Der Sachverhalt:
Streitig ist, ob die Einziehung einer Forderung das Tatbestandsmerkmal der "Veräußerung" i.S.d. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG in der im Streitjahr 2008 geltenden Fassung erfüllt. Der Kläger erzielte im Streitjahr u.a. Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit aus einer Tätigkeit als Geschäftsführer der H-KG. Das Finanzamt erließ einen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr, in dem es in verschiedenen - hier nicht im Streit stehenden - Punkten von den Angaben des Klägers in seiner Einkommensteuererklärung abwich.
Im November 2013 erhielt das Finanzamt über eine - im Zuge einer Betriebsprüfung bei der H-KG gefertigte - Kontrollmitteilung von folgendem Sachverhalt Kenntnis:
Im Juni 2008 hatte der Kläger von der H-KG eine Forderung gegen die C-GmbH i.H.v. rd. 410.000 ,€ zzgl. rd. 45.000 € Zinsen zum Kaufpreis von 200.000 € erworben. In der zwischen den Beteiligten getroffenen schriftlichen Vereinbarung wurde auszugsweise Folgendes vereinbart:
1. Die H-KG benötigt auf Grund der notwendigen Zwischenfinanzierung für das laufende Investitionsvorhaben dringend Liquidität. Die H-KG hat gegenüber der C-GmbH eine Forderung aus 2003 i.H.v. 410.000 € zzgl. 45.000 € Zinsen. Diese Forderung kann derzeit auch auf Grund der aktuellen Expansionsphase der C-GmbH nicht ausgeglichen werden.
2. Es wird vereinbart, dass der alleinige Gesellschafter der C-GmbH [d.h. der Kläger] diese Forderungen zu einem Betrag von 200.000 € erwirbt. Im Gegenzug verzichtet die H-KG auf die Zinsen i.H.v. 45.000 €.
3. Mit Zahlung des vorgenannten Betrages geht der Gesamtanspruch i.H.v. 410.000 € von der H-KG an [den Kläger] über.
Der Kläger war im Streitjahr mit 40 % am Kommanditkapital der H-KG beteiligt. Neben dem Kläger waren im Streitjahr mit 20 % Frau X, die im Jahr 2010 die Ehefrau des Klägers wurde, sowie mit 40 % eine weitere natürliche Person an der H-KG beteiligt. Am Stammkapital der C-GmbH war der Kläger zu 100 % beteiligt. Im Dezember 2008 bezahlte die C-GmbH 400.000 € zur (teilweisen) Begleichung der Forderung an den Kläger. Das Finanzamt erließ daraufhin einen geänderten Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr, in dem es sonstige Einkünfte des Klägers i.H.v. 200.000 € ansetzte. Es ging davon aus, dass der Kläger mit der Einziehung der Forderung den Tatbestand eines privaten Veräußerungsgeschäftes i.S.d. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG erfüllt und einen Gewinn in Höhe der Differenz zwischen dem Kaufpreis der Forderung (200.000 €) und dem eingezogenen Betrag (400.000 €) erzielt habe.
Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Auf die Revision des Klägers hob der BFH das Urteil auf und gab der Klage statt.
Die Gründe:
Das FG ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Kläger durch Einziehung der von ihm erworbenen Forderung gegen die C-GmbH den Tatbestand eines privaten Veräußerungsgeschäftes i.S.d. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG erfüllt hat.
Nach § 22 Nr. 2 EStG zählen zu den sonstigen Einkünften (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 EStG) auch solche aus privaten Veräußerungsgeschäften i.S.d. § 23 EStG. Diese umfassen gem. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG u.a. Veräußerungsgeschäfte bei "anderen Wirtschaftsgütern", bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als ein Jahr beträgt. Mit den Bestimmungen in § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG erfasst das EStG - abweichend von dem sonst im Einkommensteuerrecht bestehenden Grundsatz, wonach Einkünfte aus der Veräußerung privater, nicht zu einem Betriebsvermögen gehörender Wirtschaftsgüter nicht steuerbar sind - innerhalb der Veräußerungsfrist von einem Jahr realisierte Wertänderungen von beweglichen Wirtschaftsgütern jedweder Art im Privatvermögen.
Die in § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG verwendeten Begriffe "Anschaffung" und "Veräußerung" erschließen sich aus den Regelungen des § 6 EStG, des § 255 Abs. 1 des HGB und der §§ 135, 136 BGB. Unter Anschaffung bzw. Veräußerung i.S.d. § 23 EStG ist danach der entgeltliche Erwerb und entgeltliche Übertragung eines Wirtschaftsguts auf einen Dritten - d.h. auf eine andere Person - zu verstehen. Eine "Veräußerung" i.S.d. genannten Vorschrift setzt daher nicht nur die Entgeltlichkeit des Übertragungsvorgangs voraus, sondern auch, dass sich aufgrund der zugrunde liegenden schuldrechtlichen Vereinbarungen ein Rechtsträgerwechsel an dem veräußerten Wirtschaftsgut vollzieht.
Die bloße Erfüllung eines schuldrechtlichen Anspruchs stellt dagegen keinen entgeltlichen, mit einem Rechtsträger verbundenen Übertragungsvorgang dar. Denn der Gläubiger erhält im Fall der Erfüllung nicht mehr, als seinem Leistungsanspruch entspricht. Damit realisiert er insbesondere auch keine Wertänderung hinsichtlich des maßgeblichen (nämlichen) Wirtschaftsguts - hier: eine Geldforderung - zumal er weiterhin die Preisgefahr trägt. Der Normzweck des § 23 EStG, innerhalb der Haltefrist realisierte Werterhöhungen eines bestimmten Wirtschaftsguts im Privatvermögen der Einkommensteuer zu unterwerfen, ist in solchen Fällen mithin nicht erfüllt. Zudem fehlt es im Fall der Erfüllung einer schuldrechtlichen Forderung an einem Rechtsträgerwechsel, da der Gläubiger bei Tilgung lediglich etwas erhält, was er zivilrechtlich bereits im Zeitpunkt der Abtretung der Forderung erworben hatte.
Der BFH hat nun in Abkehr von seiner bisherigen Rechtsprechung entschieden, dass die Einziehung einer Forderung, die von einem Dritten unter Nennwert entgeltlich erworben wurde, keine "Veräußerung" i.S.d. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG darstellt, da sie weder einen entgeltlichen Vorgang beinhaltet noch zu einem Rechtsträgerwechsel führt. Einer Anfrage nach § 11 Abs. 3 FGO an den Großen Senat bedurfte es nicht, da der erkennende Senat die alleinige sachliche Zuständigkeit für Streitigkeiten betreffend die Einkommensteuer auf sonstige Einkünfte gem. § 22 Nr. 2 bis 4 EStG besitzt.
Die Einziehung einer Forderung, die von einem Dritten unter Nennwert entgeltlich erworben wurde, stellt keine "Veräußerung" i.S.d. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG dar. Denn sie beinhaltet weder einen entgeltlichen Vorgang noch führt sie zu einem Rechtsträgerwechsel.