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Pflegeeinrichtungen: Handlungsempfehlung für das Covid-19-Erstattungsverfahren

Nach­dem der Ge­setz­ge­ber durch das CO­VID-19-Kran­ken­hau­sent­las­tungs­ge­setz (CO­VID-19-KHEntlG) fi­nan­zi­elle und or­ga­ni­sa­to­ri­sche Maßnah­men für sta­tionäre und am­bu­lante Pfle­ge­ein­rich­tun­gen be­schlos­sen hat, sind nun­mehr die Vor­ga­ben zum Er­stat­tungs­ver­fah­ren der Pfle­ge­kas­sen veröff­ent­licht wor­den.

Da das Er­stat­tungs­ver­fah­ren je­doch an be­stimmte Be­din­gun­gen geknüpft ist und die er­stat­te­ten Mehr­kos­ten und/oder Min­der­ein­nah­men nachträglich ggf. von den Pfle­ge­kas­sen zurück­ge­for­dert wer­den können, in­for­mie­ren wir darüber, wel­che Vor­aus­set­zun­gen bei der An­trag­stel­lung zu be­ach­ten sind und wie diese be­triebs­wirt­schaft­lich um­ge­setzt wer­den könn­ten.

Rechtliche Vorgaben für das Erstattungsverfahren

Sta­tionäre und am­bu­lante Pfle­ge­ein­rich­tun­gen können nach § 150 Abs. 2 und 3 SGB XI bei den Pfle­ge­kas­sen die Er­stat­tung der Mehr­kos­ten und Min­der­ein­nah­men be­an­spru­chen.

Un­ter die Mehr­kos­ten fal­len z. B. Mehr­auf­wen­dun­gen für Sach­mit­tel wie Schutz­klei­dung, Des­in­fek­ti­ons­mit­tel etc., aber auch die zusätz­li­che Fi­nan­zie­rung von Per­so­nal (Ein­stel­lung von Fremd­per­so­nal, Aus­zah­lung von Über­stun­den).

Die Min­der­ein­nah­men wer­den ins­be­son­dere bei Aus­blei­ben von Gästen in der Ta­ges­pflege oder auf­grund von Qua­rantänean­ord­nun­gen in der sta­tionären Pflege ein­tre­ten. Hier über­neh­men die Pfle­ge­kas­sen die Kos­ten, die sich auf die Leis­tungs­beträge der Pfle­ge­ver­si­che­rung und die fi­nan­zi­el­len An­teile der Pfle­ge­bedürf­ti­gen wie Un­ter­kunft, Ver­pfle­gung und den Ein­rich­tungs­ein­heit­li­chen Ei­gen­an­teil (EEE), be­zie­hen. In­ves­ti­ti­ons­kos­ten blei­ben von der Er­stat­tung je­doch aus­ge­nom­men. Zu be­ach­ten ist hier zu­dem, dass Pfle­gekräfte von z. B. ge­schlos­se­nen Ta­ges­ein­rich­tun­gen so­weit recht­lich möglich an­der­wei­tig ein­ge­setzt wer­den sol­len.

Der An­trag für die Er­stat­tung der Mehr­kos­ten und Min­der­ein­nah­men ist bei ei­ner vom Lan­des­ver­band be­nann­ten Pfle­ge­kasse des Ver­sor­gungs­ver­tra­ges in der Re­gel zum Mo­nats­ende zu stel­len. Da­bei können Pfle­ge­ein­rich­tun­gen meh­rere Mo­nate in ih­rem An­trag zu­sam­men­fas­sen, je­doch nur An­sprüche, die im Zeit­raum von März 2020 bis Sep­tem­ber 2020 ent­stan­den sind. Eine Nach­mel­dung von Mehr­kos­ten und Min­der­ein­nah­men für diese Mo­nate kann noch bis Ende De­zem­ber 2020 er­fol­gen.
Der An­trag ist in Text­form (folg­lich nicht münd­lich) ein­zu­rei­chen und muss vom Träger der Ein­rich­tung un­ter­schrie­ben sein. Die Über­sen­dung des An­trags und der Nach­weise soll in elek­tro­ni­scher Form (also per E-Mail oder Fax er­fol­gen). In die­sem Fall ist für die Un­ter­schrift eine ori­gi­nal­ge­treue Nach­bil­dung/Fak­si­mile (= ein­ge­scannte Un­ter­schrift) aus­rei­chend.

Der Er­stat­tungs­be­trag ist durch die Pfle­ge­kasse in­ner­halb von 14 Ka­len­der­ta­gen aus­zu­zah­len. Da­bei kann die Er­stat­tung auch vorläufig er­fol­gen.

