Das Vereinigte Königreich (VK) ist am 1.2.2020 aus der Europäischen Union (EU) ausgetreten, befindet sich jedoch seitdem in einer Übergangsphase, welche zum 1.1.2021 auslaufen wird. In diesem Übergangszeitraum wird das VK weitgehend so behandelt, als wäre es ein EU-Mitgliedstaat. Da jedoch am 1.7.2020 die letzte Entscheidungsfrist über eine mögliche Verlängerung dieses Übergangszeitraumes nicht wahrgenommen wurde, wird das VK ab 1.1.2021 aus EU-Sicht ein Drittland und vom Binnenmarkt sowie der Zollunion ausgeschlossen sein.
Der Austritt des VK aus der EU wird unabhängig vom Verlauf der weiteren Verhandlungen zwischen der EU und dem VK, zu vorher nicht dagewesenen Hemmnissen des wirtschaftlichen Austauschs von Waren und Dienstleistungen sowie der grenzüberschreitenden Mobilität i. S. d. Personen- und Kapitalverkehrsfreiheit führen. Die Verhandlungen über ein gemeinsames Freihandelsabkommen zur Frage ob und unter welchen Bedingungen Zölle erhoben werden, laufen zwar aktuell, ein zeitnahes Ergebnis scheint jedoch unwahrscheinlich.
Eines ist jedoch sicher: Auch wenn eine Freihandelszone zwischen der EU und dem VK eingerichtet werden könnte, erfolgt dennoch ein Ausschluss des VK von allen bisherigen Übereinkünften mit der EU. Damit wird aller Voraussicht nach bei Ablauf der Übergangsfrist zum 1.1.2021 die Zollabfertigung generell verpflichtend, was mit einem deutlichen administrativen Mehraufwand einhergeht. Es werden allein im VK bis zu 200 Mio. zusätzliche Zollanmeldungen erwartet. Die Frage, ob das Zoll-IT-System zur Abwicklung dieser Masse in der Lage ist, treibt viele Unternehmen schon jetzt um.
Was ändert sich ab dem 1.1.2021?
Für die Handelsbeziehungen zwischen Unternehmen der EU und des VK sind generell folgende Änderungen zu beachten:
- Für Unternehmen, die bisher ausschließlich innerhalb der EU agiert haben, wird für die Ausfuhr als auch die Einfuhr von und in das VK eine Registrierung bei den Zollbehörden erforderlich. Eine EORI-Nr. ist zu beantragen (Economic Operator Registration and Identification Number).
- Durch den EU-Austritt erlöschen alle verbrauchsteuerrechtlichen Erlaubnisse und Zulassungen aus dem VK. Der Versand von verbrauchsteuerpflichtigen Waren ist zukünftig als zollrechtliche Einfuhr oder Ausfuhr zu behandeln. Darüber hinaus sind ab dem Austritt alle Wirtschaftsbeteiligten des VK nicht mehr für die Teilnahme am IT-Verfahren EMCS (Excise Movement and Control System) qualifiziert.
- Vormaterialien aus dem VK werden künftig zu Vormaterialen ohne Ursprung (VoU). Dies kann bei in der EU hergestellten Waren zu einem Verlust des Präferenzursprungs „EU“ führen, wenn britisches Vormaterial zu deren Herstellung verwendet wird. Im Zuge dessen können auch damit einhergehende Zollvergünstigungen nicht mehr beansprucht werden.
Hinweis
Gemäß dem „Protokoll zu Irland und Nordirland“ werden im Gegensatz zum Rest des VK für Nordirland in einem befristeten Zeitrahmen von vorerst vier Jahren nach wie vor der Zollkodex der Union und weitere Unionsvorschriften, die Waren betreffen.
Bei der Ausfuhr von Waren aus der EU in das VK gilt folgendes:
Der Kosten- und Zeitaufwand wird durch die Verpflichtung zur Abgabe von Ausfuhranmeldungen und ggf. Beantragung von Ausfuhrgenehmigungen für sensible Güter sowie durch die Einschaltung von Dienstleistern oder die Anschaffung von Zollsoftware für die elektronische Abwicklung ansteigen. Da Ausfuhrlieferungen in das VK ab dem Austritt nicht mehr der in der EU harmonisierten Exportkontrolle und dem Embargorecht unterliegen, sind Ausfuhren künftig nicht mehr als „Verbringung“ anzusehen und können genehmigungspflichtig werden.
Auf Seiten des VK wird demgegenüber eine Einfuhrabfertigung stattfinden, wodurch grundsätzlich Einfuhrabgaben ausgelöst werden.
Bei der Einfuhr von Waren vom VK in die EU ist folgendes zu beachten:
- Es entsteht ein zeitlicher Mehraufwand durch die Zollabfertigung.
- Waren, die aus dem VK bezogen werden, verteuern sich unter Umständen je nach vereinbarter Lieferkondition, da künftig Zölle zu erheben sind.
- Je nach Warenart können bei der Einfuhr von Waren zusätzliche Lizenzen, Nachweise oder Zertifikate notwendig werden.
Der Brexit wird eintreten und er wird weitreichende Veränderungen mit sich bringen. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass sich alle betroffenen Unternehmen auf Zölle, Verzögerungen in den Lieferketten, damit verbundenen bürokratischen Mehraufwand und somit auf umfassende Änderungen der Prozesse einstellen müssen.
Es gilt, sich daher spätestens jetzt vorzubereiten:
- Unternehmen sollten überprüfen, ob sie aus zollrechtlicher Sicht - formal, personell und ggf. technisch - für den Brexit gerüstet sind.
- Um einer Einbuße von Zollvergünstigungen durch den Verlust der EU-Präferenzursprungseigenschaft entgegen zu wirken, sind die Lieferketten neu zu bewerten. Regelmäßig, nicht nur anlässlich des Brexits, sollten alle Abläufe in Zusammenhang mit dem Präferenzursprung geprüft werden. Dazu zählt auch die Frage, ob ggf. Anpassungen von bereits bestehenden Verträgen, in denen ein bestimmter Präferenzursprung garantiert wurde, erforderlich sind.
- Im Rahmen der Kostenkalkulation müssen ggf. anfallende Mehrkosten, hervorgerufen u. a. durch die neuen Drittlands-Zollsätze, berücksichtigt, ggf. Verträge angepasst und neue Preisverhandlungen geführt werden, was ebenfalls, losgelöst vom Brexit, einem regelmäßigen Monitoring unterliegen sollte.
- Die Aktualisierung oder Beantragung von zollrechtlichen Bewilligungen sollte vorgenommen werden. Mit dem Status eines Zugelassenen Wirtschaftsbeteiligten - Authorised Economic Operator (AEO) - können bspw. die Abläufe bei der Ein- als auch Ausfuhr von Drittlandswaren erheblich vereinfacht werden.
- Unternehmen, die sich zum ersten Mal mit zollrelevanten Themen beschäftigen müssen, kann helfen, gerade in der Umstellungs- und Anfangsphase externe Unterstützung in Anspruch zu nehmen.
Übergreifend raten wir allen Betroffenen dringend, die Situation auf keinen Fall zu unterschätzen und obwohl der Übergangszeitraum noch bis Ende 2020 läuft, nicht mit den Vorbereitungen zu warten, sondern schnellstmöglich aktiv zu werden.