Mit dem Gesetz, dessen Inkrafttreten größtenteils für den Tag nach der Verkündung bzw. für den 1.1.2020 vorgesehen ist, soll die Digitalisierung im Gesundheitswesen weiter vorangetrieben werden. Der Bundesrat befasst sich mit dem Gesetzesbeschluss des Bundestages am 29.11. oder 20.12.2019. Das Gesetz ist nicht zustimmungspflichtig.
Wesentliche Inhalte des DGV
Das DVG sieht insbesondere vor, dass Versicherte bei Krankheit zukünftig einen gesetzlich verankerten Leistungsanspruch auf digitale Gesundheitsanwendungen haben und Ärztinnen und Ärzte diese verordnen können. Der Einsatz der Telemedizin soll vereinfacht und auf Seiten der Ärzte durch eine extrabudgetäre Vergütung von Telekonsilen incentiviert werden. Darüber hinaus soll die Telematik-Infrastruktur weiter ausgebaut und die Möglichkeit der Nutzung von Gesundheitsdaten zu Forschungszwecken erweitert werden.
Gesundheitsapps auf Rezept
Digitale Gesundheitsanwendungen, wie z.B. digitale Tagebücher für Diabetiker und Apps für Menschen mit Bluthochdruck sollen zukünftig ärztlich verordnet werden können. Verordnungsfähig sind Anwendungen, die das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) in einem Verzeichnis erstattungsfähiger Gesundheitsanwendungen führt. Die Aufnahme in das Verzeichnis soll auf Antrag des Herstellers und Nachweis erfolgen, dass die Gesundheitsanwendung den Anforderungen an Sicherheit, Funktionstauglichkeit und Qualität des Medizinproduktes sowie Datenschutz und Datensicherheit nach dem Stand der Technik entspricht und positive Versorgungseffekte im Sinne eines medizinischen Nutzens oder einer patientenrelevanten Struktur- und Verfahrensverbesserung erzielt. Gelingt dem Hersteller der Nachweis positiver Versorgungseffekte nicht auf Anhieb, kann er beantragen, dass die digitale Gesundheitsanwendung für bis zu zwölf Monate in das Verzeichnis zur Erprobung aufgenommen wird. Die Vergütung für die digitalen Gesundheitsanwendungen vereinbaren die Hersteller mit dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen für alle Krankenkassen.
Stärkung der Anwendung von Telemedizin
Der Gesetzgeber beauftragt den Bewertungsausschuss, im Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) zu regeln, dass Konsile in einem weiten Umfang als telemedizinische Leistung abgerechnet werden können.
Anschluss an die Telematik-Infrastruktur
Ärztinnen und Ärzten, die sich dem Anschluss an die Telematik-Infrastruktur verweigern, drohen ab dem 1.3.2020 Honorarabzüge in Höhe von 2,5 Prozent, aktuell liegen diese bei einem Prozent. Krankenhäuser sollen verpflichtet werden, sich bis zum 1.1.2021 an die Telematik-Infrastruktur anzuschließen, Ihnen drohen Vergütungsabschläge in Höhe von einem Prozent, Apotheken bis zum 30.9.2020, für sie sind keine Sanktionen vorgesehen. Um zukünftig eine flächendeckende und umfassende Nutzung der elektronischen Patientenakte ermöglichen zu können, sollen auch Angehörige anderer Gesundheitsberufe, etwa Hebammen, Physiotherapeuten und Pflege- und Rehaeinrichtungen, an das Netz angeschlossen werden. Für sie ist der Anschluss freiwillig. Die Kosten für die freiwillige Anbindung werden erstattet.
Vereinfachung der Verwaltungsprozesse durch Digitalisierung
Um die elektronische Übermittlung des Arztbriefes für die Ärztinnen und Ärzte attraktiver zu gestalten, wird die Vergütung für die Übermittlung des Arztbriefes per Fax im EBM reduziert.
Innovationsfonds wird fortgeführt und weiterentwickelt
Die Förderung über den Innovationsfonds bis zum Jahr 2024 mit jährlich 200 Mio. Euro fortgeführt. Als digitale Innovationen gelten hierbei digitale Medizinprodukte, telemedizinische Verfahren oder IT-gestützte Verfahren in der Versorgung. Krankenkassen können Innovationen durch Hersteller von Medizinprodukten, Unternehmen aus dem Bereich der Innovationstechnologie, Forschungseinrichtungen und Leistungserbringer sowie Gemeinschaften von Leistungserbringern entwickeln lassen.
Datensammlung zu Forschungszwecken
Das DVG sieht zudem vor, dass die Krankenkassen dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen als Datensammelstelle für jeden Versicherten unter einem Lieferpseudonym Angaben zu Alter, Geschlecht und Wohnort, zum Versicherungsverhältnis, zu den Kosten- und Leistungsdaten, zum Vitalstatus und dem Sterbedatum sowie zu den abrechnenden Leistungserbringern übersenden. Die Daten sollen nach Prüfung auf Vollständigkeit und Plausibilität sowie Klärung von Auffälligkeiten ohne Lieferpseudonym mit einer Arbeitsnummer an ein Forschungsdatenzentrum sowie mit Lieferpseudonym und Arbeitsnummer an eine Vertrauensstelle weitergeleitet werden. Die Vertrauensstelle pseudonymisiert die Daten schließlich in einer Form, die keinen Rückschluss auf die Identität des Versicherten zulässt, und übersendet dem Forschungsdatenzentrum die Liste der Pseudonyme mit den Arbeitsnummern. Dort werden die Daten einem gesetzlich definierten Kreis von Nutzungsberechtigten zugänglich gemacht, beispielsweise auch Hochschulen und Forschungseinrichtungen sowie Uniklinken. Eine Widerspruchsmöglichkeit für die Betroffenen (rund 73 Millionen gesetzlich Versicherte) oder Löschfristen sieht die Regelung nicht vor.
Hinweis
Das Gesetz leistet einen sinnvollen Beitrag zu einer zeitgemäßen Versorgungsstruktur. Ob hierdurch allerdings eine zeitnahe Versorgungsverbesserung in ländlichen Gegenden erzielt werden kann, ist fraglich. Selbst wenn die technischen Voraussetzungen, etwa für die Inanspruchnahme einer Videosprechstunde, bestünden, darf bezweifelt werden, dass betagtere Versicherte über das erforderliche technische Knowhow verfügen.
Darüber hinaus bleibt abzuwarten, wie die Regelung zur Sammlung der Versichertendaten zu Forschungszwecken mit Blick auf die Einschränkung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung bewertet wird. Die Einschränkung ergibt sich bereits aus der fehlenden Möglichkeit der Betroffenen Widerspruch gegen die Speicherung ihrer Daten einzulegen. Mit § 27 Abs. 2 des (neuen) Bundesdatenschutzgesetzes wurde bereits eine ähnliche Regelung, die die Betroffenenrechte ebenfalls einschränkt, wenn auch mit Rückausnahmen, durch den Bundesrat aus diesem Grunde kritisiert. Dies obgleich eine Einschränkung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung grundsätzlich möglich ist, soweit dies ein Gesetz vorschreibt, der Eingriff so geringfügig wie möglich, verhältnismäßig und transparent ist und die Sammlung und Verarbeitung der Daten dem Allgemeininteresse dient.
Hersteller digitaler Gesundheitsanwendungen sollten sich bei der Konzipierung ihres Produkts und dessen Beschreibung frühzeitig beraten lassen, um die Gestaltungsspielräume zu identifizieren.