Der Ausbruch der Corona-Pandemie im Frühjahr 2020 hat die Situation für die Krankenhäuser in Deutschland grundlegend verändert. Die Mehrzahl der Einrichtungen ist durch die Pandemie und den damit verbundenen Auswirkungen mit erheblichen Erlösausfällen konfrontiert, die für die Geschäftsentwicklung des laufenden Jahres sowie die zukünftigen Planungen relevant sind.
Neben dem täglichen Krisenmanagement müssen weiter Erlöse und Liquidität gesichert sowie mittel- und langfristige Maßnahmen und Entwicklungsstrategien im Blick behalten werden.
Die von Seiten des Gesetzgebers insbesondere mit dem Krankenhausentlastungsgesetz beschlossenen und am 28.3.2020 in Kraft getretenen Maßnahmen zur Kompensation der finanziellen Folgen für die Krankenhäuser sorgen zunächst für eine Abmilderung der möglichen Verluste der Krankenhäuser. Positiv wirkt sich auf die Krankenhäuser auch die mit „Vereinbarung nach § 137i Abs. 4 SGB V über den Nachweis zur Einhaltung von Pflegepersonaluntergrenzen für das Jahr 2020“ geregelte Aussetzung der Pflegepersonaluntergrenzen für die Zeit vom 1.3.2020 bis zum 31.12.2020 aus.
Zu den Maßnahmen der pandemiebedingten Neuregelungen im Einzelnen:
COVID-19-Krankenhausentlastungsgesetz (28.3.2020)
Plankrankenhäuser, die zur Erhöhung der Bettenkapazitäten für die Versorgung von Corona-Patienten planbare Aufnahmen, Operationen und Eingriffe verschieben oder aussetzen, erhalten rückwirkend ab dem 16.3.2020 - und zunächst befristet bis September 2020 - Ausgleichzahlungen für die finanziellen Belastungen, die dadurch entstehen, dass Betten nicht wie geplant belegt werden können. Hierfür wird der Leistungsrückgang täglich anhand eines Vorjahresvergleichs ermittelt und wurde zunächst ein Pauschalbetrag von 560 Euro pro „freiem Bett“ pro Tag gezahlt. Die Krankenhäuser übermitteln die tagesbezogene Auswertung wöchentlich an die Krankenhausplanungsbehörde; die Länder übermitteln die Daten dann weiter an das Bundesamt für Soziale Sicherung, welches dann die Auszahlung aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds vornimmt. Aufgrund der pauschalen Kompensationen konnten die jeweiligen Erlösausfälle bei den Krankenhäusern unterschiedlich ausfallen. Während kleinere Krankenhäuser tendenziell eher von der Pauschale profitierten, konnte die Pauschale die entgangenen Einnahmen der Maximalversorger häufig nicht ausreichend abbilden. Maßgeblich wirken hier jedoch die jeweilige Fachabteilungsstruktur und die Versorgungsstufe des Krankenhauses sowie die räumlich-strukturelle Situation, die den Handlungsspielraum oft begrenzen.
Für die Aufstellung zusätzlicher Intensivbetten mit maschineller Beatmungsmöglichkeit erhalten zugelassene Krankenhäuser Boni von 50.000 Euro pro Betteneinheit.
Daneben werden seit dem 1.4.2020 Preis- und Mengensteigerungen infolge des Coronavirus, insbesondere bei persönlichen Schutzausrüstungen, über einen Zuschlag von 50 Euro pro Patient abgegolten. Zugelassene Krankenhäuser berechnen diesen Zuschlag direkt gegenüber den Patienten oder ihren Kostenträgern.
Zusätzlich soll Liquidität durch Erhöhung des vorläufigen Pflegeentgeltwertes auf 185 Euro sowie über Erleichterungen im Hinblick auf Budgets und Abrechnung geschaffen werden.
Der Fixkostendegressionsabschlag wurde für 2020 ausgesetzt. Daneben kann bei Mehr- und Mindererlösen, die auf Grund der Corona-Pandemie entstehen, auch nach Ablauf des Vereinbarungszeitraums ein zusätzlicher Ausgleich vereinbart werden.
Die mit der MDK-Reform eingeführte Prüfquote für 2020 wird von 12,5 % auf 5 % reduziert; die Aufschlagszahlungen für beanstandete Rechnungen gelten erst ab 2022. Gutachten des Medizinischen Dienstes für Strukturmerkmale sind erst ab 2022 Voraussetzung zur Abrechnung. Überdies haben die Krankenkassen Krankenhausrechnungen bis Ende 2020 innerhalb von fünf Tagen zu begleichen.
Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite (28.3.2020)
Durch das Erste Bevölkerungsschutzgesetz wurde das Bundesgesundheitsministerium (BMG) ermächtigt, durch Rechtsverordnung Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der gesundheitlichen Versorgung in ambulanten Praxen, Apotheken, Krankenhäusern, Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen und in sonstigen Gesundheitseinrichtungen in Abweichung von bestehenden gesetzlichen Vorgaben sowie untergesetzlichen Richtlinien und Regelungen vorzusehen.
