Infolge der Corona-Pandemie sind Arbeitgeber und Arbeitnehmer mit zahlreichen arbeitsrechtlichen Fragen beschäftigt. So könnten ggf. temporäre Betriebsschließungen im Raum stehen und auch die Arbeitsauslastung leidet vielerorts. Mitarbeiter können sich u. a. mit der Anordnung von häuslicher Quarantäne oder einer Arbeitsverhinderung wegen Kinderbetreuung konfrontiert sehen
Welche Pflichten haben Arbeitgeber in Zeiten von Corona?
Dem Arbeitgeber obliegt es aufgrund der Fürsorgepflicht gegenüber seinen Arbeitnehmern, ihre gesundheitlichen Belange und ihre Interessen an einem effektiven Schutz gegen eine Ansteckung zu berücksichtigen, § 618 BGB i.V.m. § 3 ArbSchG. Wie eine solche Schutzpflicht genau aussieht, hängt hauptsächlich vom Tätigkeitsbereich des einzelnen Arbeitnehmers ab. Die Arbeitsschutzverordnung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (Corona-ArbSchV) gibt vor, welche Maßnahmen Arbeitgeber zum Schutze ihrer Mitarbeiter zu ergreifen haben.. Ob eine Pflicht zum Bereitstellen von Mund- und Nasenschutz besteht, ist umstritten; die aktuelle Arbeitsschutzverordnung verpflichtet jedoch Arbeitgeber zur Bereitstellung von medizinischen Gesichtsmasken, FFP2-Masken oder bestimmten, vergleichbaren Masken.
Was ist zu tun, wenn der Arbeitnehmer an Corona erkrankt?
Erkrankt ein Arbeitnehmer am Coronavirus, ist der Arbeitgeber - wie in jedem anderen Fall einer Erkrankung - aus seiner Fürsorgepflicht heraus verpflichtet, den Arbeitnehmer nach Hause zu schicken. Ebenso wie in jedem anderen Krankheitsfall erhält der Arbeitnehmer weiterhin für die Dauer von sechs Wochen das Arbeitsentgelt vom Arbeitgeber fortgezahlt.
Sofern keine andere arbeitsvertragliche Regelung getroffen wurde, ist der Arbeitnehmer verpflichtet, ab dem dritten Tag der Erkrankung ein ärztliches Attest vorzulegen. Dabei besteht keine Verpflichtung des Arbeitnehmers, dem Arbeitgeber den Grund seiner Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit mitzuteilen. Allerdings dürfte der Arbeitgeber infolge der Meldepflicht einer Infektion mit dem Coronavirus über Anfragen der Gesundheitsbehörden bezüglich Kontaktpersonen des erkrankten Arbeitnehmers schnell Kenntnis über die Infektion erlangen. Da es sich bei dem Coronavirus um eine Krankheit handelt, die zur Ansteckung von Kollegen und Kunden führen kann, steht dem Arbeitgeber ein Fragerecht gegenüber dem Arbeitnehmer zu, das diesen zur wahrheitsgemäßen Auskunft verpflichtet.
Haben Arbeitnehmer in Quarantäne Anspruch auf Entgelt?
Arbeitnehmer, bei denen infolge des Kontakts zu am Coronavirus Erkrankten eine häusliche Quarantäne durch die zuständige Behörde angeordnet wurde, um eine Infektion ausschließen zu können, haben keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall gegenüber dem Arbeitgeber. Soweit diese in der Quarantäne nicht im Home-Office arbeiten können, könnte auch vereinbart werden, dass die betreffenden Arbeitnehmer bestehende Urlaubstage verwenden oder Überstunden abbauen.
Falls dies nicht möglich oder erwünscht ist, können Arbeitnehmer im Falle einer behördlich verordneten Quarantäne bzw. eines behördlich verordneten Beschäftigungsverbots eine Entschädigungsleistung nach § 56 Abs. 1 Infektionsschutzgesetz vom Arbeitgeber beanspruchen. Die Entschädigung bemisst sich nach dem Verdienstausfall. Der Arbeitgeber kann einen Kostenerstattungsanspruch gegenüber der zuständigen Behörde geltend machen.
Haben Arbeitnehmer Anspruch auf Home-Office?
Ein Arbeitnehmer hat nach allgemein geltendem Recht nur Anspruch auf Arbeit im Home-Office, wenn dies vertraglich geregelt ist. Auch wenn ein Arbeitnehmer befürchtet, sich im Betrieb des Arbeitgebers mit dem Coronavirus anzustecken, besteht kein Anspruch darauf, die Arbeitsleistung im Home-Office zu erbringen. Vielmehr obliegt es dem Arbeitgeber im Rahmen seiner Fürsorgepflicht zu entscheiden, ob er dem Arbeitnehmer diese Möglichkeit anbietet oder ihn gar von der Arbeitsleistung freistellt.
Arbeitgeber und Arbeitnehmer können sich immer einvernehmlich einigen und so (auch befristet) Home-Office vereinbaren. Voraussetzung wird jedoch sein, dass der heimische Arbeitsplatz hinsichtlich seiner Ausstattung generell dazu geeignet ist, von dort aus der Arbeitspflicht nachzukommen.
