Der Sachverhalt:
Streitig ist, ob die Voraussetzungen einer doppelten Haushaltsführung im Streitjahr (2013) vorliegen. Die Kläger sind zusammenveranlagte Eheleute. Der Kläger ist nichtselbständig in B tätig. Die Kläger sind seit 2010 verheiratet und wohnten bis zur Abmeldung der Wohnung im April 2013 in A in einem Haus mit 160 qm. Der Kläger schloss im Dezember 2012 einen Mietvertrag über eine Zwei-Zimmerwohnung mit 53 qm in C ab. Das Mietverhältnis begann am 1.3.2013. Im Februar 2013 mietete die Klägerin eine Drei-Zimmerwohnung mit 82 qm in A. Das Mietverhältnis begann am 15.4.2013 auf unbestimmte Zeit zu laufen.
In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr setzte der Kläger die einfache Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte mit 47 km an. Außerdem machte er Mehraufwendungen für doppelte Haushaltsführung geltend. Das Finanzamt erkannte die in der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr geltend gemachten Aufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung nicht an. Eine ausschließliche oder weit überwiegende berufliche Veranlassung sei aufgrund der Gesamtumstände nicht gegeben sei. Zudem liege die zeitliche Ersparnis für das tägliche Aufsuchen der regelmäßigen Arbeitsstätte unter einer Stunde, so dass - genauso wie bei Umzugskosten - ein Abzug der Aufwendungen als Werbungskosten nicht in Betracht komme.
Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Die Revision zum BFH wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.
Die Gründe:
Es ist zwar nicht anzuzweifeln, dass der Kläger seinen Lebensmittelpunkt auch nach der Anmietung der Wohnung in C weiterhin in A hatte. Dennoch war der Klage der Erfolg zu versagen, denn als weitere Voraussetzung einer doppelten Haushaltsführung müssen der Ort des eigenen Hausstandes und des Beschäftigungsortes i.S.v. § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 S. 2 EStG auseinanderfallen.
Dabei ist unter Beschäftigungsort nicht die jeweilige politische Gemeinde zu verstehen, sondern der Bereich, der zu der konkreten Anschrift der Arbeitsstätte noch als Einzugsgebiet anzusehen ist. Ein Arbeitnehmer wohnt deshalb bereits dann am Beschäftigungsort, wenn er von seiner Wohnung aus ungeachtet von Gemeinde- und Landesgrenzen seine Arbeitsstätte in zumutbarer Weise täglich aufsuchen kann. Denn dann ist der Arbeitnehmer nicht i.S.v. § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 S. 2 EStG "außerhalb des Ortes", in dem er einen eigenen Hausstand unterhält, sondern bereits am Ort des eigenen Hausstandes beschäftigt. Dies schließt eine doppelte Haushaltsführung aus.
Ausschlaggebend ist insoweit nicht allein die Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Es ist vielmehr auf alle wesentlichen Umstände des Einzelfalls abzustellen und neben der Entfernung u.a. auch auf die Verkehrsanbindung mit privaten und öffentlichen Verkehrsmitteln abzustellen. Eine Wohnung am Beschäftigungsort kann danach regelmäßig angenommen werden, wenn sie in einem Bereich liegt, von dem aus der Arbeitnehmer üblicherweise täglich zu diesem Ort fahren kann. Dabei liegen Fahrzeiten von etwa einer Stunde für die einfache Strecke noch in einem zeitlichen Rahmen, in dem es einem Arbeitnehmer zugemutet werden kann, von seinem Hausstand die Arbeitsstätte aufzusuchen.
Für das Streitjahr hat der Kläger in seiner Einkommensteuererklärung erklärt, an 42 Tagen mit dem eigenen oder zur Nutzung überlassenen Pkw 47 km und an 178 Tagen 10 km zur regelmäßigen Arbeitsstätte zurückgelegt zu haben. Aufgrund von Staulagen zu den Hauptverkehrszeiten ist zur Bestimmung der tatsächlichen arbeitstäglichen Fahrzeit ein Zuschlag von täglich rund 20 bis 30 Minuten je einfache Fahrt zu machen, so dass davon auszugehen ist, dass die Fahrzeit für eine einfache Strecke im Bereich von einer Stunde liegt. Selbst wenn man öffentliche Verkehrsmittel einbezieht, ergibt sich ein vergleichbares Bild, denn der klägerische Arbeitsplatz ist von A nach der elektronischen Auskunft des Verkehrs- und Tarifverbund B durchschnittlich in 1:05 Stunden bis 1:11 Stunden erreichbar.
Unter den Bedingungen einer Großstadt, in der sich schon aufgrund des im Innenstadtbereich herrschenden Preisniveaus typischerweise die Wohnstätten der Beschäftigten in Randbereiche und auch über die politischen Grenzen einer Gemeinde hinaus verlagern, sind solche Fahrzeiten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte von etwa einer Stunde üblich und ohne weiteres zumutbar. Dies gilt insbesondere dann, wenn es - wie hier - ein ausgebautes Straßennetz sowie gut erreichbare öffentliche Nahverkehrsverbindungen gibt. Bei der Beurteilung der Gesamtumstände kommt es i.Ü. nicht darauf an, ob eine tägliche Fahrzeitverkürzung von mindestens einer Stunde eintritt. Denn diese Voraussetzung besteht nur bei der Frage der steuerlichen Berücksichtigung von Umzugskosten
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