Nach Auffassung des Gerichts und entgegen der gängigen Verwaltungspraxis in den Ländern soll nicht nur die Beseitigung vertikaler Strukturen und der Rückbau von Windenergieanlagen vergleichbaren Bauwerken als Kompensationsmaßnahme in Betracht kommen, sondern vielmehr alle Maßnahmen, die auf anderem Wege Vielfalt, Eigenart und Schönheit oder Erholungswert einer Landschaft in dem betroffenen Naturraum steigern.
Hintergrund
Der Entscheidung vorausgegangen waren Klagen der Betreiberinnen von insgesamt fünf Windenergieanlagen im Land Brandenburg. Die Klagen wenden sich gegen eine vom Landesamt für Umwelt in Brandenburg vorgegebene Kompensationszahlung. Die Klägerinnen planten, den für den Bau von Windenergieanlagen erfolgten Eingriff in die Natur u. a. durch den Abriss leerstehender Stallgebäude und die Anlage neuer Gehölz- und Heckenpflanzungen zu kompensieren. Die Beklagte erkannte diese Maßnahme allerdings unter Berufung auf den „Kompensationserlass Windenergie“ in Brandenburg nicht als Ersatzmaßnahmen an; danach sei eine Kompensation nur durch den Rückbau mastartiger Beeinträchtigungen oder Hochbauten mit einer Mindesthöhe von 25 Metern möglich, sodass die Klägerinnen stattdessen eine Ersatzzahlung leisten sollten.
Gesetzliche Grundlage
Nach § 13 Satz 2 BNatSchG sind nicht vermeidbare erhebliche Beeinträchtigungen durch Ausgleichs- oder Ersatzmaßnahmen oder, soweit dies nicht möglich ist, durch einen Ersatz in Geld zu kompensieren. Weil der Bund von der Verordnungsermächtigung in § 15 Abs. 7 BNatSchG zur näheren Bestimmung der Kompensation von Eingriffen in die Natur keinen Gebrauch gemacht hat, finden die jeweiligen vorhandenen landesspezifischen Bestimmungen zur Kompensation von Eingriffen in die Natur, wie z. B. der Kompensationserlass Windenergie des Landes Brandenburg, Anwendung. Auch andere landesrechtliche Bestimmungen sehen vielfach vor, dass nur der Rückbau von mastartigen Bauwerken oder vergleichbaren Strukturen eine geeignete Ersatzmaßnahme sei. Dies führte oft dazu, dass Ersatzgeldzahlungen die häufigste Kompensationsmaßnahme darstellten und sich die Betreiber von Windenergieanlagen vorab nicht mit anderen Kompensationsmaßnahmen auseinandersetzen mussten.
Verfahren bis zum BVerwG
Vor dem OVG Berlin-Brandenburg hatten die Klägerinnen erstinstanzlich zunächst noch keinen Erfolg (Urteile vom 31.03.2023, Az. 3a A 47/23 und 3a A 37/23). Das Gericht lehnte die Klagen im Wesentlichen mit der Begründung ab, dass die von den Klägerinnen vorgesehenen Maßnahmen wie Strauchheckenpflanzungen nicht geeignet seien, das Landschaftsbild landschaftsgerecht wiederherzustellen oder neu zu gestalten. Die spezifischen Eingriffsfolgen durch den turmartigen Eindruck von Windenergieanlagen könnten allenfalls durch den Rückbau von Bauwerken, die wie eine Windenergieanlage im Raum wirksam seien, aber nicht durch Anpflanzungen kompensiert werden. Daher durfte auf eine Ersatzgeldzahlung zurückgegriffen werden.
In der Revision stellte das BVerwG allerdings klar, dass der vom OVG zugrunde gelegte rechtliche Maßstab über die Anforderungen des Bundesnaturschutzgesetzes und die hierzu ergangene Rechtsprechung des BVerwG hinausging. Hiernach genüge für den Ersatz von Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes in seiner Vielfalt, Eigenart und Schönheit sowie seines Erholungswerts im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG eine gleichwertige Herstellung der betroffenen Funktionen. Anders als bei Ausgleichsmaßnahmen sei eine gleichartige Herstellung nicht erforderlich. Eine gleichwertige Herstellung sei auch nicht auf Ersatzmaßnahmen beschränkt, die auf die Beseitigung vertikaler Strukturen zielen. Auch Maßnahmen, die auf anderem Wege Vielfalt, Eigenart und Schönheit oder Erholungswert einer Landschaft in dem betroffenen Naturraum steigern, kommen zur Kompensation in Betracht.
Ausblick
Das BVerwG hob die Urteile des OVG auf und verwies die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an dieses zurück. Die Veröffentlichung der genauen Entscheidungsgründe steht noch aus. Doch schon jetzt zeichnet sich ab, dass die Urteile des BVerwG eine Prüfung der landesrechtlichen Bestimmungen bezüglich der gleichwertigen Ersatzmaßnahmen bei Eingriffen in die Natur durch den Bau von Windenergieanlagen erforderlich machen. Die Ermittlung und Anerkennung von gleichwertigen Kompensationsmaßnahmen dürfte daher mit einer längeren Verfahrensdauer sowie mit finanziellem und personellem Mehraufwand sowohl auf Behörden- als auch auf Projektiererseite verbunden sein. Zudem könnte die Entscheidung auch für weitere Vorhaben und Eingriffe in die Landschaft, namentlich den Stromnetzausbau, auf Landes- und Bundesebene, z. B. im Rahmen der Bundeskompensationsverordnung, relevant werden.