Diese Faktoren entscheiden letztlich, ob und zu welchem Preis es zu dem Unternehmenskauf kommt. Ein umfassendes Bild erhalten die Bieterunternehmen im Rahmen von Due Diligences. Wie solche Due Diligence-Prüfungen ablaufen, welche Daten generiert und welche Erkenntnisse hieraus gezogen werden, darüber sprechen wir mit Torsten Janßen, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater und Partner bei Ebner Stolz in Bonn.
Im Rahmen einer Due Diligence wird ein potenzielles Zielunternehmen auf Herz und Nieren geprüft. Von wem wird eine Due Diligence in der Regel durchgeführt?
Im Bereich Financial und Tax wird die Due Diligence typischerweise von Wirtschaftsprüfern und Steuerberatern durchgeführt. Bei Legal Due Diligences sind Rechtsanwälte hinzuzuziehen. Und wird eine Due Diligence auch im Bereich Commercial erforderlich, zieht man zusätzlich Unternehmensberater hinzu. Gerade in diesen vier Kernbereichen bietet es sich an, die Due Diligence einer multidisziplinären Kanzlei zu übertragen, um so Friktionen in der Kommunikation zu reduzieren und Interdependenzen zwischen den Disziplinen auszunutzen.
Oftmals stellen Verkäufer bereits ein Fact Books zur Verfügung oder sie lassen eine Vendor Due Diligence durchführen. In diesem Fall beauftragt der Verkäufer externe Wirtschaftsprüfer, Steuerberater und Rechtsanwälte mit der Durchführung einer Due Diligence und der Erstellung eines anschließenden Due Diligence Berichts. Inwiefern sind derartige Unterlagen für Kaufinteressen hilfreich bzw. kann sich ein Käufer hierauf verlassen oder empfiehlt es sich aus Käufersicht regelmäßig, eine eigene Due Diligence-Prüfung durchzuführen?
Fact Books in den Due Diligence-relevanten Bereichen geben den Erwerbern bereits fokussierte Informationen, die diese für die eigene Betrachtung der Opportunität nutzen können. Dies befreit den jeweiligen Erwerber allerdings nicht von der Durchführung eigener Untersuchungen. Fact Books dienen in erster Linie der konzentrierten Darstellung von Einkommensquellen (Quality of Earnings) sowie von Bereinigungen von Vergangenheitsergebnissen zur Ableitung eines „normalisierten“ Ergebnisses und damit einer stabilen Basis für die Ermittlung der zu erwartenden Zukunftsergebnisse (zur Ableitung des Unternehmenswertes). Zudem ermöglichen Fact Books die Ermittlung der sog. Equity-Bridge und damit die Überleitung vom Unternehmenswert zum Kaufpreis. Auch kann dadurch bereits das notwendige Trade- bzw. Working-Capital ermittelt werden. Daraus leitet sich der Marktwert des Eigenkapitals, der sog. Equity-Wert, ab.
Eine Vendor Due Diligence wird üblicherweise im Rahmen eines breit angelegten Veräußerungsprozesses beauftragt, in dem der Veräußerer weder über die Kapazitäten verfügt noch die Bereitschaft besitzt, sich mit einem breiten potenziellen Käuferkreis auseinander zu setzen. Auch wenn die Vendor Due Diligence vom Verkäufer beauftragt ist, folgt sie den Kriterien, die an eine käuferseitige Due Diligence zu legen sind.
Wie ist das Procedere bei einer Due Diligence. Gibt es heute immer noch sterile Büroräume mit unzähligen Aktenordnern, die zu durchforsten sind, um die Verhältnisse des Unternehmens zu durchschauen und mögliche Risiken zu erkennen?
Eine „Vor-Ort-Due Diligence“ gibt es heute so gut wie gar nicht mehr. War es vor circa 15 bis 20 Jahren üblich - bewaffnet mit Block und Bleistift ohne Laptop - in einem physischen Datenraum die Due Diligence Handlungen durchzuführen, kommen heute ganz überwiegend elektronische Datenräume (VDR - Virtual Data Rooms) zur Anwendungen. Dort werden die erforderlichen Informationen mittels Digitalisierung deutlich besser verarbeitbar zur Verfügung gestellt. Es existieren sog. Q&A-Tools (Fragen/Antworten-Applikationen). Damit ist die Nachvollziehbarkeit der Nutzung und des Ablaufs der Käufer-Due Diligence erheblich verbessert dokumentierbar. Darüber hinaus bieten VDRs einen erheblichen Comfort, da der digitale Datenrauminhalt üblicherweise als Anlage dem Kaufvertrag beigefügt wird. Dies ist deshalb von Bedeutung, als die Sachverhalte im Sinne einer Wissenszurechnung dann als bekannt unterstellt werden können.
Die Technik einer Due Diligence-Untersuchung hat sich also geändert. Gab es über den Zeitverlauf auch inhaltliche Verschiebungen?
