Bis Mitte September 2019 konnten interessierte Kreise zur Konsultationsfassung „Hinweise Messen und Schätzen“ Stellungnahmen abgeben. Am 8.10.2020 hat die BNetzA die endgültige Fassung als „Leitfaden“ veröffentlicht.
Der Leitfaden umfasst 85 Seiten und damit 30 Seiten mehr als die Konsultationsfassung. Dieses Wachstum rührt vor allem daher, dass die BNetzA den Leitfaden mit Einzelbeispielen und Vereinfachungen gespickt hat. Ob das auch zu einer einfacheren Handhabung und zu mehr Klarheit bei den vielfältigen und häufig schwierigen Einzelfragen führt, wird sich zeigen.
Der Leitfaden dient dazu, das Grundverständnis der BNetzA zu den Fragen um die Anwendung der §§ 62a und 62b EEG 2017 darzustellen, und als Orientierungshilfe für die betroffenen Marktteilnehmer. Eingangs des Leitfadens stellt die BNetzA klar, dass der „Leitfaden zur Eigenversorgung“ aus dem Jahr 2016 nach wie vor gültig ist, aber im Lichte der Änderungen durch das EEG 2017 gesehen werden müsse. Insbesondere sei § 62a EEG 2017 vorrangig vor den Regelungen zu Bagatellverbräuchen im Leitfaden Eigenerzeugung.
Der jetzt vorgelegte Leitfaden Messen und Schätzen enthält eine Liste von 21 „Vereinfachungen“ in Gestalt von Vorschlägen an die Marktakteure zur Gestaltung von Messkonzepten in Fällen unterschiedlicher EEG-Umlagen. Diese Vereinfachungen werden anhand einer Vielzahl von Beispielen illustriert und für den Anwendungsbereich von § 62a EEG um eine Positivliste (Whitelist) und eine Negativliste (Blacklist) ergänzt.
Inhaltlich stellt der Leitfaden z. B. klar, dass für die Abgrenzung von Strommengen der Halter eines Elektromobils und nicht der Betreiber der Ladesäule Letztverbraucher ist. Die Mengengrenze für die Annahme von Bagatellverbräuchen bleibt grundsätzlich bei einem Verbrauch von ca. 3.500 kWh pro Jahr. Die Whitelist enthält Verbrauchsgeräte, deren Stromverbrauch aufgrund der geringen Leistungsaufnahme (i. d. R. bis zu 0,4 kW) der Geräte oder der üblicherweise kurzen Betriebszeit bei höherer Leistungsaufnahme immer als „geringfügig“ i.S.d. § 62a EEG anzusehen ist. Das sind beispielsweise Mobiltelefone, Laptops, Arbeitsplatzrechner oder Kühlschränke aber auch Wasserkocher oder Staubsauger. Die Blacklist enthält Geräte, deren Stromverbrauch aufgrund ihrer hohen Leistungsaufnahme grundsätzlich nicht als geringfügig anzusehen ist. Das sind z. B. Bautrockner, Server oder Ladeeinrichtungen für E-Mobile.
Breiten Raum nehmen die Ausführungen dazu ein, in welchen Fällen Schätzungen zur Abgrenzung von Strommengen zulässig sind und welche Grundsätze dabei beachtet werden müssen. Schätzungen sind danach grundsätzlich nur dann zulässig, wenn eine umlageerhöhende Zurechnung wirtschaftlich unzumutbar wäre, wenn also der Betrag an EEG-Privilegierung, der durch die umlageerhöhende Zurechnung verloren ginge, zu hoch würde. Alle Schätzungen müssen dem Grundsatz der „systematischen Überschätzung“ folgen, d. h. die Strommenge mit höherer EEG-Umlage muss allein aufgrund der Schätzmethode grundsätzlich höher sein, als bei einer Messung.
Auch die Ausführungen zur Zeitgleichheit sind deutlich ausführlicher geworden als in der Konsultationsfassung. Die BNetzA verweist wiederum ergänzend auf den Leitfaden Eigenversorgung und die Ausführungen der Clearingstelle im Empfehlungsverfahren 2014/31. Die Ausführungen zur sog. „gewillkürten Vorrangregelung“ und zur „gewillkürten Nachrangregelung“ werden konkretisiert und mit Beispielen unterlegt.
Hinweis
Die BNetzA macht es dem Anwender mit dem Leitfaden nicht immer leicht, in der Flut von Vereinfachungen, Beispielen, Unterbeispielen und Verweisen die richtige Sachverhaltskonstellation zu finden. Gerade noch rechtzeitig zum Auslaufen der Übergangsregelungen zum Ende des Jahres gibt der Leitfaden Orientierung im schwierigen Feld der Drittmengenabgrenzung. Ob die Inhalte sich in der Praxis gegenüber Netzbetreibern, Eichbehörden und möglicherweise Gerichten durchsetzen, bleibt abzuwarten.