Mit Ein­rei­chung des un­ter­zeich­ne­ten An­trags bestätigt der Träger der Ein­rich­tung u. a., dass

  • der Pfle­ge­ein­rich­tungsträger sich ver­pflich­tet, bei Leis­tungs­ein­schränkun­gen die frei­wer­den­den Per­so­nal­res­sour­cen so­weit recht­lich möglich in an­dere Ver­sor­gungs­be­rei­che des­sel­ben Trägers oder trägerüberg­rei­fend in größtmögli­chem Um­fang ein­zu­set­zen oder einem an­de­ren Träger zu über­las­sen.
  • alle staat­li­chen Un­terstützungs­leis­tun­gen aus­ge­schöpft wer­den.
  • die gel­tend ge­mach­ten Mehr­auf­wen­dun­gen/Min­der­ein­nah­men nicht auch bei an­de­ren Lan­des­verbänden der Pfle­ge­kas­sen oder Pfle­ge­kas­sen gel­tend ge­macht wur­den oder wer­den.
  • der Pfle­ge­ein­rich­tungsträger die ihm er­stat­te­ten Mehr­auf­wen­dun­gen/Min­der­ein­nah­men nicht er­neut im Rah­men der nächs­ten Pfle­ge­satz­ver­ein­ba­rung bzw. Vergütungs­ver­ein­ba­rung gel­tend macht.
  • der Pfle­ge­ein­rich­tungsträger die gel­tend ge­mach­ten Mehr­auf­wen­dun­gen/Min­der­ein­nah­men nicht den Pfle­ge­bedürf­ti­gen in Rech­nung stellt.

In einem nach­ge­la­ger­ten Ver­fah­ren können et­waige Über­zah­lun­gen nach § 150 Ab­satz 2 SGB XI auf­grund von an­ge­for­der­ten Nach­wei­sen sei­tens der Pfle­ge­kas­sen zurück­ge­for­dert wer­den.

Organisatorische Umsetzung

Grund­lage für die Er­stat­tung ist eine de­zi­dierte Auf­stel­lung der corona-be­ding­ten Mehr­kos­ten und/oder der Min­der­ein­nah­men, die in das Mus­ter für die Gel­tend­ma­chung des Er­stat­tungs­be­tra­ges des GKV-Spit­zen­ver­ban­des ein­zu­tra­gen sind. Da­bei emp­fiehlt sich die Eta­blie­rung ei­nes in­ter­dis­zi­plinären Pro­jekt­teams, um eine möglichst vollständige Er­fas­sung der Sach­ver­halte aus al­len Be­rei­chen zu er­rei­chen. Ins­be­son­dere vor dem Hin­ter­grund des nach­ge­la­ger­ten Nach­weis­ver­fah­rens soll­ten frühzei­tig die Wei­chen für eine struk­tu­rierte und nach­voll­zieh­bare Er­fas­sung - über das be­ste­hende Mus­ter hin­aus - ge­stellt wer­den. Die we­sent­li­chen Pro­jekt­schritte, die jetzt zu er­grei­fen sind, glie­dern sich wie folgt:

  1. Iden­ti­fi­zie­rung der re­le­van­ten Trei­ber und Sach­ver­halte für Mehr­auf­wen­dun­gen und/oder Min­der­ein­nah­men so­wie ih­rer Ef­fekte auf die je­wei­li­gen Kon­ten der Fi­nanz­buch­hal­tung bzw. die Kos­ten­ar­ten
  2. Fest­le­gung spe­zi­fi­scher „Corona-Kos­ten­stel­len“ und „-Kon­tie­rungs­an­wei­sun­gen“, um Trans­pa­renz über Mehr­kos­ten und/oder Min­der­ein­nah­men zu schaf­fen
  3. Dif­fe­ren­zierte Auf­stel­lung corona-be­ding­ter Preis- und Men­gen­ef­fekte, um z. B. so­wohl den Mehr­ver­brauch während der Corona-Krise als auch Preis­stei­ge­run­gen der Lie­fe­ran­ten trans­pa­rent an­hand von Rech­nungs­be­le­gen dar­le­gen zu können - u. a. auch un­ter Berück­sich­ti­gung des Sta­tus der Vor-Kri­sen­zeit

Struk­tu­rierte Zu­sam­men­fas­sung der Ef­fekte in ei­ner „Corona-Er­folgs­rech­nung“ (ggf. nur Be­trach­tung der „Corona-Kos­ten­stel­len“) aus der die Ein­ze­lef­fekte je Konto bzw. Kos­ten­art er­sicht­lich sind - diese soll­ten dann durch De­tail­nach­weise ergänzt wer­den.

Hinweis

Auch wenn nun­mehr kon­krete Vor­ga­ben für das Er­stat­tungs­ver­fah­ren be­ste­hen, sind doch ei­nige Fra­gen dies­bezüglich klärungs­bedürf­tig. So ist nicht ein­deu­tig geklärt, ob eine Rück­zah­lungs­ver­pflich­tung be­steht, wenn Pfle­ge­ein­rich­tungsträger ihr frei­ge­wor­de­nes Per­so­nal in an­de­ren Be­rei­chen kos­ten­min­dernd nicht ein­set­zen. Ebenso ist frag­lich, wann alle staat­li­chen Un­terstützungs­leis­tun­gen aus­ge­schöpft sind.

Trotz die­ser of­fe­nen Fra­gen soll­ten Pfle­ge­ein­rich­tun­gen frühzei­tig mit der struk­tu­rier­ten Er­fas­sung der corona-be­ding­ten Mehr­kos­ten und/oder Min­der­ein­nah­men be­gin­nen, um schließlich auch für das nach­ge­la­gerte Nach­weis­ver­fah­ren gerüstet zu sein. Nur dann sind sie in der Lage, zügig die Er­stat­tun­gen in An­spruch neh­men zu können. Dies ist ins­be­son­dere auch vor dem Hin­ter­grund der lau­fen­den Aus­stat­tung mit be­triebs­not­wen­di­ger Li­qui­dität von zen­tra­ler Be­deu­tung.

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