Inhaltlich liegen den Untersuchungen zwischenzeitlich noch etwas stärker ökonomische Betrachtungsweisen zugrunde, um einem potenziellen Erwerber die wirtschaftlichen Implikationen aufzuzeigen - dies können neben einer intensiveren Analyse der Rohertragsmargen insbesondere Liquiditätsbedarfe aus der Working Capital-Entwicklung heraus sein oder auch Effekte auf den eigenen Abschluss basierend auf einer „Pre Purchase Price Allocation“, um zu erkennen, wie sich eigene finanzielle Kenngrößen verändern. Aber natürlich ist weiterhin zentraler Bestandteil der Due Diligence die Beurteilung der Robustheit der Datengrundlage als solches.
Vermehrt kommen hierbei auch Tools zur Massendatenanalyse zum Einsatz. Gerade bei Unternehmen mit breitem Produktspektrum oder auch einer Vielzahl an Kunden oder Lieferanten lassen sich hierbei aufschlussreiche Analysen anstellen, die mitunter auch das Management der Zielunternehmen überraschen. Dies ist für uns bei Ebner Stolz ein ganz dynamisches Feld, in dem wir einerseits unterschiedliche Analysetools einsetzen und damit auch versuchen, deren Möglichkeiten auszubauen. Andererseits ist die Verbindung zu unseren Beratungsleistungen im Bereich „Process Mining“ spannend. Wir können uns damit bereits im Rahmen der Due Diligence ein „digitales Röntgenbild“ des Unternehmens verschaffen, das wir nach einem Erwerb dazu nutzen, Prozessoptimierungen gemeinsam mit dem Zielunternehmen und dem Erwerber umzusetzen.
In welchen Bereichen sind Due Diligence-Prüfungen durchzuführen, wenn ein Unternehmen erworben werden soll? Gibt es Besonderheiten bei der Durchführung?
Typischerweise sind mindestens Financial, Tax und Legal Due Diligence-Prüfungen durchzuführen. Dabei richtet sich die Intensität deutlich nach der Größe und Komplexität des Erwerbsobjektes. Von „agreed-upon-procedures“ über „red-flag“ bis zur „full-scope“ Due Diligence-Prüfung sind verschiedene Abstufungsgrade denkbar. Bei agreed-upon-procedures wird lediglich über festgestellte Tatsachen ohne eigene Bewertung des Prüfenden in einem engen Auftragsrahmen berichtet. Red-flag-Prüfungen konzentrieren sich ausschließlich auf sog. Deal-breaker und kommen vielfach aus Zeit- und Effizienzgründen zur Anwendung. Eine umfassende Prüfung des Zielunternehmens und Aufbereitung der Prüfungsergebnisse erfolgt schließlich im Rahmen einer full-scope Due Diligence.
Häufig unterteilt sich die Due Diligence in eine erste Phase, die einen red-flag-Charakter besitzt, und in eine zweite, die als Confirmatory Due Diligence eher detailliertere Untersuchungen vorsieht und auch zu Beginn ausgesparte Bereiche ausleuchtet. Dies dient u. a. der „Prozessökonomie“: Man sieht sich das Zielunternehmen erst einmal „aus der Vogelperspektive“ an und entscheidet danach, ob eine vertiefte Auseinandersetzung überhaupt sinnvoll ist. Mitunter sieht dies aber auch der Verkäufer so vor, da er nach der ersten Phase ein bestätigendes Angebot einfordert. Nur wer diese Hürde nimmt, gelangt als Bieter in die nächste Phase. Ist das zum Verkauf stehende Unternehmen eher klein, empfiehlt sich allerdings die Analyse in einem Schritt. Dies reduziert die Belastung der betroffenen Mitarbeiter beim Zielunternehmen und ist meist die effizientere Lösung.
Was sind die neuralgischen Punkte bei der Legal, Financial und der Tax Due Diligence?
Bei allen Formen der Due Diligence geht es primär um die Identifikation und Bewertung von möglichen Risiken im Zusammenhang mit dem Erwerbsobjekt und der Transaktion. Aber gerade bei einer Financial Due Diligence ist die Identifikation des bereinigten nachhaltigen Ergebnisses, der sog. zinstragenden Verbindlichkeiten (net-debt) und des Target Trade- bzw. Working-Capitals, das das Erwerbsobjekt zur Fortführung seines Unternehmens mindestens benötigt, von Bedeutung. All diese Größen fließen dann in die Ermittlung des Unternehmenswertes (Entity-Value) bzw. die Überleitung (Equity-Bridge) zum Wert des zu zahlenden Eigenkapitalwertes (Equity-Values) ein. Dazu gehört natürlich auch die Identifikation und wertmäßige Ermittlung von latenten Verpflichtungen, die sich aus der Financial, Tax und Legal Due Diligence ergeben.
Gerade im Bereich Intellectual-Property (IP) ergeben sich jüngst nicht unerhebliche Risiken für die Möglichkeit zur nachhaltigen Ergebniserzielung bzw. Unternehmensfortführung.