Die aktuelle Arbeitsschutzverordnung sieht vor, dass der Arbeitgeber denjenigen Arbeitnehmern, die Büroarbeiten oder vergleichbaren Tätigkeiten ausführen, anzubieten hat, diese Tätigkeiten in deren Wohnung auszuführen. Dies dient der Kontaktreduktion im Betrieb. Die Pflicht greift nur, sofern keine zwingenden betriebsbedingten Gründe entgegenstehen. Die Bundesregierung legt es den Arbeitnehmern nahe, diese Angebot anzunehmen. Arbeiten im Homeoffice bzw. Mobiles Arbeiten kann jedoch nicht gegen den Willen des Arbeitnehmers angeordnet werde.
Darf ein Arbeitnehmer Dienstreisen verweigern?
Im Zuge der Coronapandemie stellt sich die Frage, ob Arbeitnehmer Dienstreisen verweigern können. Sofern für das Ziel der Dienstreise eine konkrete Reisewarnung vorliegt, kann der Arbeitnehmer den Antritt der Dienstreise verweigern. In allen anderen Fällen obliegt es dem Arbeitgeber, eine geplante Dienstreise des Arbeitnehmers abzusagen. Dabei hat der Arbeitgeber wiederum seine Fürsorgepflicht für den Arbeitnehmer zu beachten. Leidet dieser z. B. unter gesundheitlichen Vorerkrankungen, wird eine Dienstreise eher unzumutbar sein als in anderen Fällen. Unterhalb der Schwelle von Reisewarnungen kann die Weisung, eine Dienstreise anzutreten, „unbillig“ sein. Es ist also im Einzelfall eine Interessenabwägung mit den betrieblichen Belangen des Arbeitgebers vorzunehmen.
Hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Entgelt, wenn der Betrieb/die Tätigkeitsstätte aufgrund von Corona geschlossen wird?
Wird der Betrieb des Arbeitgebers oder die Tätigkeitsstätte des Arbeitnehmers infolge des Auftretens einer Infektion mit dem Coronavirus geschlossen, ist es dem Arbeitnehmer aus Gründen, die in der Sphäre des Arbeitgebers liegen, nicht möglich, seine Arbeitsleistung zu erbringen. Somit entsteht der Entgeltanspruch des Arbeitnehmers auch ohne die Erbringung der Arbeitsleistung.
Entsprechendes gilt auch dann, wenn der Arbeitgeber z. B. die Produktion nicht aufrechterhalten kann, weil Zulieferteile infolge von Grenzsperrungen oder Betriebsschließungen nicht rechtzeitig geliefert werden können. Auch hier kann der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung aus Gründen nicht erbringen, die dem Arbeitgeber zuzurechnen sind. Folglich hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Zahlung seines Entgelts.
Beruht die Schließung auf einer konkreten behördlichen Anordnung (eine Allgemeinverfügung ist nicht ausreichend), besteht ggf. für den Arbeitgeber die Möglichkeit eines Kostenerstattungsanspruchs gegenüber der zuständigen Behörde.
Hat ein Arbeitnehmer, der wegen der Betreuung seiner Kinder nicht zur Arbeit kommt Anspruch auf Entgelt?
Werden Schulen und Einrichtungen der Kleinkindbetreuung infolge einer Infektion mit dem Coronavirus oder als Vorsichtsmaßnahme geschlossen, können Arbeitnehmer oftmals mangels Kinderbetreuung nicht am Arbeitsplatz erscheinen. Sofern keine anderweitige Betreuung des Kindes möglich ist, hat der Arbeitnehmer dennoch einen Anspruch auf Arbeitsentgelt nach § 616 BGB. Dies gilt allerdings nur für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit. Wann eine Arbeitsverhinderung als nicht erheblich anzusehen ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls.
Der Gesetzgeber hat jedoch zwischenzeitlich einen Entschädigungsanspruch für Eltern geregelt, wenn diese durch einen Ausfall der Kinderbetreuung einen Verdienstausfall erleiden.
- Anspruchsinhaber sind erwerbstätige, sorgeberechtigte Selbstständige, Freiberufler oder angestellte Arbeitnehmer, deren Kinder das zwölfte Lebensjahr noch nicht vollendet haben oder deren Kinder aufgrund einer Behinderung auf Hilfe angewiesen sind.
- Der Entschädigungsanspruch besteht, wenn die Eltern keine anderweitige zumutbare Betreuungsmöglichkeit in Anspruch nehmen können bzw. der andere Elternteil nicht übernehmen kann. Auch müssen etwaige Gleitzeit- und Überstundenguthaben ausgeschöpft sein.
- Die Entschädigung wird allerdings nicht an Erwerbstätige gezahlt, die Kurzarbeitergeld bekommen, in dem Umfang, in dem sie ihre Arbeitszeit reduziert haben oder an Erwerbstätige, die bezahlt von der Arbeit fernbleiben können.
