Am 23.2.2018 hat die EBA die deutsche Fassung der finalen „Leitlinien zu verbundenen Kunden gemäß Artikel 4 Absatz 1 Nummer 39 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013“ (EBA/GL/2017/15) veröffentlicht. Die EBA-Leitlinien konkretisieren die Tatbestandsmerkmale zur Zusammenfassung von einzelnen Kreditnehmern zu Gruppen verbundener Kunden (GvK) nach den CRR-Vorgaben und lösen die durch die CEBS in 2009 veröffentlichten „Guidelines on the implementation of the revised large exposure regime“ ab. Darüber hinaus werden in den EBA-Leitlinien Neuerungen aus dem Baseler Rahmenwerk zur Messung und Überwachung von Großkrediten aufgegriffen (BCBS 283).
Hinweis
Die EBA-Leitlinien werden infolge des „comply or explain“-Verfahrens der EBA bzw. über die EZB ab dem 1.1.2019 für alle Institute gelten und das BaFin-Rundschreiben 8/2011 ablösen.
Die EBA-Leitlinien befassen sich mit zwei Arten von Verbindungen, die zum sog. „Single Risk“ führen: Verbundenheit durch Kontrolle und Verbundenheit durch wirtschaftliche Abhängigkeit.
Verbundenheit durch Kontrolle
Gemäß den Vorgaben der EBA ist das Konzept der Kontrolle in erster Linie nach dem Mutter-Tochter-Verhältnis gemäß der EU-Konzernbilanzrichtlinie (2013/34/EU) oder der IFRS-Konsolidierungsstandards (Verordnung (EG) Nr. 1606/2002) zu beurteilen. Sofern diese Grundsätze nicht anwendbar sind (beispielsweise bei natürlichen Personen oder bei Abschlüssen nach Rechnungslegungsvorschriften von Drittstaaten), haben Institute eine Untersuchung anhand von im Leitfaden vorgegebenen Merkmalen durchzuführen. Bei Vorliegen eines der folgenden Kriterien wird stets von einem Kontrollverhältnis ausgegangen (Kontrolltatbestände):
- Stimmrechtsmehrheit,
- Recht oder Fähigkeit, die Mehrheit der Mitglieder des Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgans zu bestellen oder abzuberufen, oder
- Recht oder Fähigkeit, gemäß einem Vertrag oder aufgrund von Satzungsbestimmungen beherrschenden Einfluss auszuüben.
Darüber hinaus sollen bei der Beurteilung auch weitere Kontrollindikatoren Berücksichtigung finden:
- Entscheidungsbefugnis zur Strategie- und Geschäftstätigkeit,
- Entscheidungsbefugnis über wichtige Transaktionen,
- Recht oder Fähigkeit, die Geschäftsführung eines Unternehmens mit derjenigen anderer Unternehmen abzustimmen, um ein gemeinsames Ziel zu verfolgen, oder
- Halten von mehr als 50 % der Kapitalanteile.
Wenn Institute in Ausnahmefällen nachweisen können, dass trotz eines Kontrollverhältnisses zwischen den Kunden im Hinblick auf das Risiko keine Einheit besteht (Widerlegung des „Single Risk“), sollten die relevanten Umstände detailliert und nachvollziehbar dokumentieren werden.
Verbundenheit durch wirtschaftliche Abhängigkeit
Bei der Beurteilung der wirtschaftlichen Abhängigkeit zwischen ihren Kunden sollten die Institute die besonderen Umstände jedes Einzelfalls berücksichtigen. Entscheidend ist insbesondere die Frage, ob finanzielle Schwierigkeiten oder der Ausfall eines Kunden zu Finanzierungs- oder Rückzahlungsschwierigkeiten bei einem anderen Kunden führen würden (bisher erst bei Vorliegen von „existenzbedrohenden Abhängigkeiten“).
Hinweis
Anders als im Konsultationsentwurf gibt die EBA keine quantitativen Untergrenzen vor, wodurch den Instituten mehr Spielraum bei der Einschätzung der wirtschaftlichen Abhängigkeiten eingeräumt wird.
Ein Indizienkatalog soll den Instituten bei der Bestimmung der wirtschaftlichen Abhängigkeit erste Anhaltspunkte geben. Eine Widerlegung des „Single Risk“ ist hier ebenfalls unter erhöhten Dokumentationsanforderungen zugelassen.
In Folge der Vorgaben des BCBS 283 geben die EBA-Leitlinien eine Wesentlichkeitsgrenze für den Intensitätsgrad der Analyse der wirtschaftlichen Abhängigkeit vor. Eine umfassende und intensive Prüfung der möglichen Abhängigkeiten sowie Einholung von weiterführenden Informationen über den Kunden hinaus hat bei einem Verhältnis aller Risikopositionen des Kunden (Einzelkundenbasis) zum Kernkapital des Instituts (Einzelinstitut oder Gruppenebene) von mehr als 5 % zu erfolgen.
Hinweis
In allen Fällen unterhalb der vorgegebenen Grenze ist eine Klärung der wirtschaftlichen Abhängigkeiten im Rahmen der Kreditvergabe- und Bearbeitungsprozesse auf Basis der vorliegenden Informationen (z. B. gemäß § 18 KWG) ausreichend.
Verhältnis zwischen Verbundenheit durch Kontrolle und durch wirtschaftliche Abhängigkeit
Die EBA verdeutlicht in ihren Leitlinien, dass Unternehmen unterschiedlicher Kontrollgruppen ebenfalls zusammenzufassen sind, wenn aufgrund wirtschaftlicher Abhängigkeiten zwischen einzelnen Unternehmen der Kontrollgruppen eine mögliche Ansteckungskette („Dominoeffekt“) besteht. Dabei wird zwischen abwärts und aufwärts gerichteter Ansteckung unterschieden. Die Finanzinstitute haben ausreichende Informationen über alle Unternehmen einzuholen, die eine mögliche Ansteckungskette bilden.
Hinweis
Bei „verschachtelten“ Abhängigkeiten wird seitens der EBA u. U. akzeptiert, wenn das Finanzinstitut nicht in der Lage ist, Kenntnis von der Ansteckungskette zu erlangen und die Gruppe möglicherweise nicht richtig gebildet wird.
Die Umsetzung der Neuerungen durch die EBA-Leitlinien wird die Institute vor Herausforderungen stellen. Übergangsfristen nach dem 1.1.2019 sind nicht vorgesehen, daher müssen die Institute zeitnah eine Überarbeitung des internen Organisationswesens sowie der meldetechnischen Vorgaben, einschließlich der Anpassungen der vorhandenen IT-Infrastrukturen, anstoßen. Eine rechtzeitige GAP-Analyse des aktuellen Kundenbestands ist ebenfalls geboten.
Hinweis
Die Änderungen durch die EBA-Leitlinien betreffen auch die Anforderungen an die Kreditprozesse, die auf den einheitlichen GvK-Begriff zurückgreifen (z. B. anwendbare Kreditkompetenz, Einstufung für risikoorientierte MaRisk Öffnungsklauseln, Offenlegung nach § 18 KWG, Einhaltung der Organkreditvorschriften).