Wenn der Kunde bei derartigen Verträgen seine Abnahmepflicht auch nur teilweise nicht erfüllen kann, drohen hohe Kosten. Aber auch bei Energielieferverträgen ohne take-or-pay Klauseln ist einiges zu beachten, wenn der Energieverbrauch - wie derzeit bei zahlreichen Großabnehmern - rückläufig ist. Zudem hilft der Gesetzgeber in der Corona-Krise Verbrauchern und Kleinstunternehmern, die ihre Strom- oder Gasrechnung nicht zahlen können, mit einer befristeten Sonderregelung.
Energielieferverträge mit take-or-pay Klauseln
Energielieferverträge mit take-or-pay Klauseln sind dadurch gekennzeichnet, dass der Kunde die angebotene Energie auch dann bezahlen muss, wenn er sie nicht abnimmt. Derartige Verträge sind in der Energiewirtschaft üblich und grundsätzlich nicht zu beanstanden. Was passiert aber, wenn der Kunde seine Abnahmeverpflichtung aus Gründen nicht erfüllen kann, die er nicht beeinflussen kann, weil bspw. sein Betrieb infolge der Corona-Krise eingestellt ist oder nicht produzieren kann, weil keine Vorprodukte geliefert wurden oder er seine Produkte nicht absetzen kann?
Die Auswirkungen der derzeitigen Krise auf das Wirtschaftsleben sind derart vielfältig, dass sich generalisierende Betrachtungen verbieten. Man kann allenfalls festhalten, dass der Ausbruch des Coronavirus national und international als ein Ereignis höherer Gewalt angesehen werden muss. Energieverbraucher sollten ihre Lieferanten frühzeitig kontaktieren und Regelungen anbieten, wie mit zeitweise verringertem Energieverbrauch umgegangen werden kann. Denkbar ist, diese Mengen später zu verbrauchen oder gemeinsam mit dem Lieferanten zu versuchen, die Mengen anderweitig zu vermarkten, um hohe Schäden zu vermeiden. Kommt es zum Streit, ist die Vertragspartei im Vorteil, die nachweisen kann, dass sie sich aktiv um eine Schadensminderung bemüht hat.
Energielieferverträge ohne take-or-pay Klauseln bei geminderter Abnahmemenge
Auch aus Energielieferverträgen ohne take-or-pay Klauseln ergeben sich für die Vertragspartner Pflichten, wenn sich abzeichnet, dass es Abweichungen vom normalen Verbrauchsverhalten geben wird. Die meisten Energielieferverträge mit Großverbrauchern in Industrie oder Gewerbe sehen Regelungen vor, nach denen der Kunde verpflichtet ist, dem Lieferanten drohende Abweichungen vom üblichen Verbrauch mitzuteilen. Die Erfüllung dieser Pflicht ist für den Lieferanten enorm wichtig, damit er wiederum seine Prognose für den Energieeinkauf korrigieren kann. Verletzt der Kunde die Mitteilungspflicht, können hohe Schäden entstehen.
Auch hier empfehlen wir, das Gespräch miteinander zu suchen. Energieverbraucher tun gut daran, ihre Lieferanten möglichst umgehend über anstehende Änderungen beim Energieverbrauch zu informieren. Energielieferanten empfehlen wir, auf Kunden zuzugehen und sich proaktiv nach möglichen Änderungen des Abnahmeverhaltens zu erkundigen.
Verringerte Abnahmemenge im Verhältnis zum Netzbetreiber
Auch im Verhältnis zu Netzbetreibern können sich für Energieverbraucher negative Folgen aus der Verringerung der Energieabnahme ergeben. Wenn an einer Abnahmestelle im Jahr mehr als 30.000 kWh Strom entnommen werden und die höchste Leistung in zwei Monaten des Jahres 30 kW überschreitet, ist nur eine verringerte Konzessionsabgabe zu zahlen. Wenn diese Grenzen nicht erreicht werden, wird die höhere Konzessionsabgabe fällig. Die Konzessionsabgabenverordnung sieht keine Ausnahmen für den Fall vor, dass der Kunde die Grenzen aus Gründen nicht erreicht, die er nicht zu vertreten hat.
Nach § 19 Abs. 2 Stromnetzentgeltverordnung kann ein Letztverbraucher eine Absenkung des Netzentgelts verlangen, wenn er die dort geregelten Grenzen (Mindestabnahme 10 GWh/Jahr; min. 7.000 Vollbenutzungsstunden) überschreitet.
Die Bundesregierung hat am 19.8.2020 eine Verordnung erlassen (Verordnung zur Umsetzung pandemiebedingter und weiterer Anpassungen in Rechtsverordnungen auf Grundlage des Energiewirtschaftsgesetzes, BR-Drs. 464/20), die jedenfalls den Unternehmen hilft, die von verringerten Netzentgelten gemäß § 19 Abs. 2 StromNEV profitieren. Der Bundesrat hat der Verordnung am 9.10.2020 zugestimmt. Wenn bis zum 30.9.2019 eine wirksame Vereinbarung nach § 19 Abs. 2 StromNEV bei der Bundesnetzagentur angezeigt war und die Voraussetzungen im Jahr 2019 erfüllt waren, wird für das Jahr 2020 hinsichtlich der tatsächlichen Erfüllung der Vorgaben auf die Werte des Jahres 2019 abgestellt. Um für etwaige Auseinandersetzungen gewappnet zu sein, empfiehlt es sich unabhängig davon, Verbrauchsrückgänge und ihre Ursachen sorgfältig zu dokumentieren.
Unterstützung für Verbraucher und Kleinstunternehmen
Der Gesetzgeber hatte Vorkehrungen dagegen getroffen, dass Verbrauchern und Kleinstunternehmen, die aufgrund der Corona-Krise in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten, nicht die Energie- oder Wasserversorgung gesperrt wird. Mit dem Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht vom 27.3.2020 (BGBl. I 2020, S. 569) wird angeordnet, dass Verbraucher und Kleinstunternehmer bis zum 30.6.2020 Leistungen aus Dauerschuldverhältnissen verweigern durften, wenn sie die Entgeltzahlungen nicht erbringen konnten ohne ihren Lebensunterhalt bzw. ihre wirtschaftliche Existenz zu gefährden und dies seine Ursache in der Corona-Krise hatte. Dieses Leistungsverweigerungsrecht bezog sich auf alle „wesentlichen Verträge“. In der Begründung zum Gesetzentwurf sind ausdrücklich Verträge über Energie- oder Wasserlieferungen sowie über Kommunikationsleistungen genannt. Der Gesetzgeber hat die Frist nicht verlängert, so dass das Leistungsverweigerungsrecht mit dem 30.6.2020 ausgelaufen ist.