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Wirtschaftsprüfung

Auswirkungen der Corona-Krise auf die handelsrechtliche Rechnungslegung

Die Corona-Pan­de­mie stellt an­ge­sichts gestörter Lie­fer­ket­ten, Pro­duk­ti­ons­stillständen, Um­satz­einbrüchen, Li­qui­ditätsengpässen und der doch er­heb­li­chen Dauer des Shut­downs bzw. der nun an­ste­hen­den Re­ku­pera­tion eine er­heb­li­che Her­aus­for­de­rung für die Re­al­wirt­schaft und ins­be­son­dere ein­zelne Bran­chen dar. Dies hat auch ent­spre­chende Aus­wir­kun­gen auf die han­dels­recht­li­che Fi­nanz­be­richt­er­stat­tung.

Wertbegründendes Ereignis nach dem Bilanzstichtag 

Wenn­gleich er­ste Krank­heitsfälle be­reits im De­zem­ber 2019 in Wu­han/China auf­tra­ten, ist das Coro­na­vi­rus nur als wert­begründen­des Er­eig­nis für das Fol­ge­jahr ein­zu­stu­fen. Darüber be­steht in der Li­te­ra­tur Ei­nig­keit. Diese Sicht­weise ist da­durch begründet, dass sämt­li­che Fol­gen (z. B. sprung­haf­ter An­stieg der In­fek­tio­nen, Schließung von Be­trie­ben, Be­schränkun­gen für Han­del und Rei­sen), die zu den ge­genwärti­gen wirt­schaft­li­chen Aus­wir­kun­gen geführt ha­ben, erst im Ja­nuar 2020 ein­ge­tre­ten sind. Auf­grund des Stich­tags­prin­zips kann des­halb eine bi­lan­zi­elle Berück­sich­ti­gung erst in Jah­res­ab­schlüssen mit Stich­tag nach dem 31.12.2019 er­fol­gen. Un­abhängig da­von ist al­ler­dings für den Jah­res­ab­schluss 2019 in der Re­gel eine Be­richt­er­stat­tung im An­hang und La­ge­be­richt er­for­der­lich.

Auswirkungen der Corona-Krise auf die handelsrechtliche Rechnungslegung © iStock

Berichterstattung im (Konzern-)Anhang

Bei Vor­lie­gen ei­nes wert­begründen­den Er­eig­nis­ses dürfte zu­meist im Rah­men des Nach­trags­be­richts über die fi­nan­zi­el­len Aus­wir­kun­gen der Corona-Pan­de­mie auf die Vermögens-, Fi­nanz- und Er­trags­lage zu be­rich­ten sein, da die wirt­schaft­li­chen Kon­se­quen­zen aus der Corona-Krise für das je­wei­lige Un­ter­neh­men von be­son­de­rer Be­deu­tung sind. Je nach in­di­vi­du­el­ler Be­trof­fen­heit des Un­ter­neh­mens ist dies dann er­for­der­lich, wenn die Ent­wick­lung nach dem Ab­schluss­stich­tag ohne einen Nach­trags­be­richt von den Ab­schluss­adres­sa­ten we­sent­lich an­ders be­ur­teilt wer­den würde. Aus­rei­chend dürf­ten ver­bale Erläute­run­gen sein, da sich der­zeit in vie­len Fällen die Aus­wir­kun­gen der Corona-Krise nicht quan­ti­fi­zie­ren las­sen. Zur Ver­mei­dung von Re­dun­dan­zen kann vom An­hang auf Erläute­run­gen im La­ge­be­richt ver­wie­sen wer­den (vgl. IDW, Fach­li­cher Hin­weis (Teil III) vom 8.4.2020).

Man­gels ausdrück­li­cher ge­setz­li­cher Re­ge­lung brau­chen Klein­st­ka­pi­tal­ge­sell­schaf­ten und nicht haf­tungs­be­schränkte Per­so­nen­han­dels­ge­sell­schaf­ten so­wie in­folge der Be­frei­ungs­re­ge­lung in § 288 Abs. 1 HGB kleine Ka­pi­tal­ge­sell­schaf­ten kei­nen Nach­trags­be­richt auf­zu­stel­len.

