Der Sachverhalt:
In der Folgezeit stritt der Kläger mit dem Finanzamt darüber, ob die Ausbuchung von wertlosen Aktien zu einem steuerlich berücksichtigungsfähigen Verlust aus Kapitalvermögen führt. Die Finanzbehörde verneinte dies und setzte den Einkommensteuerbescheid für 2011 entsprechend fest. Es war der Ansicht, dass es sich bei dem hier zu beurteilenden Vorgang weder um eine Veräußerung i.S.d. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG noch um einen veräußerungsähnlichen Akt handele. Forderungsausfall oder Liquidation stellten keine Veräußerung i.S.d. § 20 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 EStG dar.
Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage vollumfänglich statt. Allerdings wurde die Revision zugelassen. Das Verfahren war zwischenzeitlich wegen der Revisionsverfahren IX R 57/13 (zuvor: VIII R 69/13) sowie VIII R 13/15 zum Ruhen gebracht worden. Zu dem Hinweis des Gerichts auf diese Entscheidungen und das weitere mittlerweile ergangene BFH-Urteil vom 12.6.2018, VIII R 32/16, in der die Problematik der fehlenden Steuerbescheinigung aufgearbeitet wurde, meinte das Finanzamt, es seien nunmehr zwar weitere Zweifelsfragen im Zusammenhang mit der Abgeltungssteuer auf Kapitalerträge geklärt worden, wie die bloße Ausbuchung von wertlos gewordenen Aktien aus dem Wertpapierdepot des Steuerpflichtigen zu beurteilen sei, habe der BFH dagegen noch offen gelassen.
Die Gründe:
Wie die höchstrichterliche Rechtsprechung, der der erkennende Senat folgt, herausgearbeitet hat, sollte mit der Einführung der Abgeltungssteuer im Unternehmensteuer-Reformgesetz 2008 eine vollständige steuerrechtliche Erfassung aller Wertveränderungen im Zusammenhang mit Kapitalanlagen erreicht werden. Dafür wurde die traditionelle quellentheoretische Trennung von Vermögens- und Ertragsebene für Einkünfte aus Kapitalvermögen aufgegeben (BFH, Urt. v. 24.10.2017, VIII R 13/15).
Für den Fall des Ausfalls einer Kapitalforderung i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG hat der BFH in der zitierten Entscheidung dahin erkannt, dass Folge dieses Paradigmenwechsels ist, dass der endgültige Ausfall einer Kapitalforderung zu einem nach § 20 Abs. 2 S. 2, in der Variante "Rückzahlung" Abs. 4 EStG steuerlich zu berücksichtigenden Verlust führt. Die unter dem Nennwert des hingegebenen Darlehens zurückbleibende Rückzahlung der Kapitalforderung ist dem Verlust bei der Veräußerung der Forderung gleichzustellen, wenn endgültig feststeht, dass keine weiteren Rückzahlungen mehr erfolgen werden. § 20 Abs. 2 S. 2 EStG trägt insofern dem engen Veräußerungsbegriff Rechnung, als er der Veräußerung verschiedene Ersatztatbestände gleichstellt, um alle Wertveränderungen im Zusammenhang mit Kapitalanlagen zu erfassen (gleiche Auffassung: von Beckerath in Kirchhof, EStG, 17. Aufl. 2018, § 20 EStG, Anm. 141 und 142).
Nach Dafürhalten des Senates ist der Ausfall eines Aktionärs bei Untergang der Kapitalgesellschaft in verfassungskonformer Auslegung des § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG vom Ersatztatbestand der "Rückzahlung", genauer: der "ausbleibenden Rückzahlung" erfasst. Im Rahmen der Abwicklung/Liquidation einer Kapitalgesellschaft kann es zu einer Erstattung der Einlagen auf das Grundkapital, mit anderen Worten: zu einer Rückzahlung des Nennkapitals kommen oder aber eine Rückzahlung des Nennkapitals bleibt mangels hinreichender Verteilungsmasse oder weil die Gesellschaft ohne Liquidation untergeht aus.
Auch letzteres führt zu einem unter § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG zu subsumierenden Ersatztatbestand und damit einem anzusetzenden Verlust. Es bestehen keine Gründe, die es rechtfertigen könnten, den Untergang einer Aktie anders zu behandeln als den einer sonstigen Kapitalforderung, z.B. einer Darlehensforderung. Dem steht auch die Vorschrift des § 20 Abs. 1 Nr. 2 EStG nicht entgegen, wonach Bezüge, die nicht in der Rückzahlung von Nennkapital bestehen, der Besteuerung unterworfen sind. Der Auffassung, diese Regelung liefe leer, behandelte man den Liquidationsverlust als Rückzahlung i.S.d. § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG, ist nicht zu folgen.
Da allerdings die steuerliche Behandlung des Verlusts einer Kapitalanlage bei Untergang/Liquidation einer Kapitalgesellschaft bislang höchstrichterlich nicht geklärt ist, wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung und zur Fortbildung des Rechts die Revision zum BFH zugelassen.
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