Welches sind die Knackpunkte bei einer Due Diligence, die dann zum Scheitern einer Transaktion führen können?
Deal-breaker sind im Regelfall nicht quantifizierbare Risiken, wie beispielsweise Verletzungen von geistigem Eigentum. Aber auch im Bereich des Business-Modells ist ein besonderes Augenmerk gerade in regulierten Branchen zu legen. So sind beispielsweise Zukunftsplanungen im Bereich des Absatzes von Dieselfahrzeugen, SUVs oder ähnlichen öffentlichkeitskritischen Bereichen einer besonderen und detaillierten Betrachtung zu unterziehen.
Inwiefern münden die Erkenntnisse aus einer Due Diligence in die Unternehmensbewertung und die anschließende Kaufpreisfindung?
Letztlich prägen die Ergebnisse der jeweiligen Due Diligence die Unternehmenswerte, da diese üblicherweise als Discounted Cash-Flow (DCF-) Modell ermittelt werden. Dies erfolgt entweder direkt über Abschläge in den Zukunftserfolgen oder im Rahmen der Überleitung von Unternehmenswert zu Eigenkapitalwert. Definitiv resultieren aus den Feststellungen der Due Diligence auch Auswirkungen auf die Kaufpreisermittlung. Diese sind mitunter ganz erheblich.
In welchen weiteren Bereichen sind zusätzliche Due Diligences empfehlenswert?
Je nach Branchenspezifika kann eine Umwelt-Due Diligence, aber auch bei energieintensiven Unternehmen, eine Energy-Due Diligence angezeigt sein. Im Einzelfall wird sich der Erwerber immer fragen müssen, welche Bereiche einer gesonderten fachspezifischen intensiveren Betrachtung unterzogen werden sollten.
Zunehmend wichtiger wird auch das Thema Interkulturelle Due Diligence, da in den kulturellen Unterschiedlichkeiten gerade im Bereich der Post-Merger-Integration zukünftig erhebliches Konfliktpotenzial bestehen kann. Dies gilt auch bei vermeintlich „einfach“ zu verstehenden Kulturen, wie etwa USA, Frankreich etc. Daher haben wir bei Ebner Stolz bereits vor Jahren auf die Anforderungen unterschiedlicher kultureller Hürden reagiert, indem wir Kollegen unseres internationalen Netzwerks in unsere Transaction Services Teams integrieren - temporär oder auch dauerhaft. Dadurch hat sich ein unglaublich internationales Mind-set bei unseren Mitarbeitern entwickelt.
Sie sprechen das Thema Interkulturelle Due Diligence und die Herausforderungen im Bereich einer Post-Merger-Integration an. Interkulturelle Themen sind nirgendwo dokumentiert. Welche Auswirkungen hat dies auf die Durchführung einer solchen Due Diligence?
Im Rahmen eines Transaktionsprozesses sind die rechtlichen und sonstigen regulatorischen Rahmenbedingungen sicherlich das Eine. Damit aber eine Transaktion zum Erfolg wird, ist es unabdingbar, dass die Berater das nötige Fingerspitzengefühl und vor allem auch psychologisches Gespür haben. Ein neutraler Dritter vermag häufig besser zu erkennen, was machbar ist, will sagen, der objektive Blick von außen sieht eher, ob die Kulturen und Menschen aus zwei Welten zusammenpassen oder nicht. Darüber hinaus ist psychologisches Geschick natürlich auch im Taktieren um den Kaufvertrag besonders hilfreich. Hier kommt es oftmals auf Nuancen und Gesten an, um herauszulesen, was die andere Seite möchte. Das gilt bei uns - und in besonderem Maße auch bei Transaktionen im asiatischen Raum.
Diese Anforderungen sind sicherlich nicht trivial. Welches psychologische Handwerkszeug muss dazu ein Berater, neben der Fachexpertise, mitbringen?
Nun, es ist sicherlich das genannte Fingerspitzengefühl, aber auch die Fähigkeit, sich auf Menschen einzustellen und deren Motive zu verstehen. Wie ist die Risikoneigung des potenziellen Käufers? Wie ist die Situation des Verkäufers? Erwartet er beispielsweise eine Maximierung des Kaufpreises oder ist es ihm wichtig, dass sein „Lebenswerk“ möglichst stabil erhalten bleibt.
Als Berater hat man auch die Verantwortung, den Prozess gut anzuleiten. Darum muss man seinen Mandanten ein Stück weit an die Hand nehmen und ihn durch den Prozess führen, ohne in seine Entscheidungskompetenz hineinzuwirken. Generell gilt: Je besser es einem Berater gelingt, sich auf alle Beteiligten einzustellen und zu einem konstruktiv-positiven Prozessfortschritt beizutragen, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit eines erfolgreichen Abschlusses. Erfahrene Parteien wählen daher nach diesem Kriterium ihre Berater aus.
Bearbeitungsstand: 06.11.2019