- Der Entschädigungsanspruch ist der Höhe nach auf 67 % des monatlichen Nettoeinkommens, höchstens jedoch 2.016 Euro beschränkt.
- Die Auszahlung erfolgt bei angestellten Arbeitnehmern für längstens zehn Wochen (bzw. bei allein betreuenden erwerbstätigen Personen bis zu 20 Wochen) über den Arbeitgeber. Selbstständige und Freiberufler müssen den Entschädigungsanspruch selbst gegenüber der jeweils zuständigen Behörde geltend machen.
- Der Arbeitgeber hat nach § 56 IfSG einen Erstattungsanspruch, wenn er innerhalb einer Frist von einem Jahr einen entsprechenden Antrag bei der zuständigen Behörde stellt.
- Durch das "Dritte Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite" wurde die Entschädigungsregelung für Elternbis zum 31.3.2021 verlängert. Darüber hinaus ist bei einem unter Quarantäne gestellten Kind ebenfalls eine Entschädigungszahlung möglich.
- Darüber hinaus wird das Kinderkrankengeld im Jahr 2021 für zehn zusätzliche Tage pro Elternteil (20 zusätzliche Tage für Alleinerziehende) gewährt, § 45 SGB V, wie der Bundestag am 14.1.2021 beschlossen hat. Die Zustimmung des Bundesrates erfolgte am 18.1.2021. Mit dem Gesetz soll das Kinderkrankengeld im Jahr 2021 pro Elternteil von zehn auf 20 Tage pro Kind, für Alleinerziehende von 20 auf 40 Tage pro Kind verdoppelt werden. Bei mehreren Kindern hat jeder Elternteil insgesamt einen Anspruch auf maximal 45 Arbeitstage. Für Alleinerziehende erhöht sich der Anspruch auf maximal 90 Arbeitstage. Dabei gilt der Anspruch auf Kinderkrankengeld auch ohne Erkrankung eines Kindes für die Fälle, in denen eine Betreuung des Kindes zu Hause erforderlich wird, weil die Schule oder der Kindergarten pandemiebedingt geschlossen ist oder die Präsenzpflicht im Unterricht ausgesetzt bzw. der Zugang zum Kinderbetreuungsangebot eingeschränkt wurde. Die Höhe des Kinderkrankengeldes beträgt in der Regel 90 Prozent des ausgefallenen Nettoarbeitsentgelts.
Kann der Arbeitgeber gesunde Arbeitnehmer zur Leistung von Überstunden verpflichten?
Grundsätzlich muss das Recht, Überstunden anordnen zu können, im Arbeitsvertrag, dem anwendbaren Tarifvertrag oder in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung festgelegt sein. Allerdings kann sich u. U. eine Pflicht zur Leistung von Überstunden für Arbeitnehmer ergeben, wenn der Betrieb ansonsten einen nicht unerheblichen Schaden erleiden würde. Es muss sich dabei um einen nicht anders abwendbaren Notfall handeln, der dem Grundsatz der Zumutbarkeit unterliegt. Außerdem sind die Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes zu beachten.
Darf der Arbeitgeber Überstundenabbau oder Zwangsurlaub verordnen?
Der Abbau von Überstunden kann vertraglich vereinbart sein und im Falle einer entsprechenden Klausel im Arbeitsvertrag auch angeordnet werden. Unabhängig davon kann der Arbeitgeber den Abbau von Überstunden anordnen, wenn dringende betriebliche Erfordernisse vorliegen. Dies ist im Falle der Corona-Krise und zur Vermeidung von Kurzarbeit, betriebsbedingten Kündigungen oder ähnlichem der Fall bzw. für den Anspruch auf Kurzarbeitergeld sogar kraft Gesetzes erforderlich.
Zwangsurlaub bedeutet, dass der Arbeitgeber einen oder mehrere Arbeitnehmer in den Urlaub schickt, obwohl diese keinen Antrag auf Erholungsurlaub gestellt haben. Der Arbeitgeber gibt in diesem Fall vor, wann und wie lange Urlaub zu nehmen ist. Dies darf er jedoch nicht ohne Weiteres. Das Gesetz verpflichtet dazu, die Wünsche des Arbeitnehmers bei der zeitlichen Festlegung immer zu berücksichtigen – es sei denn, "dringende betriebliche Belange" stehen dem entgegen. Auftragsmangel oder Störungen im Betriebsablauf legitimieren einen Zwangsurlaub grundsätzlich nicht, da es sich um Betriebsrisiken handelt, die der Arbeitgeber nicht auf den Arbeitnehmer abwälzen darf. Ob die Corona-Krise dringende betriebliche Belange begründen kann, wird bislang nicht einheitlich bewertet und wurde aufgrund der Neuartigkeit der Lage von den Gerichten bislang noch nicht entscheiden.
Der Arbeitgeber kann auch einheitlich für eine gewisse Zeit Urlaub anordnen. Die Einführung von Betriebsferien unterliegt der zwingenden Mitbestimmung des Betriebsrats. Wirksam eingeführte Betriebsferien begründen einen betrieblichen Belang, der zur Abweichung von Urlaubswünschen einzelner Arbeitnehmer berechtigt.