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Bundestag beschließt Gesetz für bessere Versorgung durch Digitalisierung und Innovation

Der Bun­des­tag hat am 7.11.2019 den „Ent­wurf ei­nes Ge­set­zes für eine bes­sere Ver­sor­gung durch Di­gi­ta­li­sie­rung und In­no­va­tion - Di­gi­tale-Ver­sor­gung-Ge­setz“ (DVG) in der durch den Ge­sund­heits­aus­schuss vor­ge­leg­ten Fas­sung (Be­schluss­ent­wurf, BT-Drs. 19/14867) an­ge­nom­men.

Mit dem Ge­setz, des­sen In­kraft­tre­ten größten­teils für den Tag nach der Verkündung bzw. für den 1.1.2020 vor­ge­se­hen ist, soll die Di­gi­ta­li­sie­rung im Ge­sund­heits­we­sen wei­ter vor­an­ge­trie­ben wer­den. Der Bun­des­rat be­fasst sich mit dem Ge­set­zes­be­schluss des Bun­des­ta­ges am 29.11. oder 20.12.2019. Das Ge­setz ist nicht zu­stim­mungs­pflich­tig.

Bundestag beschließt Gesetz für bessere Versorgung durch Digitalisierung und Innovation© Thinkstock

Wesentliche Inhalte des DGV

Das DVG sieht ins­be­son­dere vor, dass Ver­si­cherte bei Krank­heit zukünf­tig einen ge­setz­lich ver­an­ker­ten Leis­tungs­an­spruch auf di­gi­tale Ge­sund­heits­an­wen­dun­gen ha­ben und Ärz­tin­nen und Ärzte diese ver­ord­nen können. Der Ein­satz der Te­le­me­di­zin soll ver­ein­facht und auf Sei­ten der Ärzte durch eine ex­tra­bud­getäre Vergütung von Te­le­kon­silen in­cen­ti­viert wer­den. Darüber hin­aus soll die Te­le­ma­tik-In­fra­struk­tur wei­ter aus­ge­baut und die Möglich­keit der Nut­zung von Ge­sund­heits­da­ten zu For­schungs­zwe­cken er­wei­tert wer­den.

Gesundheitsapps auf Rezept

Di­gi­tale Ge­sund­heits­an­wen­dun­gen, wie z.B. di­gi­tale Ta­gebücher für Dia­be­ti­ker und Apps für Men­schen mit Blut­hoch­druck sol­len zukünf­tig ärzt­lich ver­ord­net wer­den können. Ver­ord­nungsfähig sind An­wen­dun­gen, die das Bun­des­in­sti­tut für Arz­nei­mit­tel und Me­di­zin­pro­dukte (BfArM) in einem Ver­zeich­nis er­stat­tungsfähi­ger Ge­sund­heits­an­wen­dun­gen führt. Die Auf­nahme in das Ver­zeich­nis soll auf An­trag des Her­stel­lers und Nach­weis er­fol­gen, dass die Ge­sund­heits­an­wen­dung den An­for­de­run­gen an Si­cher­heit, Funk­ti­ons­taug­lich­keit und Qua­lität des Me­di­zin­pro­duk­tes so­wie Da­ten­schutz und Da­ten­si­cher­heit nach dem Stand der Tech­nik ent­spricht und po­si­tive Ver­sor­gungs­ef­fekte im Sinne ei­nes me­di­zi­ni­schen Nut­zens oder ei­ner pa­ti­en­ten­re­le­van­ten Struk­tur- und Ver­fah­rens­ver­bes­se­rung er­zielt. Ge­lingt dem Her­stel­ler der Nach­weis po­si­ti­ver Ver­sor­gungs­ef­fekte nicht auf An­hieb, kann er be­an­tra­gen, dass die di­gi­tale Ge­sund­heits­an­wen­dung für bis zu zwölf Mo­nate in das Ver­zeich­nis zur Er­pro­bung auf­ge­nom­men wird. Die Vergütung für die di­gi­ta­len Ge­sund­heits­an­wen­dun­gen ver­ein­ba­ren die Her­stel­ler mit dem Spit­zen­ver­band Bund der Kran­ken­kas­sen für alle Kran­ken­kas­sen.

