In der Europäischen Union gibt es den grenzenlosen Binnenmarkt seit 3.12.2018 auch digital. Mit dem Inkrafttreten der sog. Geoblocking-Verordnung müssen sämtliche Webshops den Kaufinteressenten aus allen Ländern der EU offenstehen. Damit hat die EU dem sog. Geoblocking ein Ende gesetzt. Von nun an können sowohl gewerbliche als auch private Verbraucher Waren und Dienstleistungen zu Preisen oder Konditionen im EU-Ausland erwerben, die bisher nur ortsansässigen Kunden vorbehalten waren. Auch Unternehmen profitieren beim Einkauf, etwa bei elektronischen Services wie Software oder Cloud-Dienste. Was sich mit der Geoblocking-Verordnung alles ändert, darüber sprechen wir mit Dr. Torsten G. Lörcher, Rechtsanwalt, Fachanwalt für IT-Recht und Partner bei Ebner Stolz in Stuttgart.
Herr Dr. Lörcher, worauf müssen denn Betreiber von Webshops im Hinblick auf die Geoblocking-Verordnung künftig achten?
Wer als Anbieter Waren oder Dienstleistungen online anbietet, muss jetzt darauf achten, dass ein Kunde aus einem EU-Mitgliedsstaat nicht schlechter als ein Kunde aus einem anderen EU-Mitgliedstaat behandelt wird. In der Praxis ist das keine leichte Aufgabe.
Deshalb bereiten sich viele Betreiber klassischer Webshops schon seit Monaten auf die neue Rechtslage vor. Im Einzelnen bedeutet das Aus des Geoblocking vor allem viel Detailarbeit.
Was muss konkret geändert werden?
Von nun an darf es keine automatische und zwingende Weiterleitung eines Interessenten auf die Website seines Heimatlandes geben. Konkret bedeutet das: Wählt ein Internetnutzer aus Deutschland gezielt eine Shop-Website an, die bislang ausschließlich Käufer aus Frankreich ansprach, muss auch er die französische Seite sehen und nutzen können. Shopbetreiber müssen also ihre Online-Formulare anpassen und Zahlungswege überprüfen, damit Kaufinteressenten aus anderen Ländern Waren und Leistungen bestellen, bezahlen und eine Rechnung erhalten können.
Haben diese Prozessanpassungen auch Auswirkungen auf das Geschäftsmodell der Shopanbieter?
Nein, sie müssen ihr Geschäftsmodell nicht verändern. Weiterhin können in einzelnen Ländern oder Regionen unterschiedliche Preise, Waren und Leistungen angeboten werden. Auch sind Sonderangebote, die nur auf der Website für ein bestimmtes Land oder eine Region erscheinen, immer noch möglich.
Es ist auch nicht erforderlich, dass die Websites in allen Amtssprachen der EU gestalten werden. Die Shopanbieter müssen nur dafür Sorge tragen, dass sie aus allen Ländern erreichbar sind.
Ändert sich angesichts der Geoblocking-Verordnung etwas im Hinblick auf die Bezahlung?
Was die Bezahlung anbelangt, können Shopanbieter selbst bestimmen, welche Zahlungsmittel sie akzeptieren. Allerdings müssen sie etwa bei Kreditkarten Zahlungen aus der gesamten EU annehmen.
Hat die Neuregelung denn auch zur Folge, dass der Shopanbieter seine Waren oder Dienstleistungen EU-weit ausliefern bzw. erbringen muss? Das zöge ja einen immensen logistischen Aufwand für die Unternehmen nach sich.
Nein! Kein Anbieter ist gezwungen, tatsächlich in alle Länder der EU zu liefern. Im Sinne der EU-Verordnung gegen das Geoblocking genügt es, wenn Internetverkäufer Kunden aus der gesamten EU den Erwerb von Waren und Leistungen ermöglichen. Sie müssen die Ware aber nicht in alle EU-Mitgliedstaaten ausliefern. Beispiel: Ein französischer Shopbetreiber, der Waren grundsätzlich nur in Frankreich ausliefert, muss deutschen Bestellern den Bezug der Ware zwar ermöglichen, er muss sie aber nicht an eine deutsche Adresse ausliefern. Es ist dem Kunden vielmehr selbst überlassen, wie sie ihren Einkauf aus Frankreich erhalten. Ganz nebenbei: Hier eröffnen sich ganz neue Geschäftschancen für die Logistikbranche!
Oft werden auch elektronische Dienste zur Wartung von Maschinen und Anlagen, gewerbliche Online-Dienste, RZ-Leistungen für Unternehmen sowie vorrangig betrieblich genutzte Software online angeboten. Bestehen hier dieselben Einschränkungen wie beim Handel mit Waren?
Das Wahlrecht, in bestimmten Ländern der EU überhaupt nicht anzubieten oder auszuliefern, besteht bei elektronischen Services oder Leistungen nicht. Hier müssen Anbieter damit rechnen, dass Kunden aus anderen Ländern der EU online entsprechende Dienste in Anspruch nehmen. Sofern keine gesetzlichen oder technischen Hürden die Auslieferung oder den Einsatz der Services verhindern, dürfen sie Interessenten aus anderen EU-Staaten von der Inanspruchnahme der Services nicht ausschließen.
Die Geoblocking-Verordnung zielt ja sicherlich auf die Internet-Riesen, wie beispielsweise Amazon, Apple, Adobe und Microsoft ab. Inzwischen bieten aber auch zahlreiche kleinere Unternehmen ihre Waren und Dienstleistungen über eigenen Internetplattformen an. Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten to-dos für diejenigen, die sich noch nicht damit befasst haben?
Anbieter die mehrere Länderseiten betreiben müssen zuerst ihre technischen Umleitungsregeln prüfen und ggf. abstellen. Daneben ist sicherzustellen, dass die Shopseite EU-weite Adressen und deren postalischen Aufbau akzeptiert und ggf. abweichende Liefer- und Rechnungsadressen zulassen.
Mit welchen Konsequenzen muss ein Shopbetreiber rechnen, wenn er gegen die Geoblocking-Verordnung verstößt?
Unternehmen, die hiergegen verstoßen, müssen nicht nur mit Abmahnungen von Wettbewerbern, sondern auch mit einem Bußgeld rechnen. Das kann bis zu 300.000 Euro erreichen. Die Aufsicht darüber, ob die Geoblocking-Regeln richtig umgesetzt wurden, übernimmt in Deutschland die Bundesnetzagentur.
Was wird sich durch diese Verordnung im Online-Handel ändern?
Es wird mehr Preistransparenz geben: Mit Vergleichsdatenbanken und Preissuchmaschinen können Verbraucher von unterschiedlichen Preisen innerhalb der EU profitieren. Möglicherweise gleichen sich die Preise aber auch langfristig an.
Unterschiedliche Verbraucherrechte können einen Einkauf im EU-Ausland lohnenswert machen. Denn es bestehen schuldrechtliche Unterschiede bei den Zahlungsmodalitäten, im Gewährleistungsrecht und bei der Verjährung. Eine Harmonisierung dieser Verbraucherrechte im Vertrags- und Schuldrecht ist mit der Geoblocking-Verordnung nämlich nicht verbunden.