Infolgedessen wurde die EMIR-VO in das REFIT-Programm der Europäischen Kommission aufgenommen, aus dem im Mai 2017 ein Vorschlag der Europäischen Kommission für eine Änderung der EMIR-VO hervorging.
Nach zweijährigen Trilogverhandlungen auf EU-Ebene wurde am 28.5.2019 die Verordnung (EU) 2019/834 zur Änderung der EMIR-VO im EU-Amtsblatt veröffentlicht (Änderungsverordnung). Diese trat am 17.6.2019 in Kraft und ist von einigen wenigen Ausnahmen abgesehen ab diesem Tag verbindlich anzuwenden.
Hinweis
Die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) hat am 28.5.2019 ihre Fragen und Antworten (Q&As) zur EMIR-VO aktualisiert. Enthalten sind nun auch Erläuterungen zu der Änderungsverordnung.
Die Änderungsverordnung nimmt eine breite Palette von Anpassungen an bestehenden EMIR-Anforderungen vor, insbesondere in Bezug auf die Klassifizierung, die Clearingpflicht, die Margen und die Meldepflichten:
Klassifizierung von finanziellen Gegenparteien
Als finanzielle Gegenparteien i. S. d. Änderungsverordnung sollen künftig auch die Zentralverwahrer gelten - also Unternehmen, die eine Nachhandelsinfrastruktur für die Abwicklung von Wertpapiertransaktionen anbieten (Art 2 Nr. 8 lit. g Änderungsverordnung). Dagegen sollen Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) oder alternative Investmentfonds (AIF), die ausschließlich zum Zweck der Durchführung eines oder mehrerer Mitarbeiteraktienkaufpläne eingerichtet wurden, im Einklang mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht (mehr) als finanzielle Gegenpartei gelten (Art. 2 Nr. 8 lit. d und lit. f Änderungsverordnung).
Clearingpflicht
Die Überschreitung der sog. Clearingschwelle löst eine Clearingpflicht aus. Die Berechnung der Clearingschwelle für nicht finanzielle Gegenparteien gemäß Art. 10 der Änderungsverordnung soll künftig nicht mehr kontinuierlich anhand der gleitenden Durchschnittsposition über einen Zeitraum von 30 Arbeitstagen berechnet werden, sondern einmal jährlich auf der Grundlage der aggregierten durchschnittlichen Monatsendposition für die letzten zwölf Monate. Die Clearingpflicht gilt künftig nur noch in Bezug auf die Kategorien von OTC-Derivaten, bei denen die Clearingschwelle tatsächlich überschritten wurde.
Hinweis
Nichtfinanzielle Gegenparteien, die sich dagegen entscheiden, ihre Position in Bezug auf die Clearingschwellen zu berechnen, haben dies der BaFin und der ESMA zu melden und sind dann in Bezug auf alle Kategorien von OTC-Derivaten clearingpflichtig.
Die Clearingschwelle soll künftig auch für finanzielle Gegenparteien gelten (Art. 4a Änderungsverordnung). Sobald die Schwelle für eine Kategorie von OTC-Derivaten (berechnet auf Gruppenebene) überschritten wird, wird die finanzielle Gegenpartei in Bezug auf alle Kategorien von OTC-Derivaten clearingpflichtig.
Hinweis
Finanzielle Gegenparteien mit nur geringem Aktivitätsvolumen auf den OTC-Derivatemärkten gelten als weniger risikoreich und können von dieser Ausnahme profitieren.
Mit der Änderungsverordnung wurde die Pflicht für direkte und indirekte Anbieter von Clearingdiensten eingeführt, ihre Dienste zu „fairen, angemessenen, nichtdiskriminierenden und transparenten Geschäftsbedingungen“ (sog. FRAND-Bedingungen) zu erbringen. Dadurch soll insbes. kleineren Marktteilnehmern, die Schwierigkeiten haben Clearing-Mitglieder zu finden, der Zugang zum zentralen Clearing ermöglicht bzw. erleichtert werden (Art. 4 Abs. 3a Änderungsverordnung).
Hinweis
Die Europäische Kommission wird gleichzeitig beauftragt, delegierte Rechtsakte zu erlassen, die die Voraussetzungen für die sog. FRAND-Bedingungen konkretisieren sollen. Die Einhaltung der FRAND-Bedingungen ist dann ab dem 18.6.2021 verpflichtend.
