Die CRR stellt das Kernelement der Bankenregulierung in der EU dar. Die korrekte Identifizierung von GVK ist essenziell, da verbundene Ausfallrisiken zu einem bedeutenden systemischen Risiko führen können. Fehleinschätzungen in diesem Bereich können nicht nur das einzelne Institut, sondern auch die Stabilität des gesamten Finanzsystems gefährden. Aus diesem Grund hat die EU-Kommission die delegierte Verordnung (EU) 2024/1728 erarbeitet, um künftig Einheitlichkeit und Rechtssicherheit in der Behandlung verbundener Kundengruppen zu gewährleisten.
Inhaltliche Schwerpunkte der delegierten Verordnung (EU) 2024/1728 sind:
- Definition eines Kontrollverhältnisses: Die Verordnung präzisiert, unter welchen Bedingungen ein Kontrollverhältnis zwischen zwei oder mehr Entitäten besteht. Dies schließt sowohl direkte als auch indirekte Kontrollmöglichkeiten, wie Stimmrechte oder das Recht zur Bestellung leitender Organe, ein.
- Feststellung wirtschaftlicher Abhängigkeit: Wirtschaftliche Abhängigkeit wird in der delegierten Verordnung als eine Situation definiert, in der eine Partei auf die andere in einem solchen Maße angewiesen ist, dass die Insolvenz einer Partei sehr wahrscheinlich die Zahlungsfähigkeit der anderen beeinträchtigt. Sie legt klare, aber nicht abschließende Indikatoren für solche Abhängigkeiten fest.
- Kombination aus Kontrollverhältnis und wirtschaftlicher Abhängigkeit: Die delegierte Verordnung spezifiziert, wann eine Kombination dieser Faktoren zu einer GVK führt. Hierdurch kann ein höheres Risikoniveau identifiziert werden, das besonderer Aufmerksamkeit der Regulierungsbehörden bedarf.
- Ausnahmeregelungen: Die delegierte Verordnung sieht auch gewisse Ausnahmen von den definierten Kriterien vor, um Überregulierung zu vermeiden und die Proportionalität der Regulierungsanforderungen sicherzustellen.
Um die Neuerungen der delegierten Verordnung im Kontext bestehender Vorschriften zu verstehen, ist es wichtig, diese auch im Vergleich zu den bestehenden EZB-Leitlinien zu verbundenen Kunden zu betrachten und auf die unterschiedlichen Rechtsqualitäten der Regularien einzugehen.
Die EZB-Leitlinien bieten einen Rahmen zur Beurteilung, wann Kunden als verbunden gelten. Hierbei handelt es sich jedoch um keine rechtsverbindliche Norm für die Institute. Die nationalen Aufsichtsbehörden müssen diese erst noch in ihre Aufsichtspraktiken integrieren (z. B. durch Änderung ihres Rechtsrahmens oder ihrer Aufsichtsverfahren). Dies ist in Deutschland mit dem Rundschreiben 14/2018 - Umsetzung der EBA-Leitlinien zu verbundenen Kunden gemäß Art. 4 Abs. 1 Nr. 39 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 erfolgt.
Während diese EZB-Leitlinien eine wertvolle Richtschnur bieten, werden nun mit der delegierten Verordnung unmittelbar anwendbare, rechtlich verbindliche und europaweit einheitliche Regelungen für europäische Institute geschaffen. Soweit die Regelungen der delegierten Verordnung von den EZB-Leitlinien und dem Rundschreiben 14/2018 der BaFin abweichen, gelten die Regelungen der delegierten Verordnung als unmittelbar geltendes europäisches Recht.
Nachfolgend werden einige ausgewählte Unterschiede der neuen delegierten Verordnung zu den EZB-Leitlinien aus 2018 dargestellt:
Hinweis: Die Regeln für die Ermittlung von GVK traten am 08.07.2024 in Kraft. Institute müssen, sofern noch nicht erfolgt, ihre Prozesse zur Identifikation von GVK nun unmittelbar überprüfen und ggfs. anpassen. Gleiches gilt für ihre schriftliche Dokumentation, also u. a. ihre Arbeitsanweisungen und Prozesshandbücher.
Die delegierte Verordnung (EU) 2024/1728 stellt damit einen weiteren Schritt zur Sicherstellung einer konsistenten Risikobeurteilung und eines konsistenten Rechtsrahmens im europäischen Bankensektor dar. Durch die nun präzisere und rechtlich verbindliche Definition von GVK und die Berücksichtigung von Kontrollverhältnissen sowie wirtschaftlichen Abhängigkeiten sollen Institute Risiken besser identifizieren und steuern können.