In jedem Fall werden in den nächsten Monaten und Jahren sehr viele Unternehmen bestehende oder neue SAP S/4 Lösungen an den Start bringen müssen. Das betrifft allein im Bereich der Jahresabschlussprüfungen bei Ebner Stolz annähernd 200 Unternehmen- und Unternehmensgruppen. Doch auch die Nutzung der SAP-Systeme birgt Herausforderungen. Eine davon ist das äußerst komplexe SAP-Berechtigungskonzept. Damit dieses sinnvoll vom Mandanten im Griff und vom Prüfer auch beurteilt werden kann, gibt es wiederum spezielle Softwarepakte. Die Komplexität ergibt sich zum einen aus der vieldimensionalen technischen Konzeption der SAP, aber auch aus einer vielschichtigen Implementierung der überwiegend betriebswirtschaftlichen Prozesse.
Ebner Stolz arbeitet seit langen Jahren in diesem Themenfeld mit der IBS Schreiber GmbH, einem SAP-Security-Spezialisten, vertrauensvoll zusammen. Mit einem Kooperationsvertrag heben beide Unternehmen ihre Zusammenarbeit auf eine neue Ebene. Warum eine extra Software außerhalb von SAP für diese Berechtigungskonzepte erforderlich ist und wie die Zusammenarbeit zwischen Ebner Stolz und IBS Schreiber erfolgt, darüber sprechen wir mit Sebastian Schreiber, Geschäftsführer der IBS Schreiber GmbH, und Holger Klindworth, Geschäftsführer und Partner bei Ebner Stolz.
Herr Klindtworth, aus welchem Grund sind Berechtigungskonzepte bei der Nutzung von SAP-Software erforderlich?
Holger Klindtworth: Ein wesentliches Konzept bei der Sicherstellung eines Unternehmenserfolges und bei der Einhaltung von gesetzlichen Rahmenbedingungen ist die Einrichtung interner Kontrollsysteme. Zu internen Kontrollsystemen gehört auch die Einrichtung von Funktionstrennungen. Der Mitarbeiter im Unternehmen, der bestellt, darf nicht Zahlungen auslösen. Der Mitarbeiter, der eine Gutschrift in der Materialwirtschaft bucht, darf keine Wareneingangskontrolle durchführen etc. etc. etc.
Dies ist nicht nur im Sinne des Unternehmens, sondern wird auch von Handelsrecht, Steuerrecht, Datenschutz, Aufsichtsrecht und eigentlich allen anderen Rechtsgebieten - außer vielleicht vom Scheidungsrecht, hier ist es ja irgendwie immanent verpflichtend - gefordert. Habe ich als Unternehmen keine Funktionstrennung eingerichtet und es erfolgt eine Veruntreuung, z. B. durch Zahlung unberechtigter Rechnungen, ist dies z. B. aus Sicht der Finanzverwaltung gemäß BMF-Schreiben aus dem Jahr 2016 ein Indiz für eine billigend in Kauf genommene Steuerhinterziehung im Rahmen von falsch deklarierten Betriebsausgaben.
Jetzt stellen Sie sich das Ganze für Unternehmen mit hunderten Mitarbeitern und Prozessen in einer komplexen dynamischen Unternehmensorganisation vor. Das funktioniert nur mit entsprechenden Lösungen sowohl bei der Einrichtung als auch bei der Pflege der Berechtigungen, aber eben auch bei der Prüfung und Beurteilung der Angemessenheit der Funktionstrennung.
Herr Schreiber, wie kann sich der Laie ein solches SAP-Berechtigungskonzept vorstellen?
Sebastian Schreiber: Zunächst sollte ein Berechtigungskonzept schriftlich vorliegen und allen Verantwortlichen bekannt sein, bevor dies technisch umgesetzt wird. Darin gilt es vor allen Dingen, spezielle Risiken im Berechtigungswesen darzustellen und zu definieren, wie diese Risiken durch Kontrollen minimiert werden. Dazu gehören auch die von Holger beschriebenen Funktionstrennungen. Es gibt die Möglichkeit, diverse technische Kontrollen, wie beispielsweise Freigabeworkflows, 4-Augen-Prinzipien und die Berechtigungsvergabe über IDM Werkzeuge, in SAP-Systeme zu implementieren. Des Weiteren gibt es auch organisatorische Kontrollen, wenn eine technische Kontrolle nicht ausreichend ist, welche ebenfalls in einem Berechtigungskonzept definiert sein sollen. Eine große Herausforderung stellt in den Unternehmen die Definition der Risiken dar. In vielen Fällen ist nicht bekannt, welche Daten besonders sensibel sind, wie auf diese zugegriffen wird und wie die technische Berechtigung im SAP-System für diesen Zugriff aussieht. Das macht das Thema sehr komplex und es ist oft schwierig, Verantwortliche im Unternehmen zu finden, die sich mit dem Thema befassen, da dies meist neben dem Tagesgeschäft erledigt werden muss. Hier müssen die Verantwortlichen aus den Fachbereichen Verantwortung übernehmen – das ist kein reines IT-Thema! Meist fehlt für solche Kontrollen das technische Knowhow in den Fachbereichen.
