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Rechtsberatung

Was ist das eigentlich … Eigenverwaltung?

Kaum eine Wo­che ver­geht, ohne dass wir von der In­sol­venz ei­nes nam­haf­ten oder nicht ganz so nam­haf­ten Un­ter­neh­mens hören. Bei vie­len sind wir über­rascht und ha­ben uns früher nie vor­stel­len können, dass ein sol­ches Un­ter­neh­men ein­mal in die Krise gerät. Bei an­de­ren Un­ter­neh­men über­rascht uns, dass diese es so lange ge­schafft ha­ben, über Was­ser zu blei­ben. Ver­mehrt hört man nun, dass ein Un­ter­neh­men „ein Schutz­schirm­ver­fah­ren be­an­tragt“ habe oder sich „in Ei­gen­ver­wal­tung sa­nie­ren“ wolle. Was ist das ei­gent­lich?

Ei­gen­ver­wal­tung ist eine be­son­dere Form des In­sol­venz­ver­fah­rens. Und Schutz­schirm­ver­fah­ren ist eine be­son­dere Form der Ei­gen­ver­wal­tung. In bei­den Fällen bleibt die Ge­schäfts­lei­tung „am Ru­der“. Es wird kein In­sol­venz­ver­wal­ter be­stellt, der das Kom­mando über­nimmt. Das Ma­nage­ment führt wei­ter­hin die ope­ra­ti­ven Ge­schäfte und - ganz wich­tig - die Re­struk­tu­rie­rung. Denn Ei­gen­ver­wal­tungs­ver­fah­ren sol­len die Re­struk­tu­rie­rung und nach­hal­tige Ge­sun­dung des Un­ter­neh­mens ermögli­chen.

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Ge­sun­dung durch In­sol­venz? Wie ist das möglich? Was auf den ers­ten Blick wie ein Wi­der­spruch aus­sieht, birgt eine Reihe von Möglich­kei­ten für Un­ter­neh­men in Schief­lage. Wenn früher die „Pleite“ zwangsläufig die Ab­wick­lung des Un­ter­neh­mens und die Ein­stel­lung der wirt­schaft­li­chen Tätig­kei­ten des Un­ter­neh­mens be­deu­te­ten, bie­tet die In­sol­venz die Möglich­keit der zwei­ten Chance. Ein be­son­de­rer An­reiz dafür ist, dass die Ge­schäfts­lei­ter in einem Ei­gen­ver­wal­tungs­ver­fah­ren nicht die Ver­ant­wor­tung ab­ge­ben müssen und selbst den Sa­nie­rungs­pro­zess steu­ern können.

Im Ei­gen­ver­wal­tungs­ver­fah­ren ste­hen die in­sol­venz­recht­li­chen Sa­nie­rungs­werk­zeuge zur Verfügung. Durch die be­son­de­ren leis­tungs- und fi­nanz­wirt­schaft­li­chen Maßnah­men kann das Un­ter­neh­men auf einen über­le­bensfähi­gen Kern zu­ge­schnit­ten wer­den. Das um­fasst etwa die Möglich­keit, lang­lau­fende und be­las­tende Verträge zu be­en­den, Per­so­nal­an­pas­sun­gen schnel­ler und güns­ti­ger um­zu­set­zen so­wie Alt­ver­bind­lich­kei­ten zu re­geln. Die ei­gent­li­che Sa­nie­rung er­folgt dann ent­we­der durch Über­tra­gung des fortführungsfähi­gen Kerns auf einen neuen Recht­sträger (sog. über­tra­gende Sa­nie­rung) oder durch einen In­sol­venz­plan. Letz­te­res ist ein Ge­samt­ver­gleich mit al­len Gläubi­gern, in dem diese mit ih­ren Beiträgen, in der Re­gel durch teil­wei­sen Ver­zicht auf ihre For­de­run­gen (hair­cut), die Fort­set­zung des Recht­strägers ermögli­chen. Ein In­sol­venz­plan ver­langt kein ein­stim­mi­ges Gläubi­ger­vo­tum; qua­li­fi­zierte Mehr­hei­ten sind aus­rei­chend. Um Miss­brauch zu ver­hin­dern, muss der In­sol­venz­plan die Gläubi­ger­in­ter­es­sen aus­rei­chend berück­sich­ti­gen (Ver­gleichs­rech­nung/ best in­te­rest of cre­di­tors test).

