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Rechtsberatung

Einwegkunststofffondsgesetz und kommunale Verpackungssteuer auf verfassungsrechtlichem Prüfstand

Ge­gen das am 01.01.2024 teil­weise in Kraft ge­tre­tene Ein­weg­kunst­stoff­fonds­ge­setz (im Fol­gen­den: EWK­FondsG) sind meh­rere Ver­fas­sungs­be­schwer­den ver­schie­de­ner Un­ter­neh­men beim BVerfG in Karls­ruhe ein­ge­gan­gen. Auch geht der Streit um die Tübin­ger Ver­pa­ckungs­steuer eine Runde wei­ter.

Die Be­schwer­deführer in den Ver­fah­ren in Be­zug auf das EWK­FondsG stam­men aus ver­schie­de­nen Be­rei­chen. Es han­delt sich um Pro­du­zen­ten, Im­por­teure oder Verkäufer von Pro­duk­ten wie To-Go-Le­bens­mit­tel­behälter, Getränke­be­cher, leichte Tra­ge­ta­schen, Feuchttücher und Ta­bak­fil­ter. Sie rügen vor al­lem eine Ver­let­zung des deut­schen Fi­nanz­ver­fas­sungs­rechts und einen Ver­stoß ge­gen das in Art. 104a GG nor­mierte Kon­ne­xitätsprin­zip.

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Auch der Streit um die Tübin­ger Ver­pa­ckungs­steuer geht in die nächste und wohl letzte Runde; mit ähn­li­chen Erwägun­gen hat eine Fran­chise­neh­me­rin ei­ner Fast-Food-Kette aus Tübin­gen im Sep­tem­ber 2023 Ver­fas­sungs­be­schwerde (Az. 1 BvR 1726/23) ge­gen die von der Stadt Tübin­gen ein­geführte Ver­pa­ckungs­steuer und ge­gen das dazu er­gan­gene Ur­teil des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts (im Fol­gen­den: BVerwG) vom 24.05.2023 (Az. 9 CN 1/22) er­ho­ben.

Hintergrund

Nach dem am 11.05.2023 ver­ab­schie­de­ten EWK­FondsG müssen Her­stel­ler von be­stimm­ten Ein­weg­kunst­stoff­pro­duk­ten einen (zusätz­li­chen) fi­nan­zi­el­len Bei­trag leis­ten, der sich an der jähr­lich in Ver­kehr ge­brach­ten Menge an Ein­weg­kunst­stoff­pro­duk­ten be­misst und in einen dafür ge­bil­de­ten staat­li­chen Fonds fließt. Mit den Ein­nah­men aus dem Fonds sol­len Samm­lungs-, Rei­ni­gungs-, Sen­si­bi­li­sie­rungs-, Da­ten­er­he­bungs- und Über­mitt­lungs- so­wie Ver­wal­tungs­kos­ten der Kom­mu­nen fi­nan­ziert wer­den.

Auch die vom Ge­mein­de­rat der Stadt Tübin­gen im Jahre 2020 be­schlos­sene Ver­pa­ckungs­steuer soll Ein­nah­men für den städti­schen Haus­halt er­zie­len und die Ver­un­rei­ni­gung des Stadt­bilds durch im öff­ent­li­chen Raum ent­sorgte Ver­pa­ckun­gen ver­rin­gern.

Kritik

Die Be­schwer­deführer se­hen sich durch die Vor­ga­ben des EWK­FondsG in ih­rer Be­rufs­frei­heit aus Art. 12 GG ver­letzt. Darüber hin­aus rügen sie ins­be­son­dere, dass die kon­krete Aus­ge­stal­tung der Fonds­fi­nan­zie­rung durch eine Son­der­ab­gabe fi­nanz­ver­fas­sungs­recht­lich nicht trag­bar sei; zum einen lägen die vom BVerfG ent­wi­ckel­ten Grundsätze für eine Son­der­ab­gabe nicht vor, wo­nach die mit der Ab­gabe be­las­tete Gruppe dem mit der Ab­ga­ben­er­he­bung ver­folg­ten Zweck näher­ste­hen müsse als jede an­dere Gruppe oder die All­ge­mein­heit der Steu­er­zah­ler. Dies sei hier ge­rade nicht der Fall, da die un­sach­gemäße Ent­sor­gung im Stadt­ge­biet in ers­ter Li­nie auf das Fehl­ver­hal­ten von Drit­ten zurück­zuführen sei und die Her­stel­ler hierfür nicht ver­ant­wort­lich seien.

