Da das Erstattungsverfahren jedoch an bestimmte Bedingungen geknüpft ist und die erstatteten Mehrkosten und/oder Mindereinnahmen nachträglich ggf. von den Pflegekassen zurückgefordert werden können, informieren wir darüber, welche Voraussetzungen bei der Antragstellung zu beachten sind und wie diese betriebswirtschaftlich umgesetzt werden könnten.
Rechtliche Vorgaben für das Erstattungsverfahren
Stationäre und ambulante Pflegeeinrichtungen können nach § 150 Abs. 2 und 3 SGB XI bei den Pflegekassen die Erstattung der Mehrkosten und Mindereinnahmen beanspruchen.
Unter die Mehrkosten fallen z. B. Mehraufwendungen für Sachmittel wie Schutzkleidung, Desinfektionsmittel etc., aber auch die zusätzliche Finanzierung von Personal (Einstellung von Fremdpersonal, Auszahlung von Überstunden).
Die Mindereinnahmen werden insbesondere bei Ausbleiben von Gästen in der Tagespflege oder aufgrund von Quarantäneanordnungen in der stationären Pflege eintreten. Hier übernehmen die Pflegekassen die Kosten, die sich auf die Leistungsbeträge der Pflegeversicherung und die finanziellen Anteile der Pflegebedürftigen wie Unterkunft, Verpflegung und den Einrichtungseinheitlichen Eigenanteil (EEE), beziehen. Investitionskosten bleiben von der Erstattung jedoch ausgenommen. Zu beachten ist hier zudem, dass Pflegekräfte von z. B. geschlossenen Tageseinrichtungen soweit rechtlich möglich anderweitig eingesetzt werden sollen.
Der Antrag für die Erstattung der Mehrkosten und Mindereinnahmen ist bei einer vom Landesverband benannten Pflegekasse des Versorgungsvertrages in der Regel zum Monatsende zu stellen. Dabei können Pflegeeinrichtungen mehrere Monate in ihrem Antrag zusammenfassen, jedoch nur Ansprüche, die im Zeitraum von März 2020 bis September 2020 entstanden sind. Eine Nachmeldung von Mehrkosten und Mindereinnahmen für diese Monate kann noch bis Ende Dezember 2020 erfolgen.
Der Antrag ist in Textform (folglich nicht mündlich) einzureichen und muss vom Träger der Einrichtung unterschrieben sein. Die Übersendung des Antrags und der Nachweise soll in elektronischer Form (also per E-Mail oder Fax erfolgen). In diesem Fall ist für die Unterschrift eine originalgetreue Nachbildung/Faksimile (= eingescannte Unterschrift) ausreichend.
Der Erstattungsbetrag ist durch die Pflegekasse innerhalb von 14 Kalendertagen auszuzahlen. Dabei kann die Erstattung auch vorläufig erfolgen.
Mit Einreichung des unterzeichneten Antrags bestätigt der Träger der Einrichtung u. a., dass
- der Pflegeeinrichtungsträger sich verpflichtet, bei Leistungseinschränkungen die freiwerdenden Personalressourcen soweit rechtlich möglich in andere Versorgungsbereiche desselben Trägers oder trägerübergreifend in größtmöglichem Umfang einzusetzen oder einem anderen Träger zu überlassen.
- alle staatlichen Unterstützungsleistungen ausgeschöpft werden.
- die geltend gemachten Mehraufwendungen/Mindereinnahmen nicht auch bei anderen Landesverbänden der Pflegekassen oder Pflegekassen geltend gemacht wurden oder werden.
- der Pflegeeinrichtungsträger die ihm erstatteten Mehraufwendungen/Mindereinnahmen nicht erneut im Rahmen der nächsten Pflegesatzvereinbarung bzw. Vergütungsvereinbarung geltend macht.
- der Pflegeeinrichtungsträger die geltend gemachten Mehraufwendungen/Mindereinnahmen nicht den Pflegebedürftigen in Rechnung stellt.
In einem nachgelagerten Verfahren können etwaige Überzahlungen nach § 150 Absatz 2 SGB XI aufgrund von angeforderten Nachweisen seitens der Pflegekassen zurückgefordert werden.
Organisatorische Umsetzung
Grundlage für die Erstattung ist eine dezidierte Aufstellung der corona-bedingten Mehrkosten und/oder der Mindereinnahmen, die in das Muster für die Geltendmachung des Erstattungsbetrages des GKV-Spitzenverbandes einzutragen sind. Dabei empfiehlt sich die Etablierung eines interdisziplinären Projektteams, um eine möglichst vollständige Erfassung der Sachverhalte aus allen Bereichen zu erreichen. Insbesondere vor dem Hintergrund des nachgelagerten Nachweisverfahrens sollten frühzeitig die Weichen für eine strukturierte und nachvollziehbare Erfassung - über das bestehende Muster hinaus - gestellt werden. Die wesentlichen Projektschritte, die jetzt zu ergreifen sind, gliedern sich wie folgt:
- Identifizierung der relevanten Treiber und Sachverhalte für Mehraufwendungen und/oder Mindereinnahmen sowie ihrer Effekte auf die jeweiligen Konten der Finanzbuchhaltung bzw. die Kostenarten
- Festlegung spezifischer „Corona-Kostenstellen“ und „-Kontierungsanweisungen“, um Transparenz über Mehrkosten und/oder Mindereinnahmen zu schaffen
- Differenzierte Aufstellung corona-bedingter Preis- und Mengeneffekte, um z. B. sowohl den Mehrverbrauch während der Corona-Krise als auch Preissteigerungen der Lieferanten transparent anhand von Rechnungsbelegen darlegen zu können - u. a. auch unter Berücksichtigung des Status der Vor-Krisenzeit
Strukturierte Zusammenfassung der Effekte in einer „Corona-Erfolgsrechnung“ (ggf. nur Betrachtung der „Corona-Kostenstellen“) aus der die Einzeleffekte je Konto bzw. Kostenart ersichtlich sind - diese sollten dann durch Detailnachweise ergänzt werden.
Hinweis
Auch wenn nunmehr konkrete Vorgaben für das Erstattungsverfahren bestehen, sind doch einige Fragen diesbezüglich klärungsbedürftig. So ist nicht eindeutig geklärt, ob eine Rückzahlungsverpflichtung besteht, wenn Pflegeeinrichtungsträger ihr freigewordenes Personal in anderen Bereichen kostenmindernd nicht einsetzen. Ebenso ist fraglich, wann alle staatlichen Unterstützungsleistungen ausgeschöpft sind.
Trotz dieser offenen Fragen sollten Pflegeeinrichtungen frühzeitig mit der strukturierten Erfassung der corona-bedingten Mehrkosten und/oder Mindereinnahmen beginnen, um schließlich auch für das nachgelagerte Nachweisverfahren gerüstet zu sein. Nur dann sind sie in der Lage, zügig die Erstattungen in Anspruch nehmen zu können. Dies ist insbesondere auch vor dem Hintergrund der laufenden Ausstattung mit betriebsnotwendiger Liquidität von zentraler Bedeutung.