Berichterstattung im (Konzern-)Lagebericht

Re­gelmäßig wird im Ri­si­ko­be­richt über die Corona-Krise zu be­rich­ten sein, vor­aus­ge­setzt, es han­delt sich aus Sicht des Un­ter­neh­mens um ein we­sent­li­ches Ein­zel­ri­siko. Darüber hin­aus müssen die mögli­chen wei­te­ren Ent­wick­lun­gen ge­eig­net sein, um zu ne­ga­ti­ven Ab­wei­chun­gen von Pro­gno­sen oder Zie­len des Un­ter­neh­mens zu führen. Die Ri­si­ken sind zu quan­ti­fi­zie­ren, so­fern dies auch zur in­ter­nen Steue­rung er­folgt und diese quan­ti­ta­ti­ven An­ga­ben für den verständi­gen Adres­sa­ten we­sent­lich sind (DRS 20.152) und segment­spe­zi­fi­sch dar­zu­stel­len. Even­tu­elle Ri­si­ko­be­gren­zungsmaßnah­men sind auf­zuführen.

Wurde der Ab­schluss zulässi­ger­weise un­ter Zu­grun­de­le­gung der Go­ing-Con­cern-Prämisse auf­ge­stellt, be­ste­hen aber den­noch we­sent­li­che Un­si­cher­hei­ten im Zu­sam­men­hang mit der Corona-Krise, die be­deut­same Zwei­fel an der Fähig­keit des Un­ter­neh­mens zur Fortführung auf­wer­fen können (be­stands­gefähr­dende Ri­si­ken), müssen diese Tat­sa­chen (z. B. Un­si­cher­hei­ten zur Dauer des Shut­down/der Re­ku­pera­tion, Li­qui­ditätsengpässe) so­wie der Um­gang mit die­sen Ri­si­ken im An­hang und im La­ge­be­richt (so­fern vor­han­den) klar und ein­deu­tig be­nannt wer­den. Um Re­dun­dan­zen zu ver­mei­den, kann im An­hang auf ent­spre­chende Erläute­run­gen im La­ge­be­richt (Ri­si­ko­be­richt) ver­wie­sen wer­den. Bei Nicht­vor­lie­gen ei­nes An­hangs (z. B. bei Klein­st­ka­pi­tal­ge­sell­schaf­ten, bei In­an­spruch­nahme von Auf­stel­lungs­er­leich­te­run­gen nach § 264 Abs. 3 bzw. § 264b HGB) sind die Erläute­run­gen un­ter dem Bi­lanz­strich vor­zu­neh­men.

Im Pro­gno­se­be­richt ist eine be­reits geänderte Ein­schätzung der ge­setz­li­chen Ver­tre­ter zu den be­deut­sams­ten Leis­tungs­in­di­ka­to­ren (z. B. Er­geb­nis vor Steu­ern, EBIT-Marge, RoCE, Be­schäfti­gung) in­folge der Corona-Krise sach­ge­recht zu berück­sich­ti­gen. Auf­grund der mit den ge­samt­wirt­schaft­li­chen Rah­men­be­din­gun­gen ein­her­ge­hen­den, außer­gewöhn­lich ho­hen Un­si­cher­heit hin­sicht­lich der zukünf­ti­gen Ent­wick­lung dürfte bei vie­len Un­ter­neh­men die Pro­gno­sefähig­keit we­sent­lich be­einträch­tigt sein. In einem sol­chen Fall kann gemäß DRS 20.133 bei der Dar­stel­lung der vor­aus­sicht­li­chen Ent­wick­lung der be­deut­sams­ten Leis­tungs­in­di­ka­to­ren auf die Auf­nahme von Punkt-, In­ter­vall- oder qua­li­fi­ziert-kom­pa­ra­ti­ven Pro­gno­sen ver­zich­tet wer­den. Statt­des­sen genügt die Be­richt­er­stat­tung in Form von kom­pa­ra­ti­ven Pro­gno­sen (Ver­deut­li­chung der er­war­te­ten Verände­rung wie z. B. „sinkt“, „fällt“) bzw. durch Zu­kunfts­sze­na­rien un­ter An­gabe der je­wei­li­gen An­nah­men. Ein völli­ger Ver­zicht auf eine Pro­gno­se­be­richt­er­stat­tung ist je­doch nicht zulässig.

