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Was ist das eigentlich … Eigenverwaltung?

28.11.2023 | 3 Minuten Lesezeit

Kaum eine Woche vergeht, ohne dass wir von der Insolvenz eines namhaften oder nicht ganz so namhaften Unternehmens hören. Bei vielen sind wir überrascht und haben uns früher nie vorstellen können, dass ein solches Unternehmen einmal in die Krise gerät. Bei anderen Unternehmen überrascht uns, dass diese es so lange geschafft haben, über Wasser zu bleiben. Vermehrt hört man nun, dass ein Unternehmen „ein Schutzschirmverfahren beantragt" habe oder sich „in Eigenverwaltung sanieren" wolle. Was ist das eigentlich?

Eigenverwaltung ist eine besondere Form des Insolvenzverfahrens. Und Schutzschirmverfahren ist eine besondere Form der Eigenverwaltung. In beiden Fällen bleibt die Geschäftsleitung „am Ruder“. Es wird kein Insolvenzverwalter bestellt, der das Kommando übernimmt. Das Management führt weiterhin die operativen Geschäfte und - ganz wichtig - die Restrukturierung. Denn Eigenverwaltungsverfahren sollen die Restrukturierung und nachhaltige Gesundung des Unternehmens ermöglichen.

Gesundung durch Insolvenz? Wie ist das möglich? Was auf den ersten Blick wie ein Widerspruch aussieht, birgt eine Reihe von Möglichkeiten für Unternehmen in Schieflage. Wenn früher die „Pleite" zwangsläufig die Abwicklung des Unternehmens und die Einstellung der wirtschaftlichen Tätigkeiten des Unternehmens bedeuteten, bietet die Insolvenz die Möglichkeit der zweiten Chance. Ein besonderer Anreiz dafür ist, dass die Geschäftsleiter in einem Eigenverwaltungsverfahren nicht die Verantwortung abgeben müssen und selbst den Sanierungsprozess steuern können.

Im Eigenverwaltungsverfahren stehen die insolvenzrechtlichen Sanierungswerkzeuge zur Verfügung. Durch die besonderen leistungs- und finanzwirtschaftlichen Maßnahmen kann das Unternehmen auf einen überlebensfähigen Kern zugeschnitten werden. Das umfasst etwa die Möglichkeit, langlaufende und belastende Verträge zu beenden, Personalanpassungen schneller und günstiger umzusetzen sowie Altverbindlichkeiten zu regeln. Die eigentliche Sanierung erfolgt dann entweder durch Übertragung des fortführungsfähigen Kerns auf einen neuen Rechtsträger (sog. übertragende Sanierung) oder durch einen Insolvenzplan. Letzteres ist ein Gesamtvergleich mit allen Gläubigern, in dem diese mit ihren Beiträgen, in der Regel durch teilweisen Verzicht auf ihre Forderungen (haircut), die Fortsetzung des Rechtsträgers ermöglichen. Ein Insolvenzplan verlangt kein einstimmiges Gläubigervotum; qualifizierte Mehrheiten sind ausreichend. Um Missbrauch zu verhindern, muss der Insolvenzplan die Gläubigerinteressen ausreichend berücksichtigen (Vergleichsrechnung/ best interest of creditors test).

Die dargestellten Chancen dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich bei einem Eigenverwaltungsverfahren um ein gerichtsförmiges Insolvenzverfahren handelt. Auch wenn die Geschäftsführung handlungsbefugt bleibt, ist sie doch umfangreichen Kontrollen unterworfen. Über die Einhaltung der gesetzlichen Anforderungen und der Gläubigerinteressen wacht ein gerichtlich bestellter Sachwalter, der zwar im Unterschied zu einem Insolvenzverwalter nicht verfügungsbefugt ist, aber in gleicher Weise gegenüber Gericht und Gläubigerschaft Bericht erstattet. Auch vermag es eine eigenverwaltende Geschäftsführung mangels Erfahrung in der Regel nicht, ein solches Verfahren ohne rechtliche und kaufmännische Begleitung durchzuführen. Hier kommt der Rolle des externen CRO bzw. Generalbevollmächtigten eine entscheidende Bedeutung zu.

Und nicht jedes Unternehmen ist für eine Eigenverwaltung geeignet. Fälle, in denen die handelnden Personen die Krise - möglicherweise sogar auf straf- und zivilrechtlich relevante Weise - herbeigeführt haben, sollten selbstredend für eine Eigenverwaltung ausscheiden. Aber auch in vielen anderen Fälle ist die Eignung nicht immer gegeben. Erforderlich ist in jedem Fall ein gesunder Unternehmenskern, auf den zugeschnitten wird. Die Insolvenz ist dabei kein Allheilmittel. Ein überholtes Geschäftsmodell, veraltete Produkte oder ausbleibende Kunden sind Krisenursachen, die durch eine Sanierung in Eigenverwaltung nicht behoben werden können. Aber die Eigenverwaltung kann helfen, nachhaltige Sanierungsideen schneller und grundlegender umzusetzen.

Wir empfehlen daher häufig, im Rahmen eines Sanierungsprozesses die Eigenverwaltung als eines von mehreren Szenarien zu planen. Idealerweise braucht man das Verfahren nicht. Wenn aber die Ereignisse sich überschlagen und die Insolvenzreife droht oder die außergerichtlichen Sanierungsbemühungen am Widerstand einzelner Stakeholder scheitern, ist eine Eigenverwaltung nicht selten das Mittel der Wahl. Es lohnt sich, vorbereitet zu sein.

Jan Groß ist Rechtsanwalt und Partner bei RSM Ebner Stolz in Köln

Hinweis in eigener Sache: Jan Groß wurde von der Arbeitsgemeinschaft Insolvenzrecht & Sanierung des Deutschen Anwaltsvereins (DAV) neben vier weiteren Kollegen für den Award 2024 Eigenverwalter des Jahres nominiert. Damit will der DAV herausragende Leistungen von Anwaltskolleginnen und Kollegen aus unterschiedlichen Bereichen des Insolvenzrechts mit einer Preisverleihung am 21. Deutschen Insolvenzrechtstag würdigen. Die nominierten Eigenverwalter des Jahres haben sich besonders bei der Begleitung von Eigenverwaltungsverfahren als Generalhandlungsbevollmächtigte oder Geschäftsleiter ausgezeichnet. Wir gratulieren Jan Groß zu diesem tollen Erfolg.