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Rechtsberatung

Eine neue Chance für Carbon Capture and Storage!

Über ein Jahr­zehnt lang be­fand sich die An­wen­dung der Tech­no­lo­gie des Car­bon Cap­ture and Sto­rage (CCS), also der Ab­schei­dung und Spei­che­rung von Koh­len­di­oxid, in einem Dämmer­schlaf. Zu er­heb­lich er­schie­nen die gefühl­ten und rea­len Ri­si­ken. Dem­ent­spre­chend groß wa­ren die po­li­ti­schen Wi­derstände in Deutsch­land. Mit der Vor­lage der Eck­punkte für eine Car­bon Ma­nage­ment-Stra­te­gie hat die Bun­des­re­gie­rung die­sem „tot­ge­glaub­ten“ In­stru­ment nun­mehr neues Le­ben ein­ge­haucht. Für eine ganze Reihe von In­dus­trien kann dies von Be­deu­tung sein.

CCS als notwendiges Instrument der Dekarbonisierung

In ei­ni­gen In­dus­trie­be­rei­chen (z. B. der Ze­ment- und Kal­kin­dus­trie, Be­rei­chen der Grund­stoff­che­mie, der Ab­fall­ver­bren­nung) ist nach dem ge­genwärti­gen Stand der Tech­nik das Po­ten­tial zur Ver­mei­dung von CO2-Emis­sio­nen sehr ge­ring. Wenn sol­che In­dus­trien am Stand­ort Deutsch­land eine lang­fris­tige Per­spek­tive ha­ben sol­len, dann muss man ih­nen vor dem Hin­ter­grund der fort­schrei­ten­den Bemühun­gen um eine De­kar­bo­ni­sie­rung der Wirt­schaft tragfähige Brücken bauen. Eine sol­che „Brücken­tech­no­lo­gie“ ist die Car­bon Cap­ture and Sto­rage (CCS)-Tech­nik. So­fern CO2 da­bei nicht ge­spei­chert, son­dern nach­fol­gend in an­de­ren in­dus­tri­el­len Pro­zes­sen ge­nutzt wer­den soll, spricht man von der Va­ri­ante des Car­bon Cap­ture and Usage (CCU).

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Im eu­ropäischen Aus­land wird die CCS-Tech­nik be­reits seit ge­raumer Zeit er­probt. Der Ein­satz von CCS ist fes­ter Be­stand­teil der Kli­ma­schutz­po­li­tik der EU. Ebenso geht der Welt­kli­ma­rat da­von aus, dass CCS in emis­si­ons­in­ten­si­ven In­dus­trie­sek­to­ren eine not­wen­dige Kli­ma­schutz­tech­no­lo­gie zur Er­rei­chung des 1,5 Grad-Ziels ist. Schließlich hat auch die Bun­des­re­gie­rung letzte ideo­lo­gi­sche Hürden über­wun­den und am 26.02.2024 mit der Vor­lage von Eck­punk­ten für eine Car­bon-Ma­nage­ment-Stra­te­gie den „Wie­der­ein­stieg“ in die Nut­zung der CCS-Tech­nik in Aus­sicht ge­stellt. Zur Um­set­zung die­ser Stra­te­gie muss auch die bis­he­rige ge­setz­li­che Grund­lage, das Koh­len­di­oxid-Spei­che­rungs­ge­setz (KSpG), über­ar­bei­tet wer­den.

Einen Re­fe­ren­ten­ent­wurf für diese an­ste­hende No­velle hat das Bun­des­wirt­schafts­mi­nis­te­rium (BMWK) eben­falls am 26.02.2024 veröff­ent­licht. Am 29.05.2024 hat das Bun­des­ka­bi­nett nun die Eck­punkte so­wie die Ge­set­zes­no­velle in über­ar­bei­te­ter Fas­sung be­schlos­sen.

Die drei Stufen von CCS

Zur rich­ti­gen Ein­ord­nung der tech­ni­schen Kom­ple­xität von CCS so­wie des bis­he­ri­gen ge­setz­li­chen Rah­mens ist es er­for­der­lich, sich die drei Ver­fah­rens­schritte von CCS vor Au­gen zu führen: lm ers­ten Schritt er­folgt (1) die Ab­schei­dung von CO2 aus den Emis­sio­nen ei­ner In­dus­trie­an­lage oder ei­nes Kraft­werks, so­dann (2) die Phase des Trans­ports des CO2 zu ei­ner un­ter­ir­di­schen La­gerstätte und schließlich (3) die dau­er­hafte Ver­pres­sung und Spei­che­rung des CO2 im Un­ter­grund.

