Bilanzierung nach Handelsrecht
Beim Bezug von Kurzarbeitergeld tritt der Arbeitgeber praktisch als Treuhänder auf, der die Zahlungsabwicklung übernimmt und für die Agentur für Arbeit in Vorleistung geht. Wurde Kurzarbeit angezeigt oder wird diese mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit innerhalb von drei Monaten fristgerecht eingereicht werden und liegen die gesetzlichen Voraussetzungen vor, hat der Arbeitgeber für die monatlichen Vorleistungen einen Erstattungsanspruch gegenüber der Agentur für Arbeit und weist dafür eine Forderung aus. Die Agentur für Arbeit hat für die Gewährung des Kurzarbeitergelds unter Vorbehalt keinen Ermessensspielraum, was der Aktivierung somit nicht entgegensteht. Es handelt sich dabei um einen durchlaufenden Posten, der die Gewinn- und Verlustrechnung nicht berührt, sondern sich auf den Bilanzkonten niederschlägt.
Der Anspruch auf Erstattung von Sozialversicherungsbeiträgen, der für Arbeitsausfälle bis 31.12.2020 während des Kurzarbeitergeldbezugs beansprucht werden kann, ist hingegen, da es sich um nicht rückzahlbare Zuwendungen handelt, als Aufwandszuschuss einzuordnen und als sonstiger betrieblicher Ertrag zu erfassen. Alternativ kann er mit dem Personalaufwand verrechnet werden. Eine ertragswirksame Erfassung knüpft an die Erfüllung der Voraussetzungen und die Verrechnung mit den korrespondierenden Aufwendungen aus der Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge an, sodass die Realisation über die relevanten Perioden hinweg erfolgt. Die Forderung ist basierend auf dem Zeitraum der angezeigten Kurzarbeit zu bewerten. Ist dieser Zeitraum länger als ein Monat, muss ein passiver Rechnungsabgrenzungsposten gebildet und über die Folgeperioden ratierlich aufgelöst werden. Zudem ist für die bilanzielle Abbildung der Erstattung eine Erläuterung im Anhang laut § 284 Abs. 2 Nr. 1 HGB vorzunehmen.
Tritt der Fall ein, dass nicht rückzahlbare Zuwendungen schon ausgezahlt wurden, obwohl es (noch) an den Voraussetzungen fehlt, ist eine sonstige Verbindlichkeit zu passivieren.
Auch wenn Erstattungen seitens der Agentur für Arbeit unter Vorbehalt gezahlt werden, ist dafür keine Rückstellung wegen einer potenziellen Rückzahlungsverpflichtung zu bilden.
Für zukünftig zu zahlende verminderte Löhne und Gehälter ist ebenfalls keine Rückstellung zu bilden, weil die Ausgeglichenheitsvermutung des Arbeitsverhältnisses gilt.
Bilanzierung nach internationalen Rechnungslegungsstandards
Der Anspruch auf Erstattung des Kurzarbeitergeldes ist als „virtually certain“ anzusehen, sodass auch bei einer Bilanzierung nach den IFRS ein Ausweis als Forderung geboten erscheint. Die Erstattung von Sozialversicherungsbeiträge ist eine erfolgsbezogene Zuwendung der öffentlichen Hand, die bei Beantragung als Forderung gegenüber der Agentur für Arbeit ausgewiesen und planmäßig erfolgswirksam erfasst werden sollte. Dies kann entweder durch einen sonstigen betrieblichen Ertrag oder über eine Verrechnung mit den Aufwendungen erfolgen. Wie auch nach deutschem Handelsrecht ist bei einer mehrmonatigen Laufzeit der Kurzarbeit ein Rechnungsabgrenzungsposten zu bilden.
Hinsichtlich der Rückstellungsbildung gelten im Ergebnis dieselben Schlussfolgerungen wie bei der Bilanzierung nach deutschem Handelsrecht: Für eine etwaige Rückzahlungsverpflichtung ist keine Rückstellung notwendig. Auf die umfangreichen Anhangsangaben für einen Zuschuss ist ebenfalls zu achten (IAS 20.39).
Potenzielle Rückzahlungsverpflichtung
Eine potenzielle Rückzahlungsverpflichtung durch die Gewährung von Kurzarbeitergeld unter Vorbehalt ist im Handelsrecht zunächst nicht zu passivieren. Auch ist eine potenzielle Rückzahlungsverpflichtung nach internationalen Rechnungslegungsstandards regelmäßig noch nicht hinreichend sicher, da nicht genügend substantielle Hinweise im Gewährungszeitpunkt vorliegen.
Negative Arbeitszeitkonten
Es handelt sich bei negativen Arbeitszeitkonten um einen Lohn- und Gehaltsvorschuss des Arbeitgebers, wenn auf beiden Seiten Einigkeit darüber besteht, dass es sich um einen Vorschuss handelt. Arbeitszeitdefizite können einen (späteren) wirtschaftlichen Nutzen stiften und sind selbstständig bewertbar, da das Unternehmen die relevanten Informationen besitzt. Somit sind negative Arbeitszeitkonten nach Handelsrecht als sonstige Vermögensgegenstände anzusetzen. Gemäß IAS 19.11 (a) sind negative Arbeitszeitkonten zu aktivieren, wenn eine Reduzierung künftiger Zahlungen oder ein Rückzahlungsanspruch hinreichend sicher ist.
Freiwillige Aufstockungsbeträge des Arbeitgebers
Insbesondere bei tarifvertraglich vereinbarter Kurzarbeit sind häufig Zuschüsse des Arbeitgebers zum Kurzarbeitergeld vorgesehen. Gewährt der Arbeitgeber zusätzlich freiwillige Aufstockungsbeträge, die nicht arbeitsvertraglich vorgesehen sind, gehen diese über das Dienstverhältnis hinaus. Da kein Erstattungsanspruch gegenüber der Agentur für Arbeit besteht und keine Gegenleistung des Arbeitnehmers erfolgt, ist die unkompensierte Last handelsrechtlich als Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten zu passivieren. Dies setzt insbesondere eine Bindungswirkung der Maßnahme gegenüber den Arbeitnehmern voraus. Entsprechendes gilt nach IFRS: Wurde beim betroffenen Mitarbeiter die gerechtfertigte Erwartung für diese (Zusatz-)Leistung geweckt, ist eine faktische Verpflichtung begründet und damit zu passivieren.
Darüber hinaus ist die angeordnete Reduzierung der Arbeitszeitkonten durch einen Verbrauch der Personalrückstellungen abzubilden, und ggf. entstehende negative Arbeitszeitkonten sind aktivisch abzugrenzen, wenn beide Seiten sich einig sind, dass es sich um einen Gehaltsvorschuss handelt.
Hinweis
Weitere Informationen zum Kurzarbeitergeld, insb. zur befristeten Erhöhung und zu den modifizierten Voraussetzungen, finden Sie auf unserer Website ebnerstolz.de im Corona A bis Z.