Das BMG hat von der hiermit eingeräumten Regelungskompetenz bislang keinen Gebrauch gemacht und auch während des Lockdowns die Regulierung weiterhin den Bundesländern überlassen. Dort wurden Leistungserbringer verpflichtet, Kapazitäten zur Behandlung von COVID-19-Patienten vorzuhalten.
Mittlerweile haben die Bundesländer ihre Regelungen zu den Beschränkungen im Krankenhausbetrieb überarbeitet und der aktuellen Pandemielage angepasst. Seit Mitte Mai ist eine schrittweise Rückkehr zur „Normalität“ im Krankenhausalltag geplant. Gesundheitsminister Jens Spahn hatte den Ländern hierzu einen Klinikplan an die Hand gegeben. Danach sollen Kliniken mindestens 25 % statt wie bisher 50 % der insgesamt vorhandenen Intensivbetten freihalten und innerhalb von 72 Stunden weitere Intensiv- und Beatmungskapazitäten bedarfsgerecht schaffen können. 70 % der OP-Kapazitäten sollen im ersten Schritt wieder für elektive Eingriffe genutzt werden können. Die Bundesländer haben die bestehenden Regelungen daraufhin teilweise abgemildert oder gänzlich außer Kraft gesetzt. Mehrheitlich wird jedoch immer noch vorgesehen, dass Intensivkapazitäten nicht vollständig ausgelastet werden dürfen, sondern ein gewisser Bereich für die bevorstehende Versorgung von COVID-19-Patienten freizuhalten ist. Sollten die Infektionszahlen - etwa im Zuge einer befürchteten zweiten Welle - wieder ansteigen, kann die Bundesregierung die oben beschriebene Kompetenz aufrufen.
Zweites Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite (23.5.2020)
Die u.a. für Ärzte, Krankenhäuser und Laboreinrichtungen bestehenden Meldepflichten wurden ausgeweitet und COVID-19 den meldepflichtigen Erkrankungen hinzugefügt. Mit COVID-19 in Zusammenhang stehende Verdachts-, Krankheits- und Todesfälle sind (nicht-namentlich) an das Robert-Koch-Institut zu melden. Daneben sind alle Testergebnisse betreffend der SARS-CoV- und SARS-CoV-2-Krankheitserreger (unabhängig vom Ausgang des Tests) zu melden. Dies umfasst sowohl negative Labortests als auch Fälle der Genesung.
Damit die Bundesregierung die Auswirkungen der am 25.3.2020 mit dem Gesetz zum Ausgleich COVID-19 bedingter finanzieller Belastungen der Krankenhäuser und weiterer Gesundheitseinrichtungen (Krankenhausentlastungsgesetz) eingeführten Maßnahmen nachvollziehen kann, treffen Krankenhäuser strengere Datenübermittlungsfristen i. S. d. § 21 KHEntgG. Entsprechende Daten müssen bis zum 15.6.2020 bzw. 15.10.2020 übermittelt sein. Anderenfalls riskiert das Krankenhaus für jeden Krankenhausfall einen Abschlag i. H. v. 10 Euro, mindestens aber einen Abschlag in Höhe von 20.000 Euro für jeden Standort des Krankenhauses (§ 24 Abs. 3 KHG).
Krankenhäuser, die zwischen dem 1.4.2020 und dem 30.6.2020 COVID-19-Patienten behandeln, sind für die in diesen Zeitraum erbrachten Leistungen im Rahmen der Abrechnungsprüfung durch den Medizinischen Dienst von der Überprüfung der Mindestmerkmale für bestimmte Komplexpauschalen, insbesondere intensivmedizinische Komplexpauschalen (OPS 8-980, 8-98 f.), ausgenommen. Eine Liste der Mindestmerkmale der betreffenden Komplexpauschalen wird das Deutsche Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) auf seiner Homepage veröffentlichen.
Das mit dem MDK-Reformgesetz eingeführte quartalsbezogene Prüfquotensystem wird um ein weiteres Jahr nach hinten verschoben. Das Krankenhausentlastungsgesetz hatte die für 2020 festgelegte Prüfquote bereits von 12,5 % auf 5 % reduziert und das Prüfquotensystem auf 2021 verschoben. Das Zweite Bevölkerungsschutzgesetz schreibt für 2021 nunmehr eine quartalsbezogene Prüfquote von bis zu 12,5 % fest. Die in § 275c Abs. 2 Nr. 1 bis 3 SGB V bestimmten Prüfquoten gelten mithin erst ab 2022. Damit stehen aber auch die gesetzlich vorgesehenen, niedrigeren Prüfquoten von 5 % und 10 % (abhängig von der Beanstandungsquote im Vor-Quartal) nicht zur Verfügung.