Stärkung der Anwendung von Telemedizin

Der Ge­setz­ge­ber be­auf­tragt den Be­wer­tungs­aus­schuss, im Ein­heit­li­chen Be­wer­tungsmaßstab (EBM) zu re­geln, dass Kon­sile in einem wei­ten Um­fang als te­le­me­di­zi­ni­sche Leis­tung ab­ge­rech­net wer­den können.

Anschluss an die Telematik-Infrastruktur

Ärz­tin­nen und Ärz­ten, die sich dem An­schluss an die Te­le­ma­tik-In­fra­struk­tur ver­wei­gern, dro­hen ab dem 1.3.2020 Ho­no­ra­rabzüge in Höhe von 2,5 Pro­zent, ak­tu­ell lie­gen diese bei einem Pro­zent. Kran­kenhäuser sol­len ver­pflich­tet wer­den, sich bis zum 1.1.2021 an die Te­le­ma­tik-In­fra­struk­tur an­zu­schließen, Ih­nen dro­hen Vergütungs­ab­schläge in Höhe von einem Pro­zent, Apo­the­ken bis zum 30.9.2020, für sie sind keine Sank­tio­nen vor­ge­se­hen. Um zukünf­tig eine flächen­de­ckende und um­fas­sende Nut­zung der elek­tro­ni­schen Pa­ti­en­ten­akte ermögli­chen zu können, sol­len auch An­gehörige an­de­rer Ge­sund­heits­be­rufe, etwa Heb­am­men, Phy­sio­the­ra­peu­ten und Pflege- und Re­ha­ein­rich­tun­gen, an das Netz an­ge­schlos­sen wer­den. Für sie ist der An­schluss frei­wil­lig. Die Kos­ten für die frei­wil­lige An­bin­dung wer­den er­stat­tet.

Vereinfachung der Verwaltungsprozesse durch Digitalisierung

Um die elek­tro­ni­sche Über­mitt­lung des Arzt­brie­fes für die Ärz­tin­nen und Ärzte at­trak­ti­ver zu ge­stal­ten, wird die Vergütung für die Über­mitt­lung des Arzt­brie­fes per Fax im EBM re­du­ziert.

Innovationsfonds wird fortgeführt und weiterentwickelt

Die Förde­rung über den In­no­va­ti­ons­fonds bis zum Jahr 2024 mit jähr­lich 200 Mio. Euro fort­geführt. Als di­gi­tale In­no­va­tio­nen gel­ten hier­bei di­gi­tale Me­di­zin­pro­dukte, te­le­me­di­zi­ni­sche Ver­fah­ren oder IT-gestützte Ver­fah­ren in der Ver­sor­gung. Kran­ken­kas­sen können In­no­va­tio­nen durch Her­stel­ler von Me­di­zin­pro­duk­ten, Un­ter­neh­men aus dem Be­reich der In­no­va­ti­ons­tech­no­lo­gie, For­schungs­ein­rich­tun­gen und Leis­tungs­er­brin­ger so­wie Ge­mein­schaf­ten von Leis­tungs­er­brin­gern ent­wi­ckeln las­sen.

