. a. in den Bereichen Umweltstandards -zumindest in deren derzeitigen Umfang- und staatliche Beihilfen, ist unverändert eines der großen Anliegen des europäischen Verhandlungsführers, Michel Barnier. Im Fokus, speziell einiger EU-Mitgliedstaaten wie Frankreich und Dänemark ist zudem eine Regelung der Fischereirechte. Auch hier gehen die Positionen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich noch weit auseinander.
Dennoch, es bleiben einige Tage für intensive Verhandlungen. Von Seiten der EU werden diese, so Gunther Krichbaum, definitiv genutzt, um doch noch zu einem Handelsabkommen zu gelangen, das zum 1.1.2021 zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich zur Anwendung kommt.
28.10.2020
Chaos im Vereinigten Königreich befürchtet
Während der erhoffte Durchbruch in den Verhandlungen zwischen der EU und Großbritannien weiterhin auf sich warten lässt, wird deutlich, dass viele britische Unternehmen nicht ausreichend auf den Brexit vorbereitet sind. Denn auch wenn es noch ein Freihandelsabkommen zwischen der EU und Großbritannien geben sollte, sind umfangreiche Vorbereitungsmaßnahmen notwendig, um den Handel nach dem endgültigen Vollzug des Brexit aufrecht zu halten. Allerdings haben sich bspw. erst 19.000 von 145.000 britischen Unternehmen für das elektronische Verfahren zur Abwicklung der Grenzformalitäten angemeldet, das von der britischen Regierung als vereinfachtes Übergangsregime angeboten wird. Wegen der neuen Zollformalitäten werden für Anfang 2021 daher lange Warteschlangen an den Grenzübergängen erwartet. (laut Informationen des Deutschlandfunk).
25.10.2020
Verhandlungen werden vorangetrieben
Die Verhandlungen über ein EU-Handelspaket mit Großbritannien werden nun von beiden Seiten unter Ausschluss der Öffentlichkeit vorangetrieben. Laut eines Sprechers der EU-Kommission sollen bis Mittwoch Gespräche in London geführt werden, danach startet die nächste Runde in Brüssel.
Nachdem die britische Regierung die Gespräche über ein Freihandelsabkommen zeitweise für beendet erklärt hatte, werden die Verhandlungen nun wieder aufgenommen. Umstritten sind weiterhin die Punkte Umwelt-, Sozial- und Beihilferegeln, Schlichtungsregeln für mögliche Vertragsverstöße und der Zugang von EU-Fischern zu britischen Gewässern. Die Zeit drängt, laut EU-Kommission bleiben noch zwei bis drei Wochen, um anschließend genügend Zeit zu haben um den Text zu ratifizieren. (laut Information vom ORF).
22.10.2020
Verhandlungen sollen weitergehen
Nachdem Premierminister Boris Johnson in der vergangenen Woche weiteren Verhandlungen noch ablehnend gegenübergestanden hatte, könnten sie heute nun doch fortgeführt werden. Johnson weist allerdings darauf hin, dass es weiterhin „erhebliche“ Differenzen in den „schwierigsten Bereichen“ gebe.
Die positiven Zeichen aus dem Vereinigten Königreich stehen anscheinend im Zusammenhang mit der gestrigen Rede des EU-Unterhändlers Michel Barnier, in der Barnier dem Vereinigten Königreich die Wiederaufnahme der Verhandlungen angeboten hatte. Der britischen Regierung war es besonders wichtig, dass Barnier in seiner Rede Respekt für die Souveränität des Vereinigten Königreichs gezeigt hatte (laut Informationen der Tagesschau).
21.10.2020
Prüft EU Notfallplan zur Abmilderung eines harten Brexit?
Binnen zwei bis drei Wochen sollte ein Freihandelsabkommen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich stehen, sonst kommt es zum harten Brexit. Oder nicht?
Berichten zufolge prüft die EU aktuell eine „Notfallvariante“: Sollte es bis Jahresende nicht gelingen, ein Handelsabkommen zu verabschieden, könnten die Verhandlungen nach einer kurzen ungeregelten Phase im Januar möglicherweise fortgeführt werden und ein Handelsvertrag mit Verspätung in Kraft treten.
Eine Rückkehr an den Verhandlungstisch nach einem harten Brexit ist allerdings für den britischen Premierminister Boris Johnson (momentan) keine Option, er schließt Verhandlungen nach dem Ende der Übergangszeit am 31.12.2020 aus. (laut Informationen vom Handelsblatt).
