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Corona und der Fall Sternenbäck: Wie ein Unternehmen unverschuldet in die Krise gerät - und wieder herauskommt

Bis zum Be­ginn der Corona-Pan­de­mie lief es für Ster­nenbäck gut: Der Großbäcker mit 215 Bäcke­rei­fi­lia­len in sechs Bun­desländern und drei Bäcke­rei­be­trie­ben in Hechin­gen, Gera und Sprem­berg ver­zeich­nete eine kon­stant po­si­tive Ge­schäfts­ent­wick­lung. Doch mit dem Lock­down im Frühjahr 2020 wurde al­les an­ders: Dra­ma­ti­sche Um­satz­einbrüche zwan­gen das Un­ter­neh­men zur Ein­lei­tung ei­nes Schutz­schirm­ver­fah­rens.

Zu­sam­men mit einem Be­ra­ter­team um den Re­struk­tu­rie­rungs­an­walt Jan Hen­drik Groß, Part­ner bei Eb­ner Stolz in Köln, und den Un­ter­neh­mens­be­ra­ter Prof. Dr. Heiko Au­renz, Part­ner bei Eb­ner Stolz in Stutt­gart, konnte das Un­ter­neh­men zum 01.09.2020 planmäßig in ein Ei­gen­ver­wal­tungs­ver­fah­ren überführt wer­den. Wir spre­chen mit Ro­land Brück­mann, Ge­schäftsführer von Ster­nenbäck, und Jan Hen­drik Groß, wie sie diese Zei­ten durch­lebt ha­ben und wie es zu einem gu­ten Ende für den 255-jähri­gen Tra­di­ti­onsbäcker kam.

© Sternenbäck

Herr Brückmann, ein gesundes Unternehmen rutscht so schnell in eine Schieflage. Was waren die Ursachen - und fühlen Sie sich als Opfer der Corona-Krise?

Ganz klar: Ja - wir sind ein Op­fer der Corona-Krise! Wir sind zunächst sehr gut in das Ge­schäfts­jahr 2020 ge­star­tet. Um­satz und Er­geb­nis zu Be­ginn des Jah­res 2020 la­gen über un­se­ren Er­war­tun­gen. Doch der Lock­down im März hat sich dann mas­siv auf un­ser Ge­schäft aus­ge­wirkt. Uns ha­ben die Schließun­gen von Ein­kaufs­zen­tren und der Gas­tro­no­mie schwer ge­trof­fen: Da­durch sind un­sere Umsätze aus dem Ver­kauf etwa von Kaf­fee, Ku­chen und Tor­ten so­wie Snacks und Kalt­getränken in un­se­ren Café- und Bis­tro­be­rei­chen weg­ge­fal­len. Ohne diese in­zwi­schen für einen Bäcker wich­ti­gen Umsätze wird es schnell exis­ten­ti­ell.

Welche operativen Herausforderungen haben Corona-Krise und die behördlichen Schließungsanordnungen für Sternenbäck mit sich gebracht und wie sind Sie damit umgegangen, Herr Brückmann?

Zunächst war ein schnel­les Um­schal­ten vom bis­he­ri­gen ge­wohn­ten Ma­nage­ment ei­nes Un­ter­neh­mens auf to­ta­les Kri­sen­ma­nage­ment nötig. Zusätz­lich muss­ten wir uns tagtäglich mit den sich sehr schnell ändern­den Be­din­gun­gen und Möglich­kei­ten zur Auf­recht­er­hal­tung un­se­res Ge­schäfts­be­trie­bes aus­ein­an­der­set­zen und dar­auf rea­gie­ren. Und dies bei al­ler sys­tem­re­le­van­ter Be­deu­tung als Bäcke­rei un­ter der Prämisse des bestmögli­chen Schut­zes un­se­rer Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­ter.

Herr Groß, hätte das Unternehmen nicht durch Inanspruchnahme staatlicher Corona-Hilfen gestützt werden können?

