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PC-gestütztes Kassensystem grundsätzlich manipulationsanfällig

FG Münster 29.3.2017, 7 K 3675/13 E,G,U

Ein PC-gestütz­tes Kas­sen­sys­tem, das auf der Soft­ware Mi­cro­soft Ac­cess ba­siert, kann als ma­ni­pu­la­ti­ons­anfällig an­ge­se­hen wer­den. Da­bei kommt es nicht dar­auf an, durch wen oder mit wel­chem Auf­wand dies möglich ist.

Der Sach­ver­halt:
Der Kläger be­trieb in den Streit­jah­ren 2007 und 2008 zwei Fri­seur­sa­lons. Seine Bar­ein­nah­men hatte er über eine PC-gestützte Kas­sen­soft­ware er­fasst, die auch über an­dere Funk­tio­nen wie Kun­den­kar­tei oder Ter­min­ver­wal­tung verfügte. Auf­grund ei­ner Be­triebsprüfung, in de­ren Ver­lauf der Kläger keine Pro­gram­mier­pro­to­kolle für die Kasse vor­ge­legt hatte, nahm das Fi­nanz­amt er­heb­li­che Hin­zu­schätzun­gen zu den Umsätzen und Ge­win­nen des Klägers für die Jahre 2007 bis 2009 vor. Die­sen legte es eine Bar­geld­ver­kehrs­rech­nung so­wie eine Kal­ku­la­tion von "Che­mie­umsätzen" (Blon­die­run­gen, Färbun­gen, Dau­er­wel­len) zu­grunde. Die Kal­ku­la­tion ba­sierte auf der Aus­wer­tung ei­nes Teils des Wa­ren­ein­kaufs für 2007.

Hier­ge­gen wandte der Kläger ein, dass seine Pro­gram­mier­pro­to­kolle in Da­tei­form im Sys­tem ge­spei­chert seien, was er durch Vor­lage der Da­ten­bank nach­wei­sen könne. Fer­ner sei seine Kasse nicht ma­ni­pu­lier­bar, wes­halb nach BFH-Recht­spre­chung (Urt. v. 25.3.2015, Az.: X R 20/13) keine Schätzungs­be­fug­nis be­stehe. Schließlich habe er tatsäch­lich auch keine Ma­ni­pu­la­tio­nen vor­ge­nom­men. Schließlich seien die Hin­zu­schätzun­gen zu hoch, da die Bar­geld­ver­kehrs­rech­nung un­vollständig sei, die Nach­kal­ku­la­tion nur auf stich­pro­ben­ar­tig ausgwer­te­ten Da­ten ba­siere und das Er­geb­nis die amt­li­chen Richtsätze über­schreite.

Im Ver­fah­ren vor dem FG kam ein Sach­verständi­gen­gut­ach­ter zum Er­geb­nis, dass das vom Kläger ver­wen­dete Sys­tem, das auf die Soft­ware Mi­cro­soft Ac­cess zurück­greife, auf­grund der Verknüpfung ver­schie­de­ner Da­ten­bank­da­teien zwar nur schwie­rig zu ma­ni­pu­lie­ren sei. Durch ge­schulte Per­so­nen mit EDV-Kennt­nis­sen bzw. un­ter Ein­satz ent­spre­chen­der Pro­gramme sei dies je­doch auch im Nach­hin­ein und ohne Rück­ver­fol­gung möglich.

Das FG gab der Klage dar­auf­hin teil­weise statt. Die Re­vi­sion wurde nicht zu­ge­las­sen.

Die Gründe:
Die Klage war in­so­weit ab­zu­wei­sen, als eine Schätzungs­be­fug­nis be­stand, da die Kas­senführung des Klägers nicht ord­nungs­gemäß war. Bei Nut­zung pro­gram­mier­ba­rer elek­tro­ni­scher Kas­sen­sys­teme stellt das Feh­len der Pro­gram­mier­pro­to­kolle je­den­falls bei bar­geld­in­ten­si­ven Be­trie­ben einen ge­wich­ti­gen for­mel­len Man­gel dar. Der Kläger hatte keine Pro­gram­mier­pro­to­kolle vor­ge­legt. Der bloße Hin­weis auf die Da­ten­bank genügte nicht als sub­stan­ti­ier­ter Be­weis­an­tritt. Im Übri­gen ging es bei den Pro­gram­mier­pro­to­kol­len nicht um die Da­ten selbst, son­dern um die Do­ku­men­ta­tion der Pro­gram­mie­rung.

Der Kläger konnte sich auch nicht dar­auf be­ru­fen, dass sein Kas­sen­sys­tem aus­nahms­weise keine Ma­ni­pu­la­ti­onsmöglich­kei­ten eröff­net hatte. Denn im Hin­blick auf das  Sach­verständi­gen­gut­ach­ten war der Se­nat da­von über­zeugt, dass im Sys­tem Ma­ni­pu­la­tio­nen vor­ge­nom­men wer­den konn­ten. Da­bei kam es nicht dar­auf an, durch wen oder mit wel­chem Auf­wand dies möglich war. Die vom Kläger ver­wen­dete Soft­ware bot nämlich un­abhängig da­von, ob sie be­reits für einen "nor­ma­len" An­wen­der ma­ni­pu­lier­bar war oder die­ser erst einen IT-Spe­zia­lis­ten be­auf­tra­gen mus­ste, keine Gewähr­leis­tung für die vollständige Er­fas­sung al­ler Ein­nah­men. Da es nach der BFH-Recht­spre­chung er­for­der­lich ist, dass die Kasse keine Ma­ni­pu­la­ti­onsmöglich­kei­ten eröff­net, war es un­er­heb­lich, ob der Kläger tatsäch­lich Ma­ni­pu­la­tio­nen vor­ge­nom­men hatte oder nicht.

Der Höhe nach war die Hin­zu­schätzun­gen al­ler­dings auf­grund der Kas­senführungsmängel auf Si­cher­heits­zu­schläge i.H.v. 7,5% der erklärten Umsätze zu be­gren­zen, was zu ei­ner Re­du­zie­rung der vom Fi­nanz­amt an­ge­setz­ten Beträge und da­mit zu ei­ner Teil­statt­gabe in etwa hälf­ti­gem Um­fang führte. Die Bar­geld­ver­kehrs­rech­nung konnte nicht zu­grunde ge­legt wer­den, weil das Fi­nanz­amt we­der An­fangs- noch End­bestände er­mit­telt und nicht an­ge­ge­ben hat, auf wel­cher Tat­sa­chen­grund­lage die Le­bens­hal­tungs­kos­ten er­mit­telt wor­den war. Die Kal­ku­la­tion der "Che­mie­umsätze" führte zu einem nicht schlüssi­gen und außer­halb der amt­li­chen Richtsätze lie­gen­den Er­geb­nis, was mögli­cher­weise auf der le­dig­lich stich­pro­ben­ar­tig vor­ge­nom­me­nen Aus­wer­tung be­ruhte.

Link­hin­weis:

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