Hintergrund:
Hintergrund der sog. "Cum/ex-Geschäfte" ist der Handel von Aktien mit ("cum") und ohne ("ex") Dividendenberechtigung rund um einen Dividendenstichtag, der bei bestimmter Gestaltung die Gefahr einer doppelten/mehrfachen Anrechnung von (einmal erhobener) Kapitalertragsteuer in sich trägt. Die zwischenzeitlich eingetretene Rechtskraft des vorliegenden Urteils könnte im Ergebnis auch bei noch offenen Steuerfällen zu einer Begrenzung des Schadens für den Fiskus durch die nach Auffassung des Gerichts widerrechtliche Anrechnung nicht erhobener Kapitalertragsteuer führen.
Das Verfahren betrifft außerbörsliche Aktiengeschäfte (sog. OTC-Geschäfte), bei denen statt der vereinbarten Lieferung von Aktien mit Dividendenanspruch (cum Dividende) vor dem Dividendenstichtag verspätet Aktien ohne Dividendenanspruch (ex Dividende) nach dem Dividendenstichtag geliefert wurden. Die Klägerin ist empfangsbevollmächtigte Gesellschafterin einer atypisch stillen Gesellschaft. Die Beteiligten streiten über die gesonderte Feststellung anrechenbarer Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag auf Ausschüttungen aus erworbenen Aktien im Streitjahr 2010.
Das FG wies die Klage ab. Das Urteil ist rechtskräftig. Die Revision zum BFH wurde zwar wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen. Die Klägerin verzichtete jedoch auf die Einlegung der Revision.
Die Gründe:
Es existiert keine Gesetzeslücke, die zu einer doppelten Anrechnung von Kapitalertragsteuer berechtigen würde.
Soweit ein Teil der Literatur meint, dass die Kapitalertragsteuer unabhängig von deren Erhebung angerechnet werden kann, verstößt dies gegen den klaren Gesetzeswortlaut des § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG. Diese Rechtsansicht beruht zudem auf der irrigen Annahme eines mehrfachen wirtschaftlichen Eigentums, was mit den fundamentalen Grundsätzen des deutschen Rechts unvereinbar ist. Anhand des Wortlautes und des Regelungsgehalts des § 39 Abs. 2 AO wird klar, dass ein Wirtschaftsgut und damit auch Aktien nur im wirtschaftlichen Eigentum einer Person stehen können und dass die Anrechnung von Abzugssteuern denklogisch deren Einbehaltung voraussetzt.
Beim außerbörslichen Erwerb börsennotierter Aktien wird wirtschaftliches Eigentum an den Aktien regelmäßig nicht bereits mit Abschluss der schuldrechtlichen Vereinbarung erworben. Der Eigentumsübergang tritt erst im Zeitpunkt der Lieferung der Aktie ein. Eine Erhebung der Kapitalertragsteuer i.S.d. § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG liegt nicht bereits mit Auszahlung der Nettodividende/Dividendenkompensationszahlung an die inländische Depotbank des Aktienkäufers vor. Erforderlich ist zusätzlich, dass die mit der Nettodividende/Kompensationszahlung belastete Depotbank des Verkäufers den Bruttodividendenbetrag erhalten hat, von der die Steuer einzubehalten ist. Auf die tatsächliche Abführung der Steuer durch die Depotbank an die Finanzbehörde kommt es dagegen nicht an.
Dem die Anrechnung der Kapitalertragsteuer begehrenden Aktienkäufer obliegt die Feststellungslast für die Erhebung der Abzugssteuer. Die Kapitalertragssteuerbescheinigung nach § 45a Abs. 2 o. 3 EStG liefert bei Zahlungen der Nettodividende durch eine inländische Depotbank lediglich einen Anscheinsbeweis für die Erhebung der Kapitalertragsteuer. Für Geschäfte, bei denen die Aktien außerbörslich einschließlich eines Dividendenanspruchs erworben werden, deren Belieferung allerdings abweichend von der Vereinbarung erst nach dem Dividendenbeschlusstag erfolgt, wird dieser Anscheinsbeweis für die Erhebung der Kapitalertragsteuer regelmäßig erschüttert und kommt nicht zum Tragen. Dies gilt zumindest dann, wenn keine sog. Berufsträgerbescheinigung für die Aktiengeschäfte erteilt wird. In diesen Fällen obliegt es dem die Anrechnung begehrenden Aktienkäufer, den Vollbeweis für die Erhebung der Kapitalertragsteuer zu führen.
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