Das Bundeskabinett hat am 03.03.2021 den Entwurf eines Gesetzes über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten, sog. Sorgfaltspflichtengesetz, beschlossen. Der Bundestag hat dieses Gesetz am 14.06.2021 verabschiedet und der Bundesrat hat das umgangssprachlich auch als Lieferkettengesetz bezeichnete Regelwerk am 25.06.2021 gebilligt, ohne ein Vermittlungsverfahren einzuleiten. Damit müssen größere deutsche Unternehmen in ihren weltweiten Lieferketten bestimmte menschenrechtliche und umweltbezogene Sorgfaltspflichten in angemessener Weise, etwa durch die Einführung eines Risikomanagements, eines Beschwerdeverfahrens sowie von Berichts- und Dokumentationspflichten, einhalten.
Unternehmen werden sukzessive in die Pflicht genommen
In einer abgestuften Verantwortlichkeit müssen deutsche Unternehmen ihre gesamte Lieferkette im Blick haben. Erlangt das Unternehmen Kenntnis von einem Missstand in der Lieferkette, muss es für Abhilfe sorgen. Dies wird behördlich überwacht. Darüber hinaus sollen Nichtregierungsorganisationen und Gewerkschaften die Möglichkeit erhalten, Betroffene vor deutschen Gerichten bei Verstößen gegen Standards in Lieferketten zu vertreten.
Hinweis: Bisher konnten Geschädigte nur selbst gegen entsprechende Verstöße klagen. Praktisch scheiterte dies regelmäßig an den Lebensumständen.
Die Regelungen des Lieferkettengesetzes gelten ab 01.01.2023 für Unternehmen mit mindestens 3.000 Mitarbeitern. Ab. 01.01.2024 werden die Regelungen auf Unternehmen mit mindestens 1.000 Mitarbeitern ausgeweitet. In verbundenen Unternehmen sind alle Arbeitnehmer sämtlicher konzernangehöriger Gesellschaften zu berücksichtigen.
Menschen- und umweltrechtliche Risikoanalyse
Betroffene Unternehmen müssen eine menschenrechtliche Risikoanalyse vornehmen, Präventions- und Abhilfemaßnahmen im eigenen Geschäftsbereich und gegenüber unmittelbaren Zulieferern ergreifen, Beschwerdemöglichkeiten einrichten und über ihre Aktivitäten berichten. Anders als zunächst vorgesehen, müssen auch ausländische Unternehmen mit Zweigniederlassung oder Tochterunternehmen in Deutschland die aus dem Lieferkettengesetz resultierenden Verpflichtungen erfüllen. Bei der Bemessung der Mitarbeiterzahl sind ins Ausland entsandte Beschäftigte mit zu berücksichtigen.
Das Gesetz legt die Anforderungen an ein verantwortliches Risikomanagement für bestimmte Unternehmen fest und definiert als „menschenrechtliche Risiken“ drohende Verstöße gegen ausdrücklich aufgezählte Verbote, etwa das Verbot der Beschäftigung schulpflichtiger Kinder. Ein entsprechendes Risikomanagement muss mit angemessenen Maßnahmen im Unternehmen verankert werden. Dabei sind Maßnahmen wirksam, die es ermöglichen, menschenrechtliche und umweltbezogene Risiken zu erkennen, Verletzungen geschützter Rechtspositionen oder umweltbezogener Pflichten vorzubeugen, zu beenden oder zu minimieren, wenn Unternehmen diese Risiken oder Verletzungen innerhalb der Lieferkette verursacht oder dazu beigetragen haben. Innerhalb des Unternehmens muss organisatorisch festgelegt werden, wer für die Überwachung dieses Risikomanagements zuständig ist. Umweltrisiken werden von dem Sorgfaltspflichtengesetz ebenfalls umfasst, soweit diese zu Menschenrechtsverletzungen führen können. Zudem werden umweltbezogene Pflichten etabliert, die sich aus zwei internationalen Abkommen zum Schutz vor den Gesundheits- und Umweltgefahren durch Quecksilber und langlebige organische Schadstoffe ergeben.
Klassischer Mittelstand zunächst nur mittelbar betroffen
Der klassische Mittelstand ist von diesen Maßnahmen zunächst nicht unmittelbar betroffen. Eine mittelbare Betroffenheit wird sich jedoch dadurch ergeben, dass die mittelständischen Unternehmen im Rahmen der Lieferkette den durch das Sorgfaltspflichtengesetz verpflichteten Unternehmen Rechenschaft zu den menschenrechtlichen und umweltbezogenen Sorgfaltspflichten ablegen müssen.
Behördliche Eingriffsbefugnisse und drastische Sanktionen
Mit dem Lieferkettengesetz wird den zuständigen Behörden (Bundesamt für Wirtschafts- und Ausfuhrkontrolle) die Befugnis eingeräumt, vor Ort Kontrollen vorzunehmen und mit Zwangs- und Bußgeldern mitunter drastische Sanktionen zu verhängen. Versäumen es die Unternehmen, gegen Menschenrechtsverletzungen und Umweltverstöße bei Zulieferern vorzugehen, drohen Bußgelder, die bis zu zwei Prozent des Jahresumsatzes betragen können. Außerdem können sie für drei Jahre von öffentlichen Ausschreibungen ausgeschlossen werden. Klargestellt wurde, dass Unternehmen für Menschenrechtsverletzungen nicht über die bestehenden Regelungen hinaus zivilrechtlich zur Verantwortung gezogen werden können.
Weiterer Richtlinienvorschlag auf EU-Ebene
Auch auf EU-Ebene wird an einem Richtlinienvorschlag gearbeitet, der den EU-Rechtsrahmen für unternehmerische Sorgfaltspflichten entlang globaler Lieferketten enthält. Darin könnten noch weitergehende Anforderungen und Folgen für Unternehmen vorgesehen sein. Möglich ist, dass in diesem Zuge auch kleine und mittelständische Unternehmen miteinbezogen werden, eine zivilrechtliche Haftung aufgenommen wird und die Regelungen nicht nur auf die Lieferkette beschränkt sind.