Notwendigkeit von Aktualisierungen

Der Ab­schlussprüfer hat in der Corona-Krise ein be­son­de­res Au­gen­merk auf die Ak­tua­li­sie­rung re­le­van­ter Er­kennt­nisse und Er­eig­nisse im An­hang (Nach­trags­be­richt) und La­ge­be­richt zu le­gen, die zwi­schen dem (vorläufi­gen) Auf­stel­lungs­zeit­punkt und dem Da­tum der Er­tei­lung des Bestäti­gungs­ver­merks lie­gen. Dies gilt ins­be­son­dere auch dann, wenn bis zum Zeit­punkt der Aus­lie­fe­rung des Bestäti­gungs­ver­merks ein nicht un­be­acht­li­cher Zeit­raum liegt. Auf­grund der dy­na­mi­schen Ent­wick­lung der Corona-Krise können in die­sem Fall wei­tere An­pas­sun­gen im An­hang und La­ge­be­richt er­for­der­lich sein. In­so­fern kann sich das Testats­da­tum nach hin­ten ver­schie­ben. Nach dem Da­tum des Bestäti­gungs­ver­merks ist der Ab­schlussprüfer grundsätz­lich nicht ver­pflich­tet, wei­tere Prüfungs­hand­lun­gen/Nach­for­schun­gen vor­zu­neh­men (vgl. IDW PS 203 Tz 18 ff.).

We­gen der Corona-Krise kann es er­for­der­lich sein, ggf. auch im An­hang (Nach­trags­be­richt) über Er­eig­nisse zu be­rich­ten, die im Zeit­raum zwi­schen der Er­tei­lung des Bestäti­gungs­ver­merks und dem (ge­plan­ten) Da­tum der Fest­stel­lung des Jah­res­ab­schlus­ses ein­tre­ten. Der Jah­res­ab­schluss un­ter­liegt da­bei vor Fest­stel­lung re­gelmäßig auch ei­ner Prüfungs­pflicht bzw. Ein­fluss­nahme durch das je­wei­lige Über­wa­chungs­or­gan (z. B. bei Ak­ti­en­ge­sell­schaf­ten in­folge der Prüfungs­pflicht nach § 171 Abs. 1 und 2 AktG; bei GmbHs in­folge der grundsätz­li­chen Möglich­keit zur Ein­fluss­nahme auf den Jah­res­ab­schluss durch die Ge­sell­schaf­ter­ver­samm­lung bzw. bei von Ge­set­zes we­gen be­ste­hen­den Auf­sichtsräten/fa­kul­ta­ti­ven Auf­sichtsräten mit ent­spre­chen­dem Re­ge­lungs­um­fang). So­fern nach dem Bi­lanz­stich­tag wert­begründende Er­eig­nisse von be­son­de­rer Be­deu­tung für die Vermögens-, Fi­nanz- und Er­trags­lage des Un­ter­neh­mens vor­lie­gen, was in der der­zei­ti­gen Krise re­gelmäßig der Fall sein dürfte, kann das Über­wa­chungs­or­gan (z. B. Auf­sichts­rat) bei sol­chen Er­eig­nis­sen die Fest­stel­lung des Jah­res­ab­schlus­ses ver­sa­gen. Die Ak­tua­li­sie­rung des Nach­trags­be­richts kann aus Sicht ei­nes Auf­sichts­rats bspw. dann er­for­der­lich sein, wenn be­reits im Vor­feld eine Ge­winn­aus­schüttung in be­stimm­ter Höhe an­gekündigt wurde und nun­mehr we­gen der Corona-Krise eine An­pas­sung der Ge­winn­ver­wen­dung er­fol­gen muss. Auch die An­pas­sung der Pro­gnose im Rah­men ei­ner Ad­hoc-Mit­tei­lung, ins­be­son­dere wenn dies ein Ta­ges­ord­nungs­punkt auf der glei­chen Sit­zung des Auf­sichts­or­gans ist, kann zu er­for­der­li­chen An­pas­sun­gen im Nach­trags­be­richt führen.

Des­halb sollte der Ab­schlussprüfer die für die Fest­stel­lung Ver­ant­wort­li­chen vor die­sem Da­tum − so­fern ihm be­kannt ge­wor­den − auf geänderte Umstände we­gen der dy­na­mi­schen Ent­wick­lung der Corona-Krise mit ggf. er­heb­li­cher Be­deu­tung für das geprüfte Un­ter­neh­men hin­wei­sen. Ein Wi­der­ruf des Bestäti­gungs­ver­merks durch den Ab­schlussprüfer ist in sol­chen Fällen nicht not­wen­dig.

