Infolge der Corona-Krise wurde das öffentliche Leben sukzessive eingeschränkt, wenn auch zwischenzeitlich gewisse Lockerungen galten. Beschränkungen von Veranstaltungen mit größerer Personenzahl dauern jedenfalls weiterhin an. Personenzusammenkünfte dürften auch noch geraume Zeit nur unter Auflagen möglich sein.
Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist nicht absehbar, wie lange durch die Auswirkungen der COVID-19-Krise Veranstaltungen reglementiert und damit auch herkömmliche Beschlussfassungen von Gesellschaften erschwert sein werden. Um die Handlungsfähigkeit von Gesellschaften mittels Beschlussfassung zu erhalten, wird zunehmend die Abhaltung von digitalen Versammlungen in Betracht gezogen.
Im Eilverfahren wurden Ende März 2020 mit dem Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht Regelungen verabschiedet, die unter anderem auch die Durchführbarkeit von Gesellschafterbeschlüssen vor dem Hintergrund der Einschränkungen der Versammlungsfreiheit ermöglichen sollten. Für Aktiengesellschaften (AG) und Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH) hat der Gesetzgeber hierin Sonderregelungen getroffen, deren Geltung bis Ende August 2022 verlängert wurde. Personenhandels- und BGB-Gesellschaften müssen sich allerdings mit geltendem Recht behelfen.
Digitale Hauptversammlung der AG
Erstmalig wurde für die AG auf gesetzlicher Grundlage die Möglichkeit einer „digitalen Hauptversammlung“ eröffnet. Diese kann virtuell, also ohne physische Präsenz von Aktionären oder Bevollmächtigten abgehalten werden, sofern
- die Bild- und Tonübertragung der gesamten Hauptversammlung erfolgt,
- die Stimmrechtsausübung der Aktionäre über elektronische Kommunikation (Briefwahl oder elektronische Teilnahme) sowie Vollmachtserteilung möglich ist,
- den Aktionären eine Fragemöglichkeit im Wege der elektronischen Kommunikation eingeräumt wird und die Beantwortung der Fragen nach pflichtgemäßem Ermessen erfolgt, und
- den Aktionären unter Verzicht auf das Erfordernis des Erscheinens in der Hauptversammlung eine Möglichkeit zum Widerspruch gegen einen Beschluss der Hauptversammlung eingeräumt wird.
Eine weitere Erleichterung findet sich in der verkürzten Einladungsfrist für die Einberufung der Hauptversammlung, spätestens am 21. Tag vor dem Tag der Versammlung.
Das neue Gesetz sieht zudem eine Verlängerung der Acht-Monatsfrist zur Durchführung der Hauptversammlung um vier Monate auf zwölf Monate vor. Da das Überschreiten der Acht-Monatsfrist zur Einberufung der Hauptversammlung die Rechtswirksamkeit der zu spät gefassten Hauptversammlungsbeschlüsse nicht berührt, gilt dies entsprechend auch für das Überschreiten der nunmehr auf zwölf Monate verlängerten Frist. Beruft der Vorstand schuldhaft eine Hauptversammlung nicht rechtzeitig ein, drohen Haftungsrisiken oder eine Sanktionierung des Vorstandes.
Gesellschafterversammlung der GmbH
Für die Gesellschafter der GmbH sieht der Gesetzgeber während der Pandemie die Möglichkeit einer digitalen Versammlung nicht vor. Aber auch hier gelten Erleichterungen und zwar im Hinblick auf die Beschlussfassung im Umlaufverfahren. In Ermangelung besonderer Regelungen im Gesellschaftsvertrag eröffnet das Gesetz schon jetzt zwei Möglichkeiten der vereinfachten Beschlussfassung für die GmbH: (1), wenn alle Gesellschafter in Textform dem Beschlussantrag zustimmen, oder (2) wenn sich alle Gesellschafter mit der schriftlichen Abgabe der Stimmen einverstanden erklären. Das darin enthaltene Erfordernis der Einstimmigkeit führt dazu, dass ein einzelner Gesellschafter die Handlungsfähigkeit der Gesellschaft einschränken kann. Nach der neuen Regelung können abweichend hiervon Beschlüsse der Gesellschafter in Textform oder durch schriftliche Abgabe der Stimmen auch ohne Einverständnis sämtlicher Gesellschafter gefasst werden. Welches Mehrheitserfordernis anstelle der Einstimmigkeit gefordert wird, lässt sich dem neuen Gesetz nicht entnehmen. In der Praxis ist wohl entsprechend dem Beschlussgegenstand eine einfache oder qualifizierte Mehrheit zu empfehlen. Soweit sich eine Präsenzpflicht aus dem Gesetz ergibt, wie z. B. bei notariell zu beurkundenden Gesellschafterbeschlüssen oder nach dem Umwandlungsgesetz bei Verschmelzung, Spaltung und Formwechsel, dürfte die Ausnahmeregelung indes nicht gelten.
Beschlüsse der BGB-Gesellschaft und der Personenhandelsgesellschaften
Zu Beschlussfassungen bei der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) und den Personenhandelsgesellschaften, der offenen Handelsgesellschaft (OHG) und der Kommanditgesellschaft (KG) einschließlich der GmbH & Co. KG, enthält das Pandemie-Gesetz keine Regelung. Hier sind Lösungen mit Hilfe der bestehenden Rechtslage zu suchen. Ausgangspunkt ist immer die im Gesellschaftsvertrag getroffene Regelung.
Im Unterschied zur AG und GmbH ist die Gesellschafterversammlung der GbR aber kein Gesellschaftsorgan. Ihr sind keine eigenen Kompetenzen kraft Gesetzes zugewiesen. Soweit der Gesellschaftsvertrag keine entgegenstehenden formalen Anforderungen enthält, sind Beschlüsse der GbR-Gesellschafter, ebenso wie bei den Personenhandelsgesellschaften OHG und KG, grundsätzlich formfrei möglich. Sie können nicht nur in der Gesellschafterversammlung, sondern auch im Umlaufverfahren, schriftlich, mündlich oder anderweitig, etwa mittels Video- oder Telefonkonferenz getroffen werden. Allerdings ist das Einstimmigkeitsprinzip - vorbehaltlich anderer Regelung im Gesellschaftsvertrag - zu beachten. Teilweise wird in der Literatur angenommen, die o. g. Erleichterungen des COVID-19-Gesetzes zur Beschlussfassung im Umlaufverfahren bei der GmbH seien entsprechend auf die Personengesellschaft anzuwenden, wenn der Gesellschaftsvertrag von dem gesetzlichen Einstimmigkeitserfordernis abweicht. Einzuhaltende gesetzliche Vorschriften hinsichtlich des Beschlussgegenstands, wie etwa die Beurkundungspflicht, sind selbstverständlich ebenso zu berücksichtigen.
Besonderheiten bei der GmbH & Co. KG ergeben sich aus der Struktur der Herbeiführung von Beschlüssen in zwei Gesellschaften, für die KG und die GmbH-Komplementärin. Synchronisierung erfolgt hier durch Abstimmung der Gesellschaftsverträge und Beschlussverfahren.
Fazit
Festzuhalten bleibt für alle Rechtsformen, dass für die Zukunft jedenfalls empfehlenswert ist, Regelungen zur digitalen Beschlussfassung in den Gesellschaftsvertrag aufzunehmen.