21.10.2020
Britisches Oberhaus stimmt gegen Binnenmarktgesetz
Premierminister Boris Johnson will mit dem sogenannten Binnenmarktgesetz Teile des mit der EU ausgehandelten und bereits gültigen Austrittsabkommens zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU aushebeln. Nachdem sich das Unterhaus vor über einem Monat trotz starker Kritik der Opposition und der EU für den Gesetzentwurf ausgesprochen hatte, stellten sich die Abgeordneten im Oberhaus nun dagegen: Sie votierten am 20.10.2020 mit 395 zu 169 Stimmen gegen den Gesetzentwurf, in dem mit der EU vereinbarte Sonderregeln für Nordirland zur Vermeidung einer harten Grenzen zum EU-Staat Irland negiert werden sollten. (laut Informationen der Zeit).
16.10.2020
Johnson bleibt hart im Brexit-Streit
Boris Johnson zeigt keine Kompromissbereitschaft im Brexit-Streit. Er kündigte an, dass sich Großbritannien für einen No-Deal bereitmacht.
Der britische Premierminister bereitet die Briten auf einen harten Bruch mit der EU zum 1.1.2021 vor, da die EU kein Interesse an einem von Großbritannien gewünschten Freihandelsabkommen wie etwa mit Kanada habe. Dementsprechend erwarte er nun eine Beziehung wie mit Australien, also ohne Vertrag.
Gleichwohl ließ sich Johnson im Brexit-Streit eine Hintertür für weitere Verhandlungen über einen Handelspakt mit der EU offen.
Hauptstreitpunkte in den seit Monaten laufenden Brexit-Verhandlungen waren der Zugang von EU-Fischern zu britischen Gewässern sowie die Forderung der Staatengemeinschaft nach gleichen Wettbewerbsbedingungen für die Wirtschaft, also gleiche Umwelt-, Sozial- und Subventionsstandards. Im Gegenzug soll Großbritannien Waren ohne Zoll und Mengenbeschränkung in den EU-Binnenmarkt liefern können. Dritter Punkt für die EU sind Regeln zur Schlichtung bei Abkommensverstößen. Das rückte zuletzt in den Vordergrund, weil das sog. britische Binnenmarktgesetz Teile des bereits gültigen EU-Austrittsvertrags - und zwar die Sonderregeln für den britischen Landesteil Nordirland - aushebeln soll. (laut Informationen der Tagesschau).
15.10.2020
Johnsons „Ultimatum“ abgelaufen -Verhandlungen gehen weiter
Boris Johnson wollte bis 15.10.2020 eine Einigung mit der EU erreicht haben - oder das Vereinigte Königreich endgültig ohne einen Deal aus der EU führen. Davon ist inzwischen aber kaum mehr etwas zu hören.
Stattdessen macht die rasante Ausbreitung des Coronavirus dem Vereinigten Königreich und seinem Premierminister zunehmend zu schaffen und ein zeitlich begrenzter nationaler Lockdown erscheint immer wahrscheinlicher. Erste Stimmen bezweifeln daher, ob Boris Johnson es tatsächlich riskieren will, der britischen Wirtschaft in dieser schwierigen Lage auch noch einen No-Deal-Brexit zuzumuten. Möglicherweise könnte dem Vereinigten Königreich daher inzwischen mehr als bisher an einer Einigung gelegen sein, um zumindest die wirtschaftlichen Folgen des Brexit einzudämmen (laut Informationen der Tagesschau).
15.10.2020
EU berät über Verhältnis zum Vereinigten Königreich
Beim Treffen der EU-Staats- und Regierungschefs am Donnerstag, 15.10.2020, wird klar, dass die Verhandlungen intensiviert werden sollen, um noch rechtzeitig vor Jahresende ein ab 1.1.2021 anwendbares Handelsabkommen zu vereinbaren.
Der Debatte über den Stand der Verhandlungen beim EU-Gipfel gingen erste einlenkende Schritte der britischen Unterhändler voraus, die im Hinblick auf den künftigen Umgang mit Subventionen Flexibilität angedeutet hatten. So soll nach dem Willen der britischen Unterhändler möglicherweise das EU-Freihandelsabkommen mit Japan als Vorbild für die Übereinkunft mit der EU in Bezug auf die künftigen Wettbewerbsbedingungen dienen. Das räumt aber noch nicht die Sorge der EU aus, das Vereinigte Königreich könnte EU-Umwelt-, Sozial- und Arbeitsrechtsstandards unterbieten und mit Subventionen den Wettbewerb verfälschen. In anderen umstrittenen Bereichen, wie der Vereinbarung eines Streitschlichtungsmechanismus und der Fischerei, gibt es aber weiterhin keine Bewegung.
Geplant sind aktuell zwei weitere Verhandlungsrunden in den letzten beiden Oktoberwochen. Sollte der Abkommenstext danach nicht stehen, ist eine Verabschiedung und Ratifizierung bis zum Jahresende kaum noch realistisch (laut Informationen der FAZ).