Diese sind wesentlich durch ihre digitale bzw. technische Ausgestaltung geprägt, die - zusammen mit den regulatorischen Erleichterungen - zu einer spürbaren Kosteneinsparung führt und sie für den Einsatz im Retail-Sektor prädestiniert.
Im Folgenden geben wir Ihnen einen Überblick über die jüngsten Initiativen des Gesetzgebers und der Aufsichtsbehörden zu ausgewählten „digitalen Investments“:
Crowdfunding
Mit dem am 16.7.2019 in Kraft getretenen Gesetz zur weiteren Ausführung der EU-Prospektverordnung und zur Änderung von Finanzmarktgesetzen (2. EUProspVOAnpG) vom 8.7.2019 werden zahlreiche, nun durch die seit 21.7.2019 unmittelbar anzuwendende EU-Prospektverordnung (Verordnung (EU) 2017/1129) geregelte Vorschriften aufgehoben und ein weitgehender Gleichlauf zwischen europäischen und nationalen Regelungen erreicht. Änderungen betreffen u. a. das Wertpapierprospektgesetz (WpPG), das Wertpapierhandelsgesetz (WpHG), das Börsengesetz (BörsG), das Vermögensanlagengesetz (VermAnlG), das Kreditwesengesetz (KWG) und das Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG).
- Die BaFin bleibt für die Prospektbilligung zuständig. Mit Wirkung zum 21.7.2018 eingeführte Ausnahmen von der Prospektpflicht bleiben bestehen und werden bei kleinen Wertpapierangeboten vereinheitlicht, d. h. Emissionen bis EUR 8 Mio. in einem Zeitraum von 12 Monaten sind von der Prospektpflicht ausgenommen.
- Im VermAnlG wird u. a. die Möglichkeit abgeschafft, einen im Hinblick auf einzelne Angebotsbedingungen unvollständigen Verkaufsprospekt zu veröffentlichen. Gleichzeitig werden die Befreiungen für sog. Schwarmfinanzierungen ausgeweitet, soweit der Verkaufspreis sämtlicher in einem Zeitraum von 12 Monaten (bisher keine zeitliche Vorgabe) angebotenen Vermögensanlagen desselben Emittenten EUR 6 Mio. (bisher EUR 2,5 Mio.) nicht übersteigt. Zudem werden Kapitalgesellschaften und bestimmte Personenhandelsgesellschaften von der Einhaltung der Schwellenwerte für Anleger befreit, die über Crowdfunding-Plattformen investieren.
Hinweis: Über das EUProspVOAnpG vom 14.7.2018 und die Ausweitung prospektfreier Crowdinvestings haben wir bereits in der 2. Ausgabe 2019 des novus Financial Services, S. 25 berichtet.
Der Bundesrat hat am 20.9.2019 über die neue Finanzanlagenvermittlungsverordnung (FinVermV) entschieden. Damit haben Finanzanlagenvermittler mit einer Erlaubnis nach § 34f Gewerbeordnung (GewO) endlich Klarheit darüber, welche Regelungen der EU-Finanzmarktrichtlinie MiFID II auch für sie gelten werden. Nahezu gleichzeitig mit der novellierten FinVermV haben das Bundesministerium der Finanzen (BMF), das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) und das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) ein Eckpunktepapier zur Übertragung der Aufsicht über Finanzanlagenvermittler auf die BaFin veröffentlicht. Diese Maßnahme ist Bestandteil des aktuellen Koalitionsvertrags sowie des „Maßnahmenpakets zur weiteren Stärkung des Anlegerschutzes im Bereich der Vermögensanlagen und geschlossenen Publikumsfonds“ des BMF und des BMJV vom 15.8.2019. Sie soll dazu beitragen, dass eine „einheitliche und qualitativ hochwertige Finanzaufsicht“ im Bereich der Finanzanlagenvermittlung gewährleistet wird. Die Änderungen der FinVermV sowie Einzelheiten aus dem Maßnahmenpaket des BMF und BMJV haben wir im Beitrag „Aktuelle Neuerungen für Finanzanlagenvermittler“ der 3. novus-Ausgabe 2019 dargestellt.
Krypto-Token
Das BMF hat am 7.3.2019 gemeinsam mit dem BMJV ein Eckpunktepapier über die Einführung von elektronischen Wertpapieren und die Regulierung des öffentlichen Angebots bestimmter Krypto-Token zur Diskussion gestellt. Die Maßnahmen des Eckpunktepapiers zielen darauf, die Rolle der Bundesrepublik Deutschland als einen der führenden Digitalisierungs- und FinTech-Standorte zu stärken.
Das deutsche Recht soll generell für elektronische Wertpapiere geöffnet werden, d. h. die derzeit zwingende urkundliche Verkörperung von Wertpapieren (Papierform) soll nicht mehr uneingeschränkt gelten. Hierzu wurden folgende Maßnahmen zur Diskussion gestellt:
- Eintragung: Das elektronische Wertpapier soll durch Eintrag in einem elektronischen Register nach dem Vorbild digitaler Wertpapiere gemäß dem Bundesschuldenwesengesetz entstehen.