Wird je­doch der Jah­res­ab­schluss nach Vor­lage des Prüfungs­be­richts durch das Un­ter­neh­men geändert, muss der Ab­schlussprüfer den geänder­ten Jah­res­ab­schluss im Wege ei­ner Nach­tragsprüfung (§ 316 Abs. 3 Satz 1 HGB) prüfen, so­weit die Ände­rung reicht. Um ein sol­ches Sze­na­rio zu ver­mei­den, sollte die Auf­stel­lung des Jah­res­ab­schlus­ses, die Er­tei­lung des zu­gehöri­gen Bestäti­gungs­ver­merks und die Fest­stel­lung zeit­nah vor­ge­nom­men wer­den. Vor­aus­set­zung hierfür ist je­doch, dass der Ab­schlussprüfer in Ab­stim­mung mit dem Un­ter­neh­men kurz vor dem Da­tum der Fest­stel­lung ein Corona-Up­date für den Jah­res­ab­schluss vor­nimmt und dem Auf­sichts­or­gan genügend Zeit für eine Be­fas­sung mit der Up­date-Fas­sung ver­bleibt (Möglich­keit zur Durch­sicht ein bis zwei Tage vor Fest­stel­lung, Ta­ges­ord­nungs­punkt Corona-Krise vor der Fest­stel­lung in der Sit­zung des Auf­sichts­or­gans).

Dies gilt auch für die Bil­li­gung des Kon­zern­ab­schlus­ses und einen zu­gehöri­gen La­ge­be­richt/Kon­zern­la­ge­be­richt.

Hin­weis: Der La­ge­be­richt ist nicht Teil des Jah­res­ab­schlus­ses und in­so­fern nicht fest­zu­stel­len. Gleich­wohl wird in der Pra­xis im Re­gel­fall eine ggf. not­wen­dige An­pas­sung des La­ge­be­richts vor dem Hin­ter­grund des fak­ti­schen Drucks bei ei­ner ab­wei­chen­den Auf­fas­sung des Auf­sichts­or­gans er­fol­gen.

Folgeperioden 

Für nach dem 31.12.2019 en­dende Be­richts­pe­rio­den (dies gilt re­gelmäßig für Quar­tals­ab­schlüsse zum 31.3.2020) ist da­von aus­zu­ge­hen, dass auch nach dem Ab­schluss­stich­tag ge­won­nene Er­kennt­nisse über die Aus­wir­kun­gen der Corona-Krise als „wert­er­hel­lend“ im Rah­men der Bi­lan­zie­rung zu berück­sich­ti­gen sind.

Während sich also die wirt­schaft­li­chen Aus­wir­kun­gen der Corona-Krise zum Ab­schluss­stich­tag 31.12.2019 nur im An­hang (Nach­trags­be­richt) und im La­ge­be­richt nie­der­schla­gen, sind für nach dem 31.12.2019 en­dende Ge­schäfts­jahre re­gelmäßig zahl­rei­che Pos­ten in Bi­lanz und GuV be­trof­fen. Diese bedürfen ei­ner sorgfälti­gen Ana­lyse. Von be­son­de­rer Be­deu­tung sind ins­be­son­dere die Aus­wir­kun­gen von Per­so­nal- und/oder Ar­beits­zeitmaßnah­men (z. B. Kurz­ar­bei­ter­geld), die Gewährung von (staat­li­chen) Li­qui­ditäts- und Un­terstützungs­leis­tun­gen (z. B. Zu­schüsse, Kre­dite), rück­wir­kend zu berück­sich­ti­gende Sa­nie­rungsmaßnah­men, außer­planmäßige Ab­schrei­bun­gen von Ak­tiv­pos­ten (z. B. Ge­schäfts- oder Fir­men­werte,Be­tei­li­gun­gen), Eli­mi­nie­rung von Leer­kos­ten bei der Vor­rats­be­wer­tung so­wie Droh- und Re­struk­tu­rie­rungsrück­stel­lun­gen.

Hier dürf­ten in vie­len Fällen die Vor­aus­set­zun­gen zur Ab­wei­chung vom Grund­satz der An­satz- und Be­wer­tungs­ste­tig­keit ge­ge­ben sein (z. B. ver­bes­ser­ter Ein­blick in die Vermögens-, Fi­nanz- und Er­trags­lage durch die (zulässige) He­bung stil­ler Re­ser­ven als Re­ak­tion auf die bi­lan­zi­el­len Aus­wir­kun­gen der Corona-Krise).

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