Der Sachverhalt:
Die klagende Bank orderte im ersten Halbjahr 2007 bei der deutschen Zweigniederlassung einer - mittlerweile nicht mehr bestehenden - Tochtergesellschaft der beklagten Bank (F) größere Mengen an Aktien deutscher Unternehmen. Die Bestellung erfolgte vor, die Lieferung nach dem Termin der Hauptversammlung der jeweiligen Aktiengesellschaft, also über den sog. Dividendenstichtag. Die bestellten Aktien erwarb F nach der Behauptung der Beklagten in gleicher Zahl und Menge durch Eindeckungsgeschäfte von Dritten ("back-to-back"). In zeitlichem Zusammenhang mit dem Erwerb der Aktien schloss die Klägerin auf Vermittlung von F Future-Geschäfte über den Verkauf der erworbenen Aktien ab.
Bei Käufen über den Dividendenstichtag erhält der Käufer nicht die von der Aktiengesellschaft ausgezahlte Dividende, sondern neben der Aktie eine Kompensationszahlung in Höhe der um die Kapitalertragsteuer verminderten Nettodividende. Die Klägerin rechnete aufgrund entsprechender Steuerbescheinigungen die auf die Bruttodividende entfallende Kapitalertragsteuer auf ihre Körperschaftssteuerschuld an. Das zuständige Finanzamt beanstandete diese Anrechnung als unzulässig, weil die Anrechnung voraussetze, dass zuvor für Rechnung der Klägerin Kapitalertragsteuer in entsprechender Höhe abgeführt worden sei, und setzte in einem noch nicht bestandskräftigen Bescheid noch zu zahlende Steuer und Zinsen i.H.v. rd. 23 Mio. € fest. Zwischen den Parteien des Rechtsstreits ist unstreitig, dass F Kapitalertragsteuer für Rechnung der Klägerin nicht abgeführt hat.
Mit ihrer Klage macht die Klägerin die Beklagte als Rechtsnachfolgerin der F für diese Steuernachzahlung haftbar. Sie meint, F habe ihr die Aktien verkauft und die Lieferung zugleich als Depotbank und damit als das "für den Verkäufer der Aktien den Verkaufsauftrag ausführende inländische Kreditinstitut" i.S.v. § 44 Abs. 1 S. 3 EStG 2007 ausgeführt. Deshalb sei F verpflichtet gewesen, Kapitalertragsteuer einzubehalten und abzuführen. Es bestehe eine Nebenpflicht des Verkäufers, dem Käufer die Möglichkeit zu verschaffen, Kapitalertragsteuer anzurechnen, insbesondere für den Käufer Körperschaftssteuer abzuführen bzw. die Depotbank des Verkäufers dazu anzuhalten.
Das LG gab der Klage statt. Auf die Berufung der Beklagten änderte das OLG das Urteil ab und wies die Klage ab. Die Revision zum BGH wurde wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassen.
Die Gründe:
F war entgegen der Ansicht der Beklagten Verkäuferin der Aktien und nicht bloße Vermittlerin oder Intermediärin der Aktienlieferung. Eine kaufvertragliche Nebenpflicht des Verkäufers, dem (inländischen) Käufer bei Aktienkäufen über den Dividendenstichtag eine steuerliche Anrechnungsmöglichkeit im Umfang der Differenz von Brutto- und Nettodividende zu verschaffen, besteht aber nicht. Denn die in §§ 20, 44 EStG 2007 bestimmte Abzugspflicht richtet sich nicht gegen den Verkäufer, sondern gegen die den Verkaufsauftrag ausführende Stelle, also dessen Depotbank. Der Zufall, dass Verkäufer und Depotbank in Gestalt von F personenidentisch sind, rechtfertigt keine Erweiterung der Verkäuferpflichten.
Auch unter dem Gesichtspunkt der Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung ist eine andere Beurteilung nicht gerechtfertigt. Die Klägerin war zwar für den Erfolg des aus Ankauf und (Future-)Verkauf bestehenden Geschäfts auf das Bestehen der Anrechnungsmöglichkeit angewiesen. Nach den gewöhnlichen Umständen ist aber auch davon auszugehen, dass bei der Verkäuferin nur eine Kompensation in Höhe der Nettodividende erfolgt ist. Da Aktiengeschäfte über den Dividendenstichtag regelmäßig darauf beruhen, dass bestimmte Gruppen von Aktienbesitzern vom Verfahren der Anrechnung der Kapitalertragsteuer ausgeschlossen sind, ist es wirtschaftlich nicht möglich, dass die Verkäuferseite auf ihre Kosten dem Käufer eine die Nettodividende übersteigende Bruttokompensation verschafft.
Die Klage war auch abzuweisen, soweit die Klägerin ihren Schadensersatzanspruch auf andere Anspruchsgrundlagen (Verletzung von Aufklärungs- oder Schutzpflichten, Wegfall der Geschäftsgrundlage) gestützt hat. Wegen des außerdem erhobenen Anspruchs auf Gesamtschuldnerausgleich gem. § 426 BGB wegen eines zwischen Steuerschuldner und Abzugsverpflichtetem bestehenden Gesamtschuldverhältnisses ist die Klage unzulässig, weil die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte nicht gegeben ist. Es ist davon auszugehen, dass die Beklagte mit ihrem Berufungsvorbringen zur unzutreffenden Anwendung europäischer Zuständigkeitsvorschriften die Rüge der internationalen Zuständigkeit auch in der Berufungsinstanz erhoben hat, dass aber für den Ausgleichsanspruch unter Steuer- und Haftungsschuldnern eine Zuständigkeit nach Art. 7 Nr. 1, 2 EuGVVO nicht begründet ist.
Die außerdem erhobene Auskunftsklage, mit der die Klägerin bestimmte Angaben über die Eindeckungsgeschäfte der Beklagten verlangt hat, war wegen Erfüllung abzuweisen, da die Beklagte im Lauf des Rechtsstreits die geforderten Auskünfte erteilt hat.
Das OLG Frankfurt a.M. hat in dem Rechtsstreit zweier Banken um Schadensersatz wegen Aktiengeschäften über den Dividendenstichtag (cum-ex-Geschäfte) der Berufung der beklagten Bank gegen ein Urteil des LG Frankfurt a.M. stattgegeben. Die auf Zahlung von rd. 23 Mio. € Schadensersatz gerichtete Klage hatte danach keinen Erfolg.