Das Ende März 2020 eilig verabschiedete Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie schränkte zwar das Kündigungsrecht des Vermieters ein, die Mietzahlungspflicht sollte durch das Gesetz jedoch nicht angetastet werden.
Gesetzgeber bessert bei Mietzahlungspflichten nach
Nun hat der Bundestag jedoch am 17.12.2020 dem Gesetz zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens zugestimmt und nur einen Tag später, am 18.12.2020 hat der Bundesrat das Gesetz gebilligt. Neben Regelungen zur Verkürzung der Restschuldbefreiung in Insolvenzverfahren ist darin auch eine Anpassung des gewerblichen Mietrechts enthalten.
Danach gilt für Gewerbemiet- und Pachtverhältnisse, die von staatlichen Covid-19 Maßnahmen betroffen sind, eine gesetzliche Vermutung, wonach erhebliche (Nutzungs-) Beschränkungen für den Betrieb des Mieters infolge staatlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie eine schwerwiegende Veränderung der Geschäftsgrundlage im Sinne von § 313 Abs. 1 BGB darstellen können, § 7 EGBGB.
Hinweis: Liegt eine Störung der Geschäftsgrundlage im Sinne von § 313 Abs. 1 BGB vor, kann in erster Linie eine Vertragsanpassung und damit ggf. eine Mietminderung verlangt werden. Ist dies nicht möglich oder der anderen Partei nicht zumutbar, kann die sich auf die Störung der Geschäftsgrundlage berufende Partei den Mietvertrag kündigen.
Rechtsprechung erlegte das Mietausfallrisiko bisher dem Mieter auf
In der Rechtsprechung bestand bisher die klare Tendenz, das Mietausfallrisiko dem Mieter aufzuerlegen.
So liegen erste Gerichtsentscheidungen vor, die sich mit der Mietzahlungspflicht des Mieters bei Corona-bedingten behördlichen Schließungsverfügungen befasst haben. Zu nennen sind die Entscheidungen des LG Heidelberg (Urteil vom 30.7.2020, Az. 5 O 66/20), des LG Zweibrücken (Urteil vom 19.8.2020, Az. HK O 17/20) und des LG Frankfurt (Urteil vom 7.9.2020, Az. 2-05 O 160/20), in denen sich Textil- bzw. ein Brilleneinzelhändler mit deutschlandweiten Filialnetzen vergeblich gegen Zahlungsklagen der Vermieter gewehrt haben.
Eine Schließungsanordnung - so im Ergebnis das LG Heidelberg und das LG Zweibrücken - begründe keinen Mangel der Mietsache, der etwa zur Minderung der Miete berechtigt. Eine Schließungsverfügung knüpfe nicht an die konkrete Beschaffenheit, den Zustand oder die Lage der konkreten Mietsache an. Genau dies wäre jedoch erforderlich, um einen Mietmangel zu begründen.
Auch die viel diskutierte Möglichkeit einer Mietanpassung auf Grundlage des Rechtsinstituts des Wegfalls der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) sahen die Gerichte bisher kritisch. Mit der Änderung aufgrund des Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens besteht nunmehr jedoch die gesetzliche Vermutung, dass erhebliche (Nutzungs-) Beschränkungen für den Betrieb des Mieters infolge staatlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie eine schwerwiegende Veränderung der Geschäftsgrundlage darstellen können. Die Vermutung gilt für das sog. reale Merkmal des § 313 Absatz 1 BGB, dass sich ein Umstand, der zur Grundlage des Mietvertrags geworden ist, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert hat. Die weiteren Merkmale des § 313 Absatz 1 BGB bleiben unberührt und sind im Streitfall den Mieter darzulegen und ggf. unter Beweis zu stellen. Insbesondere das sog. normative Merkmal des § 313 Absatz 1 BGB, dass also dem einen Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann, wird von der Vermutungsregelung nicht erfasst. Nach der Gesetzesbegründung soll davon auszugehen sein, dass ohne entsprechende vertragliche Regelungen Belastungen infolge staatlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie regelmäßig weder der Sphäre des Vermieters noch des Mieters zuzuordnen sind. Im Rahmen der Zumutbarkeit wird von Bedeutung sein, wie stark sich die staatlichen Beschränkungen auf den Betrieb des Mieters auswirken. Ein Indiz für starke Beeinträchtigungen könne in erheblich zurückgegangenen Umsätzen, zum Beispiel im Vergleich zum Vorjahreszeitraum, liegen. Zu berücksichtigen sei auch, ob der Mieter öffentliche oder sonstige Zuschüsse erhalten hat, mit denen er die Umsatzausfälle infolge staatlicher Beschränkungen jedenfalls teilweise kompensieren kann, und ob er Aufwendungen erspart hat, weil er etwa Kurzarbeit angemeldet hat oder der Wareneinkauf weggefallen ist. Entscheidend sind die Umstände des Einzelfalls. § 313 BGB gewährt keine Überkompensation. Schließlich bleibt auch die Rechtsfolge des § 313 Absatz 1 BGB unberührt. Vertragsanpassung kann nur im angemessenen Umfang begehrt werden. Es kann nur diejenige Rechtsfolge begehrt werden, welche die schutzwürdigen Interessen beider Vertragsteile in ein angemessenes Gleichgewicht bringt. Es hängt daher immer vom jeweiligen Einzelfall ab, ob für den Zeitraum, in dem ein Betrieb von einer staatlichen Maßnahme betroffen ist, zum Beispiel eine Stundung oder Anpassung der Miethöhe, eine Verringerung der angemieteten Fläche bei gleichzeitiger Herabsetzung der Miete oder auch die Aufhebung des Vertrags angemessen ist.
Die bisherigen gerichtlichen Entscheidungen verdeutlichen, dass es für gewerbliche Mieter bisher schwierig war, im Falle von behördlichen Schließungsanordnungen Mietanpassungen auf gerichtlichem Wege zu erreichen. Der Gesetzgeber hat nun jedoch den Weg frei gemacht, Covid-19-bedingte Mietanpassungen leichter durchzusetzen. Hierzu dient auch eine Änderung der Zivilprozessordnung (ZPO). § 44 ZPO bestimmt ein Vorrang- und Beschleunigungsgebot. Verfahren über die Anpassung der Miete oder Pacht für gewerblich genutzte Flächen wegen staatlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie sind vorrangig und beschleunigt zu behandeln. Es soll ein früher erster Termin spätestens einen Monat nach Zustellung der Klageschrift stattfinden.
Die vergangenen Monate zeigten, dass viele Mietparteien in gewerblichen Mietverhältnissen bei Zahlungsschwierigkeiten der Mieter nicht den Weg einer gerichtlichen Auseinandersetzung eingeschlagen, sondern partnerschaftlich Lösungen für eine Überbrückung der für beide Parteien einschneidenden COVID-19-Pandemie gesucht haben. Oftmals sind bisher Vermieter ihren betroffenen Mietern entgegengekommen und haben Mietstundungs- oder gar (Teil-)Erlassvereinbarungen getroffen. Nach der neuen Rechtslage besteht nun für gewerbliche Mieter bzw. Pächter das Recht, unter Berufung auf § 313 BGB in Verbindung mit § 7 EGBGB eine Mietminderung oder gar bei besonders schwer wiegenden Störungen der Geschäftsgrundlage in letzter Konsequenz die Kündigung des Mietverhältnisses zu verlangen. Bei entsprechenden Anpassungen wird eine anwaltliche Begleitung nahegelegt.