Die dar­ge­stell­ten Chan­cen dürfen nicht darüber hin­wegtäuschen, dass es sich bei einem Ei­gen­ver­wal­tungs­ver­fah­ren um ein ge­richtsförmi­ges In­sol­venz­ver­fah­ren han­delt. Auch wenn die Ge­schäftsführung hand­lungs­be­fugt bleibt, ist sie doch um­fang­rei­chen Kon­trol­len un­ter­wor­fen. Über die Ein­hal­tung der ge­setz­li­chen An­for­de­run­gen und der Gläubi­ger­in­ter­es­sen wacht ein ge­richt­lich be­stell­ter Sach­wal­ter, der zwar im Un­ter­schied zu einem In­sol­venz­ver­wal­ter nicht verfügungs­be­fugt ist, aber in glei­cher Weise ge­genüber Ge­richt und Gläubi­ger­schaft Be­richt er­stat­tet. Auch ver­mag es eine ei­gen­ver­wal­tende Ge­schäftsführung man­gels Er­fah­rung in der Re­gel nicht, ein sol­ches Ver­fah­ren ohne recht­li­che und kaufmänni­sche Be­glei­tung durch­zuführen. Hier kommt der Rolle des ex­ter­nen CRO bzw. Ge­ne­ral­be­vollmäch­tig­ten eine ent­schei­dende Be­deu­tung zu.

Und nicht je­des Un­ter­neh­men ist für eine Ei­gen­ver­wal­tung ge­eig­net. Fälle, in de­nen die han­deln­den Per­so­nen die Krise - mögli­cher­weise so­gar auf straf- und zi­vil­recht­lich re­le­vante Weise - her­bei­geführt ha­ben, soll­ten selbst­re­dend für eine Ei­gen­ver­wal­tung aus­schei­den. Aber auch in vie­len an­de­ren Fälle ist die Eig­nung nicht im­mer ge­ge­ben. Er­for­der­lich ist in je­dem Fall ein ge­sun­der Un­ter­neh­mens­kern, auf den zu­ge­schnit­ten wird. Die In­sol­venz ist da­bei kein All­heil­mit­tel. Ein über­hol­tes Ge­schäfts­mo­dell, ver­al­tete Pro­dukte oder aus­blei­bende Kun­den sind Kri­sen­ur­sa­chen, die durch eine Sa­nie­rung in Ei­gen­ver­wal­tung nicht be­ho­ben wer­den können. Aber die Ei­gen­ver­wal­tung kann hel­fen, nach­hal­tige Sa­nie­rungs­ideen schnel­ler und grund­le­gen­der um­zu­set­zen.

Wir emp­feh­len da­her häufig, im Rah­men ei­nes Sa­nie­rungs­pro­zes­ses die Ei­gen­ver­wal­tung als ei­nes von meh­re­ren Sze­na­rien zu pla­nen. Idea­ler­weise braucht man das Ver­fah­ren nicht. Wenn aber die Er­eig­nisse sich über­schla­gen und die In­sol­venz­reife droht oder die außer­ge­richt­li­chen Sa­nie­rungs­bemühun­gen am Wi­der­stand ein­zel­ner Sta­ke­hol­der schei­tern, ist eine Ei­gen­ver­wal­tung nicht sel­ten das Mit­tel der Wahl. Es lohnt sich, vor­be­rei­tet zu sein.

Jan Groß ist Rechts­an­walt und Part­ner bei RSM Eb­ner Stolz in Köln

Hin­weis in ei­ge­ner Sa­che: Jan Groß wurde von der Ar­beits­ge­mein­schaft In­sol­venz­recht & Sa­nie­rung des Deut­schen An­walts­ver­eins (DAV) ne­ben vier wei­te­ren Kol­le­gen für den Award 2024 Ei­gen­ver­wal­ter des Jah­res no­mi­niert. Da­mit will der DAV her­aus­ra­gende Leis­tun­gen von An­walts­kol­le­gin­nen und Kol­le­gen aus un­ter­schied­li­chen Be­rei­chen des In­sol­venz­rechts mit ei­ner Preis­ver­lei­hung am 21. Deut­schen In­sol­venz­rechts­tag würdi­gen. Die no­mi­nier­ten Ei­gen­ver­wal­ter des Jah­res ha­ben sich be­son­ders bei der Be­glei­tung von Ei­gen­ver­wal­tungs­ver­fah­ren als Ge­ne­ral­hand­lungs­be­vollmäch­tigte oder Ge­schäfts­lei­ter aus­ge­zeich­net. Wir gra­tu­lie­ren Jan Groß zu die­sem tol­len Er­folg.

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