Der Sachverhalt:
Im Juli 2009 starb der Vater. Auf den Kläger wurde infolge eines Vermächtnisses ein weiterer GmbH-Anteil i.H.v. 26 % übertragen. Sein Bruder schlug das auf ihn entfallende Vermächtnis aus, so dass der Kläger als Ersatz-Vermächtnisnehmer auch den restlichen Geschäftsanteil von 25 % erhielt.
Im Streitjahr 2011 veräußerte der Kläger seine Geschäftsanteile an der GmbH und erzielte einen Veräußerungsgewinn i.S.d. § 17 EStG i.H.v. 786.167 €. Die Erbschaftsteuer wurde daraufhin auf 28.336 € festgesetzt. Das Finanzamt gewährte im Einkommensteuerbescheid für 2011 eine Steuerermäßigung nach § 35b EStG i.H.v. 4.412 €. Der Kläger war hingegen der Ansicht, die Einkommensteuer sei gem. § 35b EStG um insgesamt 11.262 € zu ermäßigen.
Das FG gab der Klage teilweise statt und ermittelte eine Steuerermäßigung i.H.v. 4.616 €. Auf die Revisionen beider Parteien reduzierte der BFH die Steuerermäßigung auf 1.808 €.
Gründe:
Das FG hat § 35b S. 1 EStG rechtsfehlerhaft angewandt. Entfällt die festgesetzte Erbschaftsteuer teilweise auf nach § 35b S. 1 EStG nicht begünstigte Vorerwerbe und teilweise auf einen begünstigten Erwerb von Todes wegen, muss der persönliche Freibetrag nach § 16 ErbStG für die Anwendung von § 35b S. 1 EStG, d.h. bei der Ermittlung der nach § 35b S. 1 EStG begünstigten Einkünfte, verhältnismäßig aufgeteilt werden.
Sind bei der Ermittlung des Einkommens Einkünfte berücksichtigt worden, die im Veranlagungszeitraum oder in den vorangegangenen vier Veranlagungszeiträumen als Erwerb von Todes wegen der Erbschaftsteuer unterlegen haben, so wird gem. § 35b S. 1 EStG auf Antrag die um sonstige Steuerermäßigungen gekürzte tarifliche Einkommensteuer, die auf diese Einkünfte entfällt, um den in S. 2 bestimmten Prozentsatz ermäßigt. Der Prozentsatz bestimmt sich nach dem Verhältnis, in dem die festgesetzte Erbschaftsteuer zu dem Betrag steht, der sich ergibt, wenn dem steuerpflichtigen Erwerb (§ 10 Abs. 1 ErbStG) die Freibeträge nach den §§ 16 und 17 und der steuerfreie Betrag nach § 5 ErbStG hinzugerechnet werden (§ 35b S. 2 EStG).
Zur Berechnung der Steuerermäßigung müssen zunächst zwei Maßgrößen ermittelt werden, zum einen die anteilig auf die nach § 35b S. 1 begünstigten Einkünfte entfallende Einkommensteuer und zum anderen der Ermäßigungsprozentsatz gem. § 35b S. 2 EStG. Der Betrag nach § 35b S. 1 EStG multipliziert mit dem Ermäßigungsprozentsatz ergibt den Betrag der Steuerermäßigung. Begünstigt sind nach § 35b S. 1 EStG "Einkünfte, die als Erwerb von Todes wegen der Erbschaftsteuer unterlegen haben". Der Wortlaut des Relativsatzes ist ungenau, da der Erbschaftsteuer nicht Einkünfte, sondern Bereicherungen unterliegen. Bei sinngemäßem Verständnis erfasst § 35b EStG danach Fälle, in denen der von Todes wegen hinzuerworbene Vermögensgegenstand - etwa nach einer steuerpflichtigen Veräußerung - mit seinem Wert zusätzlich der Einkommensteuer unterworfen ist.
Nicht nach § 35b S. 1 EStG begünstigt sind dagegen solche Einkünfte, die sich aus (der Veräußerung von) Vermögensgegenständen ergeben, die einer Vorbelastung mit Schenkungsteuer unterlegen haben. Zwar kann es auch insoweit zu einer Doppelbelastung mit Erbschaftsteuer und Einkommensteuer kommen. Der Wortlaut der Vorschrift ist insofern aber eindeutig. Durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken bestehen dagegen nicht. Die nach § 35b S. 1 EStG begünstigten Einkünfte müssen bei ihrem Hinzuerwerb tatsächlich mit Erbschaftsteuer belastet worden sein. Sie müssen eine Belastung mit Erbschaftsteuer ausgelöst haben.
Hieraus folgt, dass im Anwendungsbereich von § 35b S. 1 EStG der persönliche Freibetrag nach § 16 ErbStG in Abzug zu bringen ist. Soweit die nach dem ErbStG steuerbare Bereicherung aufgrund des persönlichen Freibetrags nicht zu einer Belastung mit Erbschaftsteuer geführt hat, kommt die Anwendung von § 35b S. 1 EStG nicht in Betracht. Sind in die Bemessungsgrundlage der Erbschaftsteuer sowohl nach § 35b S. 1 EStG begünstigte, als auch nach § 35b S. 1 EStG nicht begünstigte "Einkünfte" eingegangen, ist der persönliche Freibetrag gem. § 16 ErbStG im Verhältnis der Einkünfte zueinander aufzuteilen und anteilig bei den jeweiligen Einkünften abzuziehen. Die auf die begünstigten Einkünfte anteilig entfallende Einkommensteuer ist nach dem Verhältnis der begünstigten Einkünfte zur Summe der Einkünfte (§ 2 Abs. 3 EStG) zu ermitteln. Um die Einkommensteuer auf die begünstigten Einkünfte zu berechnen, ist der Betrag der um sonstige Steuerermäßigungen gekürzten tariflichen Einkommensteuer mit dem Quotienten aus dem Betrag der begünstigen Einkünfte und dem Betrag der Summe der Einkünfte zu multiplizieren.
Nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift ist bei der Anwendung von § 35b S. 2 EStG der persönliche Freibetrag nach § 16 ErbStG (u.a.) dem steuerpflichtigen Erwerb im Grundsatz in voller Höhe hinzuzurechnen. Sind in die Bemessungsgrundlage der Erbschaftsteuer sowohl nach § 35b S. 1 EStG begünstigte, als auch nach § 35b S. 1 EStG nicht begünstigte "Einkünfte" eingegangen und ist der persönliche Freibetrag nach § 16 ErbStG deshalb bei der Ermittlung der nach § 35b S. 1 EStG begünstigten Einkünfte verhältnismäßig aufgeteilt worden, ist nur der anteilige Freibetrag nach §16 ErbStG hinzuzurechnen. Der Ermäßigungsprozentsatz ermittelt sich dann durch Gegenüberstellung der anteilig auf die von Todes wegen erworbenen Vermögensteile entfallende Erbschaftsteuer und dem Betrag, der sich ergibt, wenn dem anteiligen steuerpflichtigen Erwerb (§ 10 Abs. 1 ErbStG) der anteilige Freibetrag nach § 16 ErbStG hinzugerechnet wird.
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