Warum benötige ich als SAP-Nutzer eine spezielle Software, um den Überblick über das Berechtigungskonzept zu wahren?
Sebastian Schreiber: Wie in der letzten Antwort schon angerissen, sehen wir unsere Software auch als Bindeglied zwischen IT und Fachbereich. Wir haben schon sehr viele Risiken vordefiniert, die per Knopfdruck überprüft werden können. Zu jedem dieser Risiken haben wir eine Risikobeschreibung und wir haben ein Reporting, das für jeden Fachbereich sehr verständlich ist. Wichtig ist, dass der Fachbereich die Reports versteht, damit die Bewertung der Ergebnisse ordnungsmäßig durchgeführt werden kann.
Unsere Risiken können problemlos durch weitere unternehmensspezifische Risiken ergänzt werden.
Und… wie ist gewährleistet, dass diese Software die erforderlichen Qualitätsstandards erfüllt?
Sebastian Schreiber: Wir setzen hier sehr auf Qualität und investieren eine Menge in den Auf- und Ausbau unserer Regelwerke. Hier haben wir unsere Berater, die zusammen mit Kunden und Partnern ständig daran arbeiten, unsere Regelwerke zu erweitern und zu aktualisieren. Außerdem haben wir die Möglichkeit, automatisch zu kontrollieren, welche Sicherheitseinstellungen der Kunde in seinem SAP-Customizing aktiviert hat, um dann auch nur diese zu prüfen (bspw. Vier-Augen-Prinzip etc.).
Außerdem haben wir unsere Regelwerke und unsere Entwicklungsprozesse von Ebner Stolz nach den relevanten IDW-Standards zertifizieren lassen.
Herr Klindtworth, warum ist die Kooperation zwischen Ebner Stolz und IBS Schreiber sinnvoll und erforderlich, konkret: aus welchem Grund ist es aus der Sicht der Wirtschaftsprüfer wichtig, dass ein funktionierendes Berechtigungskonzept vorliegt?
Holger Klindtworth: Wie bereits erwähnt, ist die Beurteilung von Prozessen und Systemen eng mit dem Begriff internes Kontrollsystem und damit auch mit dem Begriff der Funktionstrennung verknüpft. Für uns ist eigentlich jede Prüfung immer auch eine Prüfung der Funktionstrennung. Jetzt haben wir mal ein typisches SAP-System mit tausend Benutzern, fünfzigtausend Datentabellen, hunderten von Prozessen - hier ist eine manuelle Prüfung der vergebenen Berechtigungen manuell faktisch nicht möglich, hier brauchen wir eine softwaretechnische Unterstützung. Das haben wir auch in der Vergangenheit genutzt, aber durch die Zusammenarbeit mit IBS können wir jetzt unsere Prüfungen viel besser auf die Gegebenheiten beim Mandanten und die Risikolage zuschneiden. Mit einem Gleichnis aus der Logistik gesprochen, wir haben jetzt einen Lastwagenhersteller, der uns genau den LKW baut, den wir benötigen, um die Güter unseres Mandanten zu transportieren, nicht zu groß, nicht zu klein. Auf der anderen Seite versetzen wir IBS in die Lage, durch unser in Jahrzehnten angewachsenes Prozess-Know how genau die LKWs zu bauen, die auch die Kunden von IBS benötigen und natürlich teilen wir auch unser SAP Know-how.
Hier haben IBS und auch wir viel Erfahrung, aber eins ist jedem Marktteilnehmer klar, der sich professionell und im Sinne seiner Kunden/Mandanten mit dem Thema beschäftigt: Der wahre Widersacher für den IT-Prüfer ist nicht der Wettbewerber im Markt, die wahren Widersacher haben die Namen Komplexität und Nachvollziehbarkeit und natürlich auch Wirtschaftlichkeit. Ein offener Informationsaustausch der Fachleute auf Augenhöhe im Sinne von „Quid quo pro“ ist in der Welt der IT-Prüfung dringender erforderlicher denn je.
Wie erfolgt die Zusammenarbeit zwischen IBS Schreiber und Ebner Stolz? Welcher Mehrwert ergibt sich dadurch für mittelständische Unternehmen?
Sebastian Schreiber: Der Mehrwert ergibt sich daraus, dass wir die Prüfungsanforderungen, die sich aus diversen Regularien ergeben, durch unser vereintes Know-how sehr effizient für die Kunden umsetzen können. Das spart Kosten, gerade auch für Unternehmen ohne eigene Compliance-Abteilung.
Gibt es Themengebiete der Kooperation, die über die Prüfung von SAP-Berechtigungen hinaus gehen?
Holger Klindtworth: JA. Wir planen auch eine Unterstützung bei der Weiterentwicklung der IBS Produkte, gerade auch bei der Qualitätssicherung und es wird sicherlich auch gemeinsame Veranstaltungen für unsere Mandanten und die Kunden von IBS geben. Wir haben bei Ebner Stolz auch eigene Softwareentwicklung für unsere Prüfungswerkzeuge. Unsere „Werkzeugmacher“ und die Entwickler von IBS nutzen hier sehr ähnliche Entwicklungsumgebungen und Programmiersprachen. So ist auch hier eine engere Zusammenarbeit in Zukunft vorgesehen.