Das derzeitige Verfahren zur Aussetzung der Clearingpflicht erfordert eine Änderung der technischen Regulierungsstandards und ist insbesondere in Krisenzeiten sehr zeitaufwändig. Künftig kann die ESMA (u.U. auch auf Antrag der für die Beaufsichtigung der Clearingmitglieder zuständigen Behörden) die Europäische Kommission auffordern, die Clearingpflicht für bestimmte Kategorien von OTC-Derivaten oder Arten von Gegenparteien auszusetzen. Dies ist jedoch nur unter bestimmten Bedingungen und vorübergehend, jedoch max. für zwölf Monate, möglich (Art. 6a Änderungsverordnung).
Hinweis
Eine dauerhafte Aussetzung ist nach wie vor nur durch eine Änderung eines delegierten Rechtsakts möglich.
Initial Margins
Die zentralen Gegenparteien sollten ihren Clearingmitgliedern Instrumente zur Simulation ihrer Einschussanforderungen und einen detaillierten Überblick über die von ihnen verwendeten Modelle für die Berechnung der Einschusszahlungen zur Verfügung stellen (Art. 38 Abs. 7 Änderungsverordnung). Dadurch wird die Transparenz und Berechenbarkeit der Einschusszahlungen (Initial Margins) erhöht und zentrale Gegenparteien davon abgehalten, ihre Modelle zur Berechnung der Einschusszahlungen in einer Weise zu verändern, die prozyklisch erscheinen könnte.
Hinweis
Die Simulationen sind zwar nicht bindend, die Clearingmitglieder könnten sich jedoch dadurch besser auf wahrscheinlich künftig anfallende Margin-Calls vorbereiten. Die neue Regelung ist ab dem 18.12.2019 verbindlich anzuwenden.
Meldepflichten
Bisher mussten auch historische Kontraktdaten, d.h. Kontrakte die vor dem Inkrafttreten der EMIR-VO geschlossen wurden, an das Transaktionsregister gemeldet werden. Dies hat zu hohen Meldeausfällen und Qualitätsdefiziten bei den gemeldeten Daten geführt. Aus diesem Grund wurde die Pflicht zur Meldung historischer Kontrakte aufgehoben. Künftig gilt die Meldepflicht nur noch für Derivatekontrakte, die vor dem 12. 2.2014 geschlossen und zu diesem Zeitpunkt noch ausstanden, bzw. am oder nach dem 12.2.2014 geschlossen wurden (Art. 9 Abs. 1 Änderungsverordnung).
Darüber hinaus wurde der Meldeaufwand für nichtfinanzielle Gegenparteien in Bezug auf OTC-Derivate-Kontrakte, die keiner Clearingpflicht unterliegen, verringert. So soll künftig die Verantwortung grundsätzlich bei der finanziellen Gegenpartei liegen, die letztendlich für beide Kontrahenten die Meldung abzugeben hat (Art. 9 Abs. 1a Änderungsverordnung). In diesem Fall hat die nichtfinanzielle Gegenpartei jedoch alle für die Meldung relevanten Einzelheiten der finanziellen Gegenpartei zu übermitteln und ist für deren Richtigkeit verantwortlich.
Hinweis
Diese neuen Regelungen sind erst ab dem 18.6.2020 verbindlich einzuhalten. Bis zu diesem Zeitpunkt hat auch die ESMA Entwürfe technischer Durchführungsstandards zur Gewährleistung einheitlicher Bedingungen für die Anwendung der neuen Meldepflichten auszuarbeiten und der Europäischen Kommission vorzulegen.
Geschäfte zwischen Gegenparteien innerhalb einer Unternehmensgruppe, bei denen mindestens eine Gegenpartei eine nichtfinanzielle Gegenpartei ist, werden unabhängig vom Ort der Niederlassung der nichtfinanziellen Gegenpartei, von der Meldepflicht ausgenommen (Art. 9 Abs. 1 Änderungsverordnung).
Hinweis
Hierfür müssen jedoch weitere, engere Voraussetzungen erfüllt sein.
Fazit
Obwohl der EMIR-REFIT einige Übergangsfristen enthält, sind diese von Natur aus relativ begrenzt. Insbesondere gilt die Änderungen der Berechnung der Clearingschwelle unmittelbar mit dem Inkrafttreten der Änderungsverordnung. Von finanziellen und nichtfinanziellen Gegenparteien wird daher erwartet, dass sie in der Zwischenzeit bereits alle für die Berechnung erforderlichen Daten und Informationen erhoben haben, um mit Inkrafttreten der Änderungsverordnung für die Berechnung der Clearingschwelle bereit zu sein. In allen anderen Fällen sind ggf. vorhandene Prozesse zu aktualisieren bzw. neue einzurichten.