- Register: Dieses soll Funktionen wie eine Urkunde haben (d. h. Legitimationsfunktion, Liberationswirkung, Übertragungsfunktion) und lediglich eine Dokumentationsfunktion erfüllen (d. h. insbesondere keine Verwahrfunktion, da die Verwahrung elektronischer Wertpapiere je nach Lage auf dem Depotkonto beim Zentralverwahrer erfolgt).
- Aufsicht: Die Führung des elektronischen Wertpapierregisters soll durch eine staatliche oder unter staatlicher Aufsicht stehende Stelle oder ggf. und soweit dies manipulationssicher ist durch Emittenten auf Basis der Blockchain-Technologie erfolgen.
- Geltendes Recht: Das internationale Privatrecht soll angewendet werden, d. h. das Recht des Staates soll Anwendung finden, unter dessen Aufsicht das Wertpapierregister steht.
Da die Utility-Token, die für den Anleger sehr hohe Risiken bergen, derzeit regulierungsfrei sind (d. h. sie stellen kein Wertpapier, keine Vermögenanlage und kein Finanzinstrument dar, und es gilt für sie keine Prospektpflicht) soll mit dem Eckpunktepapier die Regulierung des öffentlichen Angebots dieser Token zur Diskussion gestellt werden. Auch auf EU-Ebene ist das Thema mit der ESMA-Empfehlung vom 9.1.2019 zur Einführung einer Prospektierungs-bzw. Informationspflicht bereits in die Diskussion gerückt.
Das BaFin-Merkblatt „Zweites Hinweisschreiben zu Prospekt- und Erlaubnispflichten im Zusammenhang mit der Ausgabe sog. Krypto-Token“ vom 16.8.2019 richtet sich an natürliche und juristische Personen, die in Deutschland Krypto-Token emittieren oder Geschäfte im Zusammenhang mit Krypto-Token, Initial Coin Offerings (ICO) und Security-Token Offerings (STO) betreiben. Die BaFin befasst sich darin insbesondere mit der Fragestellung, inwieweit Token, die Anlegern im Rahmen von ICO angeboten werden, Prospekt- oder Erlaubnispflichten auslösen. Zentrale Fragestellung ist, ob die Konstruktion des jeweiligen Token (z. B. blockchainbasierte Investments bzw. Token-basierte Anleihen) ein „Wertpapier“ im Sinne der EU-Prospektverordnung und des WpPG darstellt (zur regulatorischen Einordnung vgl. Hinweisschreiben der BaFin vom 20.2.2018).
Verfolgt werden insbesondere die folgenden Zielsetzungen:
- Hilfestellung für ICO-Emittenten (z. B. erforderliche Unterlagen, Mindestangaben),
- weitere Informationen zur Wertpapiereigenschaft nach EU-Prospektverordnung oder WpPG bzw. Vermögensanlageneigenschaft nach VermAnlG (z. B. Prospektpflicht, Informationsblattpflichten etc.),
- Informationen zu möglichen Erlaubnispflichten nach dem KWG, Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz (ZAG) oder Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB) (z. B. Werbetätigkeiten).
Auf Basis einer „technologieneutralen“ Beurteilung, ob die Eigenschaft als „Finanzinstrument“ vorliegt, ordnet die BaFin entsprechende Aktivitäten im Zusammenhang mit den verschiedenen Token-Kategorien (z. B. Nutzungs-/Utility- bzw. Krypto-Token, Zahlungs-/Payment-Token, wertpapierähnliche/Security-Token) in das nationale/europäische Regulierungsinstrumentarium ein: So wird eine Tokenbasierte Schuldverschreibung - trotz inhaltlicher Ausgestaltung als „Vermögensanlage“ nach VermAnlG - aufsichtsrechtlich regelmäßig als „Wertpapier“ im Sinne der EU-Prospektverordnung bzw. WpPG zu klassifizieren sein (z. B. Übertragbarkeit, Handelbarkeit auf dem Finanzmarkt, Verkörperung von wertpapierähnlichen Rechten im Token; Verbriefung keine Voraussetzung für Wertpapierbegriff nach MiFID II); mangels Verbriefung ist diese zivilrechtlich aber als „Vermögensanlage“ anzusehen.