Zum an­de­ren ver­stoße der Bund mit der Wahl ei­ner staat­li­chen Fonds­fi­nan­zie­rung ge­gen das staats­recht­li­che Kon­ne­xitätsprin­zip, wo­nach Auf­ga­ben- und Fi­nanz­ver­wal­tung je­weils zu­sam­men­gehören. Dazu führen die Be­schwer­deführer aus, dass der Bund zwar die Ab­gabe er­hebe und das Um­welt­bun­des­amt als Bun­des­behörde den Fonds ver­walte; die Mit­tel aus dem Fonds sol­len aber un­mit­tel­bar den Ländern und Kom­mu­nen zu­gu­te­kom­men, die für die Ab­fall­ent­sor­gung und -ver­wer­tung und die dies­bezügli­che Fi­nan­zie­rung zuständig seien. Da­mit würde der Bund aber in die Ver­wal­tungs­auf­gabe der Länder ein­grei­fen, was das in Art. 104a GG ver­an­kerte Kon­ne­xitätsprin­zip ge­rade ver­hin­dern will. Die Her­stel­ler plädie­ren für eine pri­vat­wirt­schaft­li­che Lösung.

Auch die Fran­chise­neh­me­rin aus Tübin­gen rügt, dass die Er­he­bung ei­ner kom­mu­na­len Ver­pa­ckungs­steuer sie als End­verkäuferin und Steu­er­schuld­ne­rin in ih­rer Be­rufs­frei­heit aus Art. 12 GG ver­letze. Zu­dem liege ein Ver­stoß ge­gen die Be­las­tungs- und Last­en­gleich­heit aus Art. 3 Abs. 1 GG und ge­gen das Gleich­ar­tig­keits­ver­bot gemäß Ar­ti­kel 105 Abs. 2a GG vor, in­dem die Steu­er­last un­dif­fe­ren­ziert an die nu­me­ri­sche Größe der Ein­zel­ver­pa­ckun­gen anknüpfe. Wei­ter­hin seien die Ab­ga­ben­tat­bestände in we­sent­li­chen Tei­len gleich­ar­tig mit dem EWK­FondsG. Die Steuer er­zeuge einen ho­hen Len­kungs­druck, der einem Ver­hal­tens­ge­bot gleich­komme und mit der ein Mehr­weg­sys­tem für Ver­pa­ckun­gen im Gas­tro­no­mie­ge­werbe er­zwun­gen werde.

Hin­weis: Zu­letzt hatte das BVerwG in sei­nem Ur­teil vom 24.05.2024 noch die über­wie­gende Wirk­sam­keit ei­ner sol­chen kom­mu­na­len Ver­pa­ckungs­steuer fest­ge­stellt. Da­nach stünde die Er­he­bung ei­ner sol­chen Ver­pa­ckungs­steuer, die als ört­li­che Ver­brauchs­steuer i. S. d. Art. 105 Abs. 2a S. 1 GG und als Len­kungs­steuer aus­ge­stal­tet sei, nicht im Wi­der­spruch zur Ge­samt­kon­zep­tion des gel­ten­den Ab­fall­rechts oder zu kon­kre­ten ab­fall­recht­li­chen Re­ge­lun­gen. Ins­be­son­dere gelte im Be­reich des Steu­er­rechts der Grund­satz der Wi­der­spruchs­frei­heit. Die kom­mu­nale Ver­pa­ckungs­steuer ver­folge auf lo­ka­ler Ebene kein wi­der­sprüch­li­ches, son­dern das­selbe Ziel - die Ver­mei­dung von Ver­pa­ckungs­ab­fall im Stadt­ge­biet - wie der Bun­des- und der Uni­ons­ge­setz­ge­ber und be­diene sich da­bei auch nicht ei­nes dem staat­li­chen Recht wi­der­spre­chen­den Hand­lungs­mit­tels.

Es bleibt ab­zu­war­ten, wie das BVerfG über die Ver­fas­sungs­be­schwer­den ent­schei­det und ob sich die In­stru­mente des Bun­des und der Kom­mune zur Ab­fall­ver­mei­dung und -ver­wer­tung durch­set­zen können. Von der Ent­schei­dung hängt ins­be­son­dere ab, ob sich wei­tere Kom­mu­nen der Einführung ei­ner lo­ka­len Ver­pa­ckungs­steuer an­schließen wer­den.

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