Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist Schweizer Staatsangehörige mit Wohnsitz in der Schweiz. In einem Erbvertrag hatten sie und ihr Ehemann vereinbart, dass sie im Falle des Vorversterbens ihres Ehemannes aus dessen Vermögen eine Reihe näher bezeichneter Vermögenswerte als Vermächtnis erhalten solle. Dazu gehörten Aktien einer in der Schweiz ansässigen AG, Bankguthaben bei einer Schweizer Bank sowie Grundstücke in der Schweiz und in Deutschland. Der Ehemann hatte seinen Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt ebenfalls in der Schweiz.
Das Finanzamt setzte gegen die Steuerpflichtige für den Erwerb von Todes wegen Erbschaftsteuer fest. Dabei unterwarf es jeweils den Wert des in Deutschland belegenen Grundbesitzes der Besteuerung und berücksichtigte ausgehend von § 16 Abs.2 ErbStG zunächst einen persönlichen Freibetrag i.H.v. 2.000 €. Im weiteren Verlauf des sich anschließenden Einspruchsverfahrens berücksichtigte es den Ehegattenfreibetrag von 500.000 €, allerdings nur anteilig im Verhältnis des inländischen Erwerbs zum Gesamterwerb. Mit ihrer Klage macht die Klägerin die Gewährung des in § 16 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG für einen Erwerb unter Ehegatten geregelten Freibetrags in ungekürzter Höhe von 500.000 € geltend und verwies auf die EuGH - Entscheidung "Welte" vom 17.10.2013 (C 181/12).
Das FG gab der Klage statt. Die Revision des Finanzamts hatte vor dem BFH in der Sache keinen Erfolg.
Die Gründe:
Der Erwerb der Klägerin aufgrund des Vermächtnisses ihres Ehemannes ist unter Berücksichtigung eines entsprechend § 16 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG anzusetzenden Freibetrags i.H.v. 500.000 € vollständig steuerbefreit. Nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG bleibt in den Fällen der unbeschränkten Steuerpflicht der Erwerb eines Ehegatten i.H.v. 500.000 € steuerfrei. In den Fällen der beschränkten Steuerpflicht tritt hingegen nach § 16 Abs. 2 ErbStG an die Stelle des Freibetrags nach Abs. 1 ein Freibetrag von nur 2.000 €. § 16 Abs. 2 ErbStG verstößt jedoch gegen die nach Art. 63 AEUV garantierte Kapitalverkehrsfreiheit und ist daher auf Fälle der beschränkten Steuerpflicht nicht anwendbar.
Der EuGH hat in dem Urteil "Welte" entschieden, dass Art. 56 Abs. 1 und Art. 58 des Vertrags zur Gründung der EG einer Regelung eines Mitgliedstaats über die Berechnung von Erbschaftsteuern entgegenstehen, die für den Fall des Erwerbs eines im Gebiet dieses Staats belegenen Grundstücks durch Erbfall vorsieht, dass der Freibetrag auf die Steuerbemessungsgrundlage dann, wenn der Erblasser und der Erwerber zum Zeitpunkt des Erbfalls ihren Wohnsitz in einem Drittland hatten, niedriger ist als der Freibetrag, der zur Anwendung gekommen wäre, wenn zumindest eine dieser beiden Personen zu diesem Zeitpunkt ihren Wohnsitz in dem genannten Mitgliedstaat gehabt hätte. An die Stelle der Art. 56 Abs. 1 und Art. 58 EG sind die inhaltsgleichen Art. 63 Abs. 1 und Art. 65 AEUV getreten.
Die Anwendung des § 16 Abs. 2 ErbStG ist auch nicht wegen der nunmehr möglichen Option zur unbeschränkten Steuerpflicht nach § 2 Abs. 3 ErbStG mit Unionsrecht vereinbar. Nach dieser Vorschrift wird auf Antrag des Erwerbers ein Vermögensanfall, zu dem Inlandsvermögen i.S.d. § 121 BewG gehört, insgesamt als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt, wenn der Erblasser zur Zeit seines Todes, der Schenker zur Zeit der Ausführung der Schenkung oder der Erwerber zur Zeit der Entstehung der Steuer seinen Wohnsitz in einem Mitgliedstaat der EU oder einem Staat hat, auf den das EWR anwendbar ist. Die Optionsmöglichkeit findet nach § 37 Abs. 7 S. 2 ErbStG auf Antrag auch auf Erwerbe Anwendung, für die die Steuer vor dem 14.12.2011 entsteht, soweit Steuerbescheide noch nicht bestandskräftig sind. Während der Geltungsdauer des § 2 Abs. 3 ErbStG konnte der Erwerber von beschränkt steuerpflichtigem Vermögen zur unbeschränkten Steuerpflicht optieren und damit die Anwendung des Freibetrags nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG erreichen.
Gleichwohl ist in der Regelung des § 2 Abs. 3 ErbStG n.F. eine nach Art. 63 Abs. 1 AEUV untersagte Beschränkung des freien Kapitalverkehrs zu sehen. Denn der Antrag nach § 2 Abs. 3 ErbStG führt dazu, dass der beschränkt Steuerpflichtige, der den persönlichen Freibetrag des § 16 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG in Anspruch nehmen möchte, seinen gesamten Erwerb der deutschen Erbschaftsteuer unterwerfen muss. Zu diesem Erwerb gehört auch das Auslandsvermögen des nicht in Deutschland ansässigen Steuerpflichtigen, obwohl Deutschland hierfür nach dem Territorialitätsprinzip kein Besteuerungsrecht zusteht. Die Besteuerung von nicht zum Inlandsvermögen i.S.d. § 121 BewG gehörenden Nachlassgegenständen eines beschränkt Steuerpflichtigen nach § 2 Abs. 3 ErbStG verstößt gegen die Kapitalverkehrsfreiheit. Denn die Regelung kann dazu führen, dass Gebietsfremde davon abgehalten werden, in Deutschland belegene Vermögenswerte zu erwerben oder zu behalten, weil deren spätere Übertragung auf andere Gebietsfremde je nach Ausübung des Wahlrechts des § 2 Abs. 3 ErbStG entweder eine Besteuerung des gesamten Erwerbs oder die Anwendung eines geringeren persönlichen Freibetrags bewirkt.
An die Stelle des aus unionsrechtlichen Gründen nicht anwendbaren Freibetrags gem. § 16 Abs. 2 ErbStG tritt daher § 16 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG der bei unbeschränkter Steuerpflicht maßgebende Freibetrag. Dieser ist in voller Höhe und nicht nur anteilig nach dem Verhältnis des Werts des steuerpflichtigen Inlandsvermögens (§ 121 BewG) zum Wert des gesamten Erwerbs zu gewähren. Der neu eingefügte § 16 Abs. 2 ErbStG, der in den Fällen der beschränkten Steuerpflicht eine Minderung des Freibetrags nach § 16 Abs. 1 ErbStG um einen im Einzelnen festgelegten Teilbetrag vorsieht, hatte vorliegend keine Bedeutung. Denn die Vorschrift ist erst auf Erwerbe anzuwenden, für die die Steuer nach dem 24.6.2017 entsteht (§ 37 Abs. 14 ErbStG).
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