Hinweis
Die Distributed-Ledger-Technologie (DLT) ist eine Technologie zur Aufzeichnung von Informationen über eine auf mehrere Computersysteme verteilte, dezentrale Datenbank. Regelmäßig beruht DLT auf der Public-Key-Kryptografie, einem kryptografischen System, das öffentliche und private Schlüssel zur Authentifizierung und Verschlüsselung verwendet. Block-chain ist ein Unterfall der DLT, wobei Informationen zu einem Block zusammengefasst und die Blöcke in chronologischer Reihenfolge miteinander - unter Einsatz kryptografischer Verfahren - verkettet in verteilten Datenbanken gespeichert werden. Ein Token ist allgemein ein Hilfsmittel zur Identifizierung und Authentifizierung (z. B. Zugang zu einer PC-Anwendung/App). Im Zusammenhang mit Kryptowährungen werden Token häufig wie Aktien oder Anteile an einem Projekt mit einem bestimmten Produkt oder einer Dienstleistung genutzt; sie können i. d. R. mit geringem Aufwand auf existierenden Blockchains erzeugt werden. Verkauft werden Token in sog. ICO.
Die Bundesregierung plant mit ihrer Blockchain-Strategie vom 18.9.2019, bis Ende 2021 Maßnahmen in fünf Handlungsfeldern zu ergreifen, um die Chancen der Blockchain-Technologie zu nutzen und ihre Potenziale zu mobilisieren:
- Stabilität sichern und Innovationen stimulieren: Blockchain im Finanzsektor
- Öffnung des deutschen Rechts für elektronische Wertpapiere, da bislang nicht vorgesehen ist, dass zivilrechtliche Wertpapiere auf einer Blockchain begeben werden können (zur Entstehung bedarf es der Verkörperung eines Rechts in einer Urkunde). Die Regulierung elektronischer Wertpapiere soll technologie-neutral erfolgen, so dass elektronische Wertpapiere auch auf einer Blockchain begeben werden können (zunächst beschränkt auf elektronische Schuld-verschreibungen; die Einführung einer elektronischen Aktie und elektronischer Investmentfondsanteile wird derzeit geprüft).
- Veröffentlichung eines Gesetzentwurfs zur Regulierung des Angebots bestimmter Krypto-Token - es besteht Konsens über eine europäische Lösung mit einer nationalen Regelung als Brückenlösung (vgl. BMF-/BMJV-Schreiben vom 7.3.2019).
- Schaffung von Rechtssicherheit für Handelsplattformen und Kryptoverwahrer - mit dem am 31.7.2019 verabschiedeten Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Änderungsrichtlinie zur Vierten EU-Geldwäscherichtlinie soll die Erlaubnis-pflicht auch auf Finanzdienstleistungen mit Kryptoanlagewerten sowie auf Wallet Provider ausgeweitet werden, welche für andere Kryptowerte private kryptografische Schlüssel verwahren, verwalten oder sichern.
- Mit der Richtlinie für E-Geld besteht in der EU grundsätzlich ein Regulierungs-regime für sog. Stablecoins; diese sollen aber keine Alternative zu staatlichen Währungen werden.
- Innovationen ausreifen: Förderung von Projekten und Reallaboren
- U. a. Berücksichtigung nachhaltigkeitsbezogener Anforderungen als wichtiges Entscheidungskriterium bei der Umsetzung staatlich geförderter oder initiierter Projekte im Bereich Blockchain-Technologie.
- Investitionen ermöglichen: Klare, verlässliche Rahmenbedingungen
- Durchführung eines „Round Table“ zu Blockchain und Datenschutz
- Technologie anwenden: Digitale Verwaltungsdienstleistungen
- Pilotierung blockchainbasierter digitaler Identitäten und Evaluierung geeigneter weiterer Anwendungen
- Informationen verbreiten: Wissen, Vernetzung und Zusammenarbeit
- Durchführung einer Dialogreihe zur Blockchain-Technologie (z. B. mit der Deutschen Bundesbank zu digitalem Zentralbankgeld)
Fazit
Der Markt der FinTech-Unternehmen, die digitale Investments im Crowdfunding-Sektor anbieten, ist auch dank der aufsichtsrechtlichen Erleichterungen, in den letzten Jahren stark gewachsen. Die jüngsten Regulierungsmaßnahmen, zu denen die Einführung der prospektfreien „EUR 8 Mio. Crowd-Anleihe“, die Erstreckung der Schwarmfinanzierungserleichterungen auf Genussrechte und die Anhebung regulatorischer Schwellenwerte gehören, dürften zu weiterem Wachstum führen. Andererseits ist aber auch mit Verdrängungswettbewerb und Konsolidierung durch Etablierung weniger, dafür aber größerer Player zu rechnen, was sich jetzt schon zeigt. Der Markt für die blockchainbasierten Security Token Offerings steht dagegen erst am Anfang. Wichtig ist hier, dass die derzeit bestehenden rechtlichen Unklarheiten, die sich aus dem Auseinanderfallen des aufsichtsrechtlichen Wertpapierbegriffs nach MiFID II und der Voraussetzungen einer Schuldverschreibung nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch ergeben, durch die zeitnahe Einführung eines elektronischen Wertpapiers, wie in der Blockchain-Strategie der Bundesregierung vorgesehen, behoben werden.