Datensammlung zu Forschungszwecken

Das DVG sieht zu­dem vor, dass die Kran­ken­kas­sen dem Spit­zen­ver­band Bund der Kran­ken­kas­sen als Da­ten­sam­mel­stelle für je­den Ver­si­cher­ten un­ter einem Lie­fer­pseud­onym An­ga­ben zu Al­ter, Ge­schlecht und Wohn­ort, zum Ver­si­che­rungs­verhält­nis, zu den Kos­ten- und Leis­tungs­da­ten, zum Vi­tal­sta­tus und dem Ster­be­da­tum so­wie zu den ab­rech­nen­den Leis­tungs­er­brin­gern über­sen­den. Die Da­ten sol­len nach Prüfung auf Vollständig­keit und Plau­si­bi­lität so­wie Klärung von Auffällig­kei­ten ohne Lie­fer­pseud­onym mit ei­ner Ar­beits­num­mer an ein For­schungs­da­ten­zen­trum so­wie mit Lie­fer­pseud­onym und Ar­beits­num­mer an eine Ver­trau­ens­stelle wei­ter­ge­lei­tet wer­den. Die Ver­trau­ens­stelle pseud­ony­mi­siert die Da­ten schließlich in ei­ner Form, die kei­nen Rück­schluss auf die Iden­tität des Ver­si­cher­ten zulässt, und über­sen­det dem For­schungs­da­ten­zen­trum die Liste der Pseud­onyme mit den Ar­beits­num­mern. Dort wer­den die Da­ten einem ge­setz­lich de­fi­nier­ten Kreis von Nut­zungs­be­rech­tig­ten zugäng­lich ge­macht, bei­spiels­weise auch Hoch­schu­len und For­schungs­ein­rich­tun­gen so­wie Uni­klin­ken. Eine Wi­der­spruchsmöglich­keit für die Be­trof­fe­nen (rund 73 Mil­lio­nen ge­setz­lich Ver­si­cherte) oder Lösch­fris­ten sieht die Re­ge­lung nicht vor.

Hinweis

Das Ge­setz leis­tet einen sinn­vol­len Bei­trag zu ei­ner zeit­gemäßen Ver­sor­gungs­struk­tur. Ob hier­durch al­ler­dings eine zeit­nahe Ver­sor­gungs­ver­bes­se­rung in länd­li­chen Ge­gen­den er­zielt wer­den kann, ist frag­lich. Selbst wenn die tech­ni­schen Vor­aus­set­zun­gen, etwa für die In­an­spruch­nahme ei­ner Vi­deo­sprech­stunde, bestünden, darf be­zwei­felt wer­den, dass be­tag­tere Ver­si­cherte über das er­for­der­li­che tech­ni­sche Know­how verfügen.

Darüber hin­aus bleibt ab­zu­war­ten, wie die Re­ge­lung zur Samm­lung der Ver­si­cher­ten­da­ten zu For­schungs­zwe­cken mit Blick auf die Ein­schränkung des Rechts auf in­for­ma­tio­nelle Selbst­be­stim­mung be­wer­tet wird. Die Ein­schränkung er­gibt sich be­reits aus der feh­len­den Möglich­keit der Be­trof­fe­nen Wi­der­spruch ge­gen die Spei­che­rung ih­rer Da­ten ein­zu­le­gen. Mit § 27 Abs. 2 des (neuen) Bun­des­da­ten­schutz­ge­set­zes wurde be­reits eine ähn­li­che Re­ge­lung, die die Be­trof­fe­nen­rechte eben­falls ein­schränkt, wenn auch mit Rück­aus­nah­men, durch den Bun­des­rat aus die­sem Grunde kri­ti­siert. Dies ob­gleich eine Ein­schränkung des Rechts auf in­for­ma­tio­nelle Selbst­be­stim­mung grundsätz­lich möglich ist, so­weit dies ein Ge­setz vor­schreibt, der Ein­griff so ge­ringfügig wie möglich, verhält­nismäßig und trans­pa­rent ist und die Samm­lung und Ver­ar­bei­tung der Da­ten dem All­ge­mein­in­ter­esse dient.

Her­stel­ler di­gi­ta­ler Ge­sund­heits­an­wen­dun­gen soll­ten sich bei der Kon­zi­pie­rung ih­res Pro­dukts und des­sen Be­schrei­bung frühzei­tig be­ra­ten las­sen, um die Ge­stal­tungs­spielräume zu iden­ti­fi­zie­ren.

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