An­la­gen zur Ab­schei­dung von CO2 wer­den da­bei nach den Vor­ga­ben des Bun­des­im­mis­si­ons­schutz­ge­set­zes (BImSchG) ge­neh­migt. Die Zu­las­sung von CO2-Trans­port­lei­tun­gen so­wie von un­ter­ir­di­schen Koh­len­di­oxid­spei­chern rich­tet sich hin­ge­gen nach dem 2012 neu er­las­se­nen Koh­len­di­oxid-Spei­che­rungs­ge­setz (KSpG).

Der dritte und ab­schließende Teil die­ser Pro­zess­kette - die lang­fris­tige Spei­che­rung von CO2 im tie­fen geo­lo­gi­schen Un­ter­grund - ist da­bei die bergmänni­sche Kom­po­nente der CCS-Tech­no­lo­gie und enthält gleich­zei­tig das größte Ri­si­ko­po­ten­tial für Men­sch und Um­welt, um das sich der Schwer­punkt der Be­den­ken ge­gen CCS im letz­ten Jahr­zehnt in Po­li­tik und Öff­ent­lich­keit drehte. Der über­wie­gende Teil der Re­ge­lun­gen des KSpG be­trifft dem­ent­spre­chend die­sen letz­ten Ver­fah­rens­schritt.

Das KSpG als Rechtsgrundlage

Das 2012 un­ter dem Na­men „Ge­setz zur De­mons­tra­tion der dau­er­haf­ten Spei­che­rung von Koh­len­di­oxid“ ver­ab­schie­dete KSpG enthält u. a. um­fas­sende Re­ge­lun­gen für die Ge­neh­mi­gung von Un­ter­su­chun­gen des Un­ter­grunds, die Plan­fest­stel­lung für Er­rich­tung und Be­trieb von CO2-Spei­chern so­wie die ab­schließende Still­le­gung von Spei­cherstätten. In sei­ner Struk­tur als eine Art „Son­der­ber­grecht“ bie­tet das Ge­setz da­her eine Viel­falt an An­schau­ungs- und Ver­gleichs­ma­te­rial für die seit ge­raumer Zeit an­ge­dachte Mo­der­ni­sie­rung des Bun­des­berg­ge­set­zes (BBergG).

Als ge­setz­li­cher Rah­men für die CCS-Tech­no­lo­gie ist das KSpG je­doch ein „Ku­rio­sum“ ge­blie­ben. Seine äußerst re­strik­ti­ven Vor­ga­ben über Spei­cher­men­gen und An­trags­fris­ten ha­ben dazu geführt, dass der Ein­satz der CCS-Tech­no­lo­gie in Deutsch­land heute fak­ti­sch ver­bo­ten ist. Hinzu kommt die ge­setz­ge­be­ri­sche Be­son­der­heit, dass den Bun­desländern über die sog. „Länder­klau­sel“ die Möglich­keit ein­geräumt wurde, den Ein­satz von CCS auf ih­ren Ho­heits­ge­bie­ten von vorn­her­ein aus­zu­schließen. Ins­be­son­dere die als be­son­ders ge­eig­net an­ge­se­he­nen nord­deut­schen Flächenländer Nie­der­sach­sen, Schles­wig-Hol­stein und Meck­len­burg-Vor­pom­mern ha­ben von die­ser „opt-out“-Möglich­keit um­ge­hend Ge­brauch ge­macht.

Vor die­sem Hin­ter­grund wurde das KSpG seit sei­nem In­kraft­tre­ten viel­fach als „CCS-Ver­hin­de­rungs­ge­setz“ be­zeich­net. Als Grund­lage für eine sub­stan­zi­elle Nut­zung von CCS in Deutsch­land kann das KSpG da­her nur nach ei­ner gründ­li­chen No­vel­lie­rung tau­gen - eine sol­che wird von der Bun­des­re­gie­rung nun aber ins Auge ge­fasst.

Die neue Carbon Management-Strategie

Die „Eck­punkte der Bun­des­re­gie­rung für eine Car­bon Ma­nage­ment-Stra­te­gie“ be­we­gen sich in einem Span­nungs­feld. Auf der einen Seite soll CCS als In­stru­ment auf dem Wege der De­kar­bo­ni­sie­rung ermöglicht wer­den. Auf der an­de­ren Seite soll der Ein­satz die­ser Tech­no­lo­gie aber nicht dazu führen, dass die Bemühun­gen um eine sub­stan­zi­elle Re­du­zie­rung von CO2-Emis­sio­nen wie­der nach­las­sen.