Der Bund übernimmt die Behandlungskosten für Intensivpatienten aus anderen europäischen Ländern. Die Abwicklung erfolgt nach europarechtlichen Verfahren, lediglich die Endabrechnung erfolgt über den GKV-Spitzenverband mit dem Bundesgesundheitsministerium. Krankenhäuser müssen daher die entsprechenden Abrechnungsfälle kennzeichnen.
COVID-19-Ausgleichszahlungs-Änderungs-Verordnung (9.7.2020)
Um auf der einen Seite die Motivation für Krankenhäuser zur Rückkehr in den eingeschränkten Regelbetrieb zu stärken und auf der anderen Seite die Krankenhäuser adäquater zu kompensieren, wurden Korrekturen am Krankenhausentlastungsgesetz vorgenommen, die zum 9.7.2020 in Kraft getreten sind. Hierzu zählen:
- Es wird eine Differenzierung der bisher einheitlich festgelegten Freihaltepauschale zur Refinanzierung der nicht belegten Betten vorgenommen. Hierfür werden die Krankenhäuser in 5 Kategorien aufgeteilt und erhalten ab dem 1.7.2020 anstatt 560 Euro pro Tag nun eine differenzierte Pauschale zwischen 360 Euro und 760 Euro.
- Die Freihaltepauschale sinkt in psychiatrischen Kliniken auf 280 Euro bei vollstationären und auf 190 Euro für teilstationäre Behandlungen.
- Der Pflegeentgeltwert von 185 Euro pro Tag stellt die Untergrenze zur Refinanzierung der Kosten dar. Bei einer nachgewiesenen Unterdeckung erhalten die Kliniken einen vollen Mehrkostenausgleich zum Jahresende. Falls der Pflegeentgeltwert zu einer Überdeckung der Pflegekosten führt, müssen die Krankenhäuser, wie auch bisher im Krankenhausentlastungsgesetz festgelegt, keine Ausgleichszahlungen für das Jahr 2020 leisten.
- Der Mehrkostenzuschlag bleibt insgesamt bestehen und erhöht sich auf 100 Euro je Fall für die Behandlung von COVID-19-Patienten.
Hinweise
Kernaufgabe des Bundesgesetzgebers im Rahmen der Corona-Pandemie war die zügige Erhöhung der Behandlungskapazitäten und der Erhalt der Liquidität der Leistungserbringer. Regelungslücken waren aufgrund der gebotenen Schnelligkeit ebenso unvermeidbar wie unerwünschte Folgeeffekte. Die neue Aufgabe des Gesetzgebers ist nun eine Bestandsaufnahme und die Nachbesserung.
Nicht nur die teilweisen Erlösausfälle durch die „Freihaltepauschale“ belasten die Ergebnisentwicklung der Krankenhäuser, sondern auch die unmittelbar zusammenhängenden Einbußen bei ambulanten Leistungen und Wahlleistungen sowie geringere Umsätze in angegliederten Geschäftsbetrieben, wie bspw. Apotheken, Cafeterien und Parkhäusern. Zusätzlich stellt der Anspruch einer möglichst tiefgehenden Kostentransparenz, nicht zuletzt aufgrund von gesetzlich geforderten Nachweispflichten, gekoppelt mit einem adäquaten kurz- und langfristigen Liquiditätscontrolling die Krankenhäuser in den derzeitigen Personal- und Organisationsstrukturen vor Herausforderungen. Bei den Personalaufwendungen führen neu aufgestellte Dienstpläne, Ausfallkonzepte und damit einhergehende Urlaubssperren sowie die verlängerte Übertragung von Resturlaub zur Bildung von erhöhten Rückstellungen.
Offen ist auch nach wie vor, auf welcher Grundlage die Budgetverhandlungen für das Jahr 2021 zu führen sind. Dass das Jahr 2020 einen Ausnahmezustand abbildet und keine Grundlage für zukünftige Budgetverhandlungen darstellt, lässt sich der Gesetzesbegründung bereits entnehmen. Der Gesetzesbegründung zum Krankenhausentlastungsgesetz lässt sich ebenfalls die Aufforderung des Bundes entnehmen, die Länder mögen eigene Konzepte zur Finanzierung erforderlicher Investitionskosten aufsetzen. Trotz der in den Ländern verabschiedeten Maßnahmen durch Nachtragshaushalte ist jedoch immer noch unklar, welche zusätzlichen Fördermaßnahmen für Krankenhäuser sich hieraus ergeben. Erforderliche Investitionskosten sollten dem Land angezeigt und entsprechende Förderanträge gestellt werden.
Die wirtschaftlichen Auswirkungen für die einzelnen Krankenhäuser bleiben aufgrund der bestehenden Unsicherheit über die weitere Dauer und das Ausmaß des Infektionsgeschehen weiterhin schwer kalkulierbar. Umso wichtiger ist es daher die Wirkungen und kurzfristigen Anpassungen des „COVID-19 Krankenhausentlastungsgesetzes“ frühzeitig in sämtliche Planungen einzubeziehen, da dieses die Basis für die zukünftige Finanzierung darstellt und damit zur Sicherstellung der Liquidität beiträgt.