Das Un­ter­neh­men hat um­ge­hend staat­li­che Hil­fen in An­spruch ge­nom­men. So wurde in Tei­len auf Kurz­ar­beit um­ge­stellt. Auch konn­ten Stun­dun­gen von Steu­ern und So­zi­al­ver­si­che­rungs­beiträgen be­wirkt wer­den. Dies hat ge­hol­fen, die akute Not­lage zu über­win­den. Aber der weg­ge­fal­lene Um­satz war tatsäch­lich ver­lo­re­nes Ge­schäft. Den Ku­chen, den Sie im Lock­down nicht ver­kau­fen, ver­kau­fen Sie auch da­nach nicht. Und das macht sich schnell auch li­qui­ditätsmäßig be­merk­bar. Es war ab­seh­bar, dass ir­gend­wann das Geld aus­geht. Und ge­nau dafür gibt es ja förm­li­che Re­struk­tu­rie­rungs­ver­fah­ren.

Ab welchem Zeitpunkt war für Sie klar, dass es so nicht mehr weitergeht und Sie Sanierungsmaßnahmen einleiten müssen, Herr Brückmann?

Als es nach be­reits zwei mit ho­hem zeit­li­chem Auf­wand er­stell­ten Gut­ach­ten – zu­erst hin­sicht­lich der Plan­plau­si­bi­li­sie­rung für 2021 vor Corona und an­schließend hin­sicht­lich des an­ge­pass­ten Pla­nes für 2021 auf­grund Corona - keine Aus­sicht auf Un­terstützung mit­tels KfW-Dar­le­hen gab.

Herr Groß, wieso wurde eine Sanierung über ein Schutzschirmverfahren eingeleitet. Wie läuft ein solches Verfahren ab - und warum war dieses Verfahren genau das Richtige für Sternenbäck?

Im Schutz­schirm­ver­fah­ren ha­ben Sie die Möglich­keit, sich leis­tungs­wirt­schaft­lich neu auf­zu­stel­len. So können Sie bspw. lang­lau­fende Verträge be­en­den. Diese Möglich­keit wurde ge­nutzt, um das Fi­li­al­port­fo­lio zu be­rei­ni­gen. Die ver­lust­brin­gen­den Fi­lia­len konn­ten auf diese Weise ab­ge­schnit­ten wer­den. So konnte sich das Un­ter­neh­men auf sei­nen pro­fi­ta­blen Kern­be­reich fo­kus­sie­ren.

Der Vor­teil bei einem Schutz­schirm­ver­fah­ren ist, dass die Ge­schäfts­lei­tung „am Ru­der“ bleibt. Zwar ist es ein ge­richt­li­ches Ver­fah­ren, die Ge­schäfts­lei­tung gibt je­doch die Hand­lungs­be­fug­nis nicht ab. Sie be­kom­men le­dig­lich einen ge­richt­lich be­stell­ten Sach­wal­ter als Über­wa­chungs­or­gan an ihre Seite ge­stellt. Das Un­ter­neh­men hat dann drei Mo­nate Zeit, einen Re­struk­tu­rie­rungs­plan zu er­ar­bei­ten. Die­ser Plan wird an­schließend in ei­ner Gläubi­ger­ver­samm­lung zur Ab­stim­mung ge­stellt. Bei Ster­nenbäck hat­ten wir - bis auf eine Ge­gen­stimme - eine voll­um­fas­sende Zu­stim­mung der Gläubi­ger er­rei­chen können.

Herr Brückmann, wie war die Reaktion der Stakeholder, d. h. der Arbeitnehmer, Lieferanten und Vermieter, auf die Einleitung eines Schutzschirmverfahrens?

Zu­erst be­stand große Sorge um Ster­nenbäck, aber zu­gleich auch sehr schnell Sorge um die even­tu­ell dar­aus re­sul­tie­ren­den di­rek­ten Aus­wir­kun­gen auf jede ein­zelne Gruppe. Die­ses Pro­blem ha­ben wir aber mit ei­ner of­fe­nen, ehr­li­chen und schnel­len Kom­mu­ni­ka­tion gut in den Griff be­kom­men. Wir ha­ben noch am Tag der An­trag­stel­lung mit al­len we­sent­li­chen Sta­ke­hol­dern persönlich ge­spro­chen. Auf diese Weise konn­ten viele Fra­gen geklärt und Miss­verständ­nisse aus­geräumt wer­den. Am Ende sind wir von ei­ner brei­ten Un­terstützung al­ler Be­tei­lig­ten durch das Ver­fah­ren ge­tra­gen wor­den.