Für die wei­tere Er­ar­bei­tung der Car­bon Ma­nage­ment-Stra­te­gie hat die Bun­des­re­gie­rung vor die­sem Hin­ter­grund u. a. fol­gende Maßga­ben ge­trof­fen:

  • Die Er­kun­dung von Offs­hore-Spei­cherstätten in der deut­schen aus­schließli­chen Wirt­schafts­zone (AWZ) und dem Fest­land­so­ckel soll ge­setz­lich ermöglicht wer­den. An ge­eig­ne­ten Stand­or­ten sol­len Spei­cher für die in­dus­tri­elle Nut­zung er­schlos­sen wer­den.
  • Die Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land soll die Ände­rung des Lon­don-Pro­to­kolls zur Ermögli­chung des CO2-Ex­ports zum Zwecke der Offs­hore-Spei­che­rung ra­ti­fi­zie­ren und die er­for­der­li­chen Ände­run­gen am Hohe-See-Ein­brin­gungs­ge­setz
  • Die dau­er­hafte Spei­che­rung von CO2 im geo­lo­gi­schen Un­ter­grund des deut­schen Fest­lands (Ons­hore-Spei­che­rung) soll auch wei­ter­hin nicht möglich sein.
  • Über die Förder­richt­li­nie Bun­desförde­rung In­dus­trie und Kli­ma­schutz (FRL BIK) soll eine Förde­rung von CCS/CCU ermöglicht wer­den. Der Schwer­punkt der staat­li­chen Förde­rung soll sich je­doch auf schwer oder nicht ver­meid­bare Emis­sio­nen fo­kus­sie­ren.
  • Für Ver­strom­ungs­an­la­gen mit gasförmi­gen En­er­gieträgern oder Bio­masse soll die An­wen­dung von CCS/CCU im Sinne ei­nes „tech­no­lo­gie­of­fe­nen Überg­angs zu einem kli­ma­neu­tra­len Strom­sys­tem“ ermöglicht wer­den. Bei ei­ner Ver­strom­ung von fos­si­len En­er­gieträgern soll je­doch keine Förde­rung er­fol­gen.
  • Mit Blick auf den Koh­leaus­stieg soll für Emis­sio­nen aus der Kohle-Ver­strom­ung der Zu­gang zu CO2-Pipe­lines aus­ge­schlos­sen sein.
  • Die im Mo­ment be­ste­hen­den recht­li­chen Hürden für den Ein­satz von CCS/CCU und der Er­rich­tung von CO2-Pipe­lines in pri­va­ter Träger­schaft sol­len ins­be­son­dere durch eine Über­ar­bei­tung des KSpG be­ho­ben wer­den.

Die Novelle des KSpG

Ein zen­tra­ler Teil die­ser Stra­te­gie ist so­mit die No­vel­lie­rung des KSpG, wel­ches im bis­lang vor­lie­gen­den Ent­wurf den Na­men „Koh­len­di­oxid-Spei­che­rungs- und Trans­port­ge­setz (KSpTG) trägt. Das Ge­setz soll die Er­rich­tung und den Be­trieb von kom­mer­zi­ell be­trie­be­nen CO2-Spei­chern im in­dus­tri­el­len Maßstab auf dem Ge­biet des Fest­land­so­ckels und in der aus­schließli­chen Wirt­schafts­zone - nicht aber an Land - ermögli­chen. Hierfür sol­len der Ge­set­zes­zweck, der Gel­tungs­be­reich, eine Reihe von Be­griffs­be­stim­mun­gen geändert so­wie ins­be­son­dere das Plan­fest­stel­lungs­ver­fah­ren für CO2-Lei­tun­gen dem Ver­fah­ren für Lei­tungs­vor­ha­ben nach dem EnWG an­ge­gli­chen wer­den.

