Rede und Antwort steht dazu Christof Zondler, Experte in Steuerfragen rund um die Besteuerung grenzüberschreitender Sachverhalte, sowohl in Inbound- als auch Outbound-Konstellationen.
Herr Zondler, was sind bislang die EU-rechtlichen Erleichterungen bei der Quellensteuererhebung im Bezug auf das Vereinigte Königreich?
Im Wesentlichen geht es um zwei Bereiche: zum einen Dividendenzahlungen aus einem EU-Mitgliedstaat, so auch aus Deutschland, an die Mutterkapitalgesellschaft in UK bzw. in umgekehrten Fällen einer UK-Tochterkapitalgesellschaft an ihre Anteilseigner in einen anderen EU-Mitgliedstaat. Hier sieht die sog. Mutter-Tochter-Richtlinie vor, dass keine Quellensteuer im Quellenstaat einzubehalten ist, wenn die Beteiligung der Muttergesellschaft an der Tochtergesellschaft mindestens 10 % beträgt. Der Mutterkapitalgesellschaft in UK, die an einer deutschen Tochterkapitalgesellschaft beteiligt ist, fließen damit die Dividenden in voller Höhe zu, sofern der UK Anteilseigner einen sog. Freistellungsantrag gestellt hat. Das bedeutet einen klaren Liquiditätsvorteil, auch wenn die Besteuerung nach den Vorgaben des Empfängerstaats noch erfolgt.
Zum anderen werden nach den Vorgaben der sog. Zins- und Lizenzrichtlinie Zinszahlungen und Lizenzgebühren, sofern diese grenzüberschreitend innerhalb der EU - somit bislang auch nach oder von UK - zwischen verbundenen Unternehmen fließen, von der Quellenbesteuerung befreit. Auch hier ergibt sich - sofern ggf. erforderliche Anträge gestellt wurden - ein Liquiditätsvorteil, auch wenn im Anschluss die Zinsen und Lizenzgebühren im Empfängerstaat noch zu versteuern sind.
Mit dem Brexit ist damit Schluss?
Grundsätzlich ja, wobei es ja doch noch geglückt ist, sich auf ein Austrittsabkommen zu einigen. Darin ist eine Übergangsfrist bis 31.12.2020 vorgesehen, bis zu deren Ende Unionsrecht in UK weiterhin zur Anwendung kommt. Im Ergebnis bleiben also die Vorgaben der Mutter-Tochter-Richtlinie und der Zins- und Lizenzrichtlinie in 2020 noch weiter anwendbar. Im Austrittsabkommen ist zudem noch die Möglichkeit eingeräumt, den Übergangszeitraum um maximal zwei weitere Jahre zu verlängern. Ob es dazu kommt, bleibt abzuwarten.
Gehen wir davon aus, dass der Übergangszeitraum nicht verlängert wird, was gilt dann ab kommendem Jahr?
Dividenden unterliegen dann der Quellensteuer im Quellenstaat, wobei das zwischen Deutschland und dem Vereinigten Königreich abgeschlossene Doppelbesteuerungsabkommen einen reduzierten Quellensteuersatz von 5 % vorsieht, sofern der Empfänger eine zu mindestens 10 % beteiligte Kapitalgesellschaft ist. Dem Empfänger fließen damit nur 95 % der Dividende zu. Erfolgt die Ausschüttung einer deutschen Kapitalgesellschaft an Ihre Mutterkapitalgesellschaft in UK, ist auch hier daran zu denken, im Vorfeld einen entsprechenden Antrag auf Steuerermäßigung zu stellen. Andernfalls greift der übliche Quellensteuersatz, in Deutschland 25 % zzgl. Solidaritätszuschlag. Erfolgt eine Ausschüttung einer UK Tochterkapitalgesellschaft an ihre deutsche Mutterkapitalgesellschaft, kann die ausländische Quellensteuer in Deutschland nicht angerechnet werden. Dies liegt darin begründet, dass die Dividenden grundsätzlich steuerfrei sind, wenn auch 5 % der Dividenden als nicht abziehbare Betriebsausgaben der Besteuerung bei der deutschen Kapitalgesellschaft unterliegen. Inwieweit im umgekehrten Fall eine Anrechnung der deutschen Quellensteuer in UK möglich ist, sollten Unternehmen dann mit einem UK Steuerberater abstimmen. Gelingt die Anrechnung nicht, entsteht eine Definitivbelastung.
Bei Zinszahlungen und Lizenzgebühren sieht zwar das Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Deutschland und UK vor, dass ausschließlich dem Empfängerstaat das Besteuerungsrecht zusteht. Bei Zinszahlungen eines deutschen Schuldners fällt bereits nach dem deutschen Steuerrecht nur in Ausnahmefällen eine Quellensteuer in Deutschland an. Im Falle von Lizenzzahlungen an einen britischen Gläubiger sind dagegen in Deutschland grundsätzlich 15 % Quellensteuer einzubehalten. Dies kann allenfalls durch Antrag auf Freistellung vermieden werden. Oder der Empfänger ist auf das Steuererstattungsverfahren in Deutschland verwiesen.
Was raten Sie betroffenen Unternehmen?
Unternehmensgruppen mit Gesellschaften in UK sollten die Ausschüttungspolitik überprüfen. Ggf. sollten Dividenden zumindest aus steuerlicher Sicht noch in 2020 ausgeschüttet werden, um die Erleichterungen der Mutter-Tochter-Richtlinie noch nutzen zu können. Bei Darlehen und Lizenzverträgen besteht da eher weniger Handlungsspielraum, da die Zahlungszeitpunkte nur beschränkt beeinflussbar sein werden.
Jedenfalls sollten die ausschüttenden Unternehmen ihre Prozesse dahingehend anpassen, dass bei Zahlungen ab 2021 Quellensteuern einbehalten werden. Empfänger sollten sich ggf. noch vor 2021 um entsprechende Freistellungsbescheinigungen bzw. Bescheinigungen bemühen, um zumindest eine Steuersatzreduktion zu erhalten.