Welche Maßnahmen mussten konkret umgesetzt werden, um die Unternehmensgruppe zu sanieren, Herr Groß? In welchen Bereichen waren die Herausforderungen am Größten?

Wich­tig war es, das Un­ter­neh­men fit für die Zu­kunft zu ma­chen. De­fi­zitäre Fi­lia­len zie­hen na­tur­gemäß in ei­ner sol­chen Krise das Un­ter­neh­men noch stärker run­ter. Es galt also, sich die­ses Bal­las­tes zu ent­le­di­gen. Ein we­sent­li­cher Bau­stein war da­mit die Schließung von Fi­lia­len. Die größte Her­aus­for­de­rung be­stand darin, die rich­ti­gen Schnitte zu set­zen: nicht zu viel und nicht zu we­nig. Die Wirt­schaft­lich­keits­ana­lyse ein­zel­ner Stand­orte hängt von vie­len Fak­to­ren ab. Die dazu not­wen­di­gen Da­ten auf­zu­be­rei­ten und zu be­wer­ten, war ein es­sen­ti­el­ler Schritt. Und manch­mal müssen dann auch Ent­schei­dun­gen ge­trof­fen wer­den, die im Ein­zel­fall schmerz­lich sind, aber zur Ge­sun­dung des Gan­zen bei­tra­gen.

Herr Groß, wenn es den präventiven Restrukturierungsrahmen im vergangenen Jahr schon gegeben hätte: hätte eine Sanierung auch über dieses Instrument erfolgen können - bzw. wäre eine Sanierung dann ggf. noch einfacher umzusetzen gewesen?

Ich denke nicht. Mit dem seit Jah­res­be­ginn zur Verfügung ste­hen­den Sta­bi­li­sie­rungs- und Re­struk­tu­rie­rungs­rah­men kann ein Un­ter­neh­men ge­richt­li­che Un­terstützung bei der Neu­ge­stal­tung sei­ner Schul­den in An­spruch neh­men. Sie können z. B. For­de­rungs­ver­zichte mit qua­li­fi­zier­ten Mehr­hei­ten (75 % Zu­stim­mung) durch­set­zen. Der Sta­bi­li­sie­rungs- und Re­struk­tu­rie­rungs­rah­men gibt Ih­nen aber nicht die Möglich­keit, in Verträge ein­zu­grei­fen. Miet­ver­trags­be­en­di­gun­gen, wie wir sie bei Ster­nenbäck vor­neh­men muss­ten, sind nicht möglich. Da­her war das Schutz­schirm­ver­fah­ren das Mit­tel der Wahl.

Herr Brückmann, was sind Ihre Lessons learned aus dieser Krise und was würden Sie anderen Unternehmen in einer derartigen Situation raten?

Ich habe dar­aus ge­lernt, künf­tig auch mögli­cher­weise zunächst un­lieb­sam er­schei­nende Ent­schei­dungs­al­ter­na­ti­ven den­noch in­ten­siv zu prüfen und nach er­folg­ter Ent­schei­dung für eine die­ser Al­ter­na­ti­ven diese ebenso kon­se­quent wie nach­hal­tig an­zu­ge­hen.

Zum Schluss nun noch eine persönliche Frage an Sie, Herr Brückmann: Haben Sie es als persönliches Scheitern empfunden, dass Sie Sanierungsmaßnahmen zur Rettung des Unternehmens einleiten mussten?

De­fi­ni­tiv! Wer will sich schon gerne – zu­mal bei an­hal­ten­der po­si­ti­ver Ge­schäfts­ent­wick­lung - ein­ge­ste­hen, dass er Hilfe benötigt. Aber die­ses Gefühl be­stand nur zu Be­ginn der Über­le­gun­gen, die­sen Weg zu ge­hen. Je in­ten­si­ver wir uns mit dem Thema be­schäftig­ten, desto schnel­ler wurde uns klar, dass dies für uns der ein­zig rich­tige Weg durch die Krise sein wird – und nun auch tatsäch­lich war.

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