Be­mer­kens­wert ist da­bei, dass sich die Ge­set­zes­in­itia­tive - nach den Er­fah­run­gen mit dem Wi­der­stand in den Ländern beim Er­lass des KSpG in 2012 - nun prin­zi­pi­ell nur noch auf die Offs­hore-Spei­che­rung von CO2 be­zieht. Mit Blick auf eine mögli­che Ons­hore-Spei­che­rung hat je­doch eine „Opt-in“-Lösung Ein­gang in den Ge­setz­ent­wurf ge­fun­den. So­mit können ein­zelne Bun­desländer über die durch Bun­des­ge­setz ermöglichte Offs­hore-Spei­che­rung hin­aus auf ih­rem je­wei­li­gen Lan­des­ge­biet eine Ons­hore-Spei­che­rung von CO2 zu­las­sen. Ob Bun­desländer sich für die­sen Weg ent­schei­den, er­scheint im Mo­ment un­wahr­schein­lich, bleibt aber ab­zu­war­ten.

Mit Blick auf diese Hin­wen­dung zur Offs­hore-Nut­zung von CCS sieht der Ge­set­zes­ent­wurf auch vor, dass es da­durch zu kei­ner Be­einträch­ti­gung des Baus und Be­triebs von Was­ser­stoff­lei­tun­gen, Wind­en­er­gie­an­la­gen auf See und Offs­hore-An­bin­dungs­lei­tun­gen kom­men darf - denn schließlich dient der oh­ne­hin knappe, der Bun­des­re­pu­blik zur Verfügung ste­hende Mee­res­raum auch dem Aus­bau der Wind­en­er­gie. Des Wei­te­ren soll auch eine CO2-Spei­che­rung in Mee­res­schutz­ge­bie­ten aus­ge­schlos­sen blei­ben.

Fazit und Ausblick

Die Car­bon Ma­nage­ment-Stra­te­gie und auch die KSpG-No­velle sind ge­genwärtig noch nicht im fi­na­len Sta­dium, so­dass wei­tere An­pas­sun­gen und Ände­run­gen noch ab­zu­war­ten sind. Fest­zu­hal­ten ist je­doch be­reits jetzt, dass der „CCS-Wie­der­ein­stieg“ Chan­cen für eine Reihe von In­dus­trien bie­tet.

Die im Eck­punk­te­pa­pier als be­son­ders emis­si­ons­in­ten­siv ge­nann­ten Be­rei­che der Ze­ment- und Kal­kin­dus­trie, der Grund­stoff­che­mie so­wie der Ab­fall­ver­bren­nung sind nicht ab­schließend, son­dern nur bei­spiel­haft ge­nannt. Es können also auch noch wei­tere In­dus­trie­be­rei­che die Möglich­kei­ten von CCS/CCU nut­zen. Be­trof­fene Un­ter­neh­men soll­ten da­her frühzei­tig prüfen, ob eine Nut­zung von CCS/CCU für sie eine wirt­schaft­li­che Al­ter­na­tive sein kann. Dies wird ins­be­son­dere dann der Fall sein, wenn die Nut­zung die­ser Tech­no­lo­gie güns­ti­ger ist als die Emis­si­ons­zer­ti­fi­kate, wel­che das Un­ter­neh­men an­sons­ten zu er­wer­ben hätte. Ein zusätz­li­cher An­reiz ist die vor­ge­se­hene staat­li­che Förde­rung ent­spre­chen­der Pro­jekte über die Förder­richt­li­nie Bun­desförde­rung In­dus­trie und Kli­ma­schutz.

Eben­falls fällt auf, dass zwar Be­trei­ber von Koh­le­kraft­wer­ken und Kohle-Kraft-Wärme­kop­pe­lungs-An­la­gen nicht von CCS/CCU pro­fi­tie­ren sol­len, Gas­kraft­werke und Bio­mas­se­an­la­gen aber ausdrück­lich zu­ge­las­sen wer­den. Fer­ner wird die Er­rich­tung der er­for­der­li­chen CO2-Trans­por­tin­fra­struk­tur (Pipe­lines) von den je­wei­li­gen in­dus­tri­el­len Zen­tren bis an die Küste ein fi­nan­zi­el­ler und tech­ni­scher Kraft­akt, aber auch eine Ge­schäft­schance für Ak­teure der En­er­gie­wirt­schaft (Netz­be­trei­ber) und flan­kie­ren­der Bran­chen.

Ob sich diese Chan­cen rea­li­sie­ren las­sen, ist ge­genwärtig noch of­fen. Viel wird da­von abhängen, ob die Car­bon Ma­nage­ment-Stra­te­gie und die ge­setz­li­chen An­pas­sun­gen nun zügig fi­na­li­siert wer­den, da­mit kom­mer­zi­elle CCS/CCU-Pro­jekte schnellstmöglich Pla­nungs­si­cher­heit er­hal­ten.

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