Verbraucherzentrale bisher vor Gericht erfolglos
Bislang sind Verbraucherschützer vor Gericht noch nicht erfolgreich gewesen. Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen hat in drei Fällen erfolglos versucht, Grundversorgern durch einstweilige Verfügungen untersagen zu lassen, für Neukunden einen gesonderten allgemeinen Preis für die Grund- und Ersatzversorgung einzuführen. Mit Beschluss vom 02.03.2022 (Az. 6 W 10/22) hat das OLG Köln entschieden, dass Grundversorger berechtigt sind, Neukunden in der Grundversorgung zu höheren Preisen zu beliefern. Das OLG Düsseldorf hat mit Beschluss vom 01.04.2022 ebenfalls entschieden, dass gespaltene Preise in der Grundversorgung zulässig sind. Weder das deutsche Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) noch die einschlägigen EU-Richtlinien stünden dem entgegen.
Rechtsdienstleister treten auf den Plan
Rechtsdienstleister positionieren sich bereits und bieten betroffenen Verbrauchern ihre Dienste an. Sie beabsichtigen, Schadensersatzansprüche gesammelt gegen Lieferanten geltend zu machen. Derzeit richtet sich das Augenmerk auf die Lieferanten, die die Belieferung ihrer Kunden eingestellt haben.
Aber auch Grundversorger können von gebündelten Ansprüchen betroffen sein.
Musterfeststellungsklagen sind in Vorbereitung
Einen etwas anderen Weg beschreitet die Verbraucherzentrale Hessen. Sie bereitet eine Musterfeststellungsklage gegen einen Lieferanten vor, der die Belieferung seiner Kunden eingestellt und Verträge mit Verbrauchern beendet hat. Die Verbraucherzentrale hat Verbraucher aufgerufen, sich zu registrieren. Falls die Verbraucherzentrale eine ausreichende Anzahl von Verbrauchern hinter sich versammeln kann und eine Musterfeststellungsklage erhebt, können sich weitere Verbraucher durch Eintrag in das Klageregister an einem solchen Musterfeststellungsklageverfahren beteiligen.
Auch Grundversoger sind im Visier der Verbraucherschützer. Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) hat einen Aufruf und eine Umfrage gestartet, um zu ermitteln, ob er auch gegen Grundversoger eine Musterfeststellungsklage erheben kann.
Wettbewerber vor Gericht teilweise erfolgreich
Ein Wettbewerber eines Grundversorgers war mit seinem gerichtlichen Vorgehen gegen die Preisspaltung in der Grundversorgung bereits erfolgreich. Während die Landgerichte in Berlin (Urteil vom 25.01.2022, Az. 92 O 1/22) und Leipzig die Anträge zurückgewiesen haben, drang der Wettbewerber in Frankfurt am Main und Mannheim (Az. 22 O 3/22 Kart) mit seinen Klagen durch. Der Wettbewerber hatte seinen Antrag jeweils u. a. damit begründet, dass sich Grundversorger mit einer Preisspaltung wettbewerbswidrig verhalten würden. Die Preise für die Bestandskunden würden durch den höheren Preis für die Neukunden künstlich niedrig gehalten und die Bestandskunden somit vom Wechsel zu einem anderen Lieferanten abgehalten. Zudem dürften Grundversorger ihre Kunden nicht unter Einstandspreisen beliefern. Obergerichtliche oder höchstrichterliche Entscheidungen liegen, soweit ersichtlich, noch nicht vor.
Der Gesetzgeber schreitet ein
Am 12.05.2022 hat der Bundestag in erster Lesung über ein Gesetz zur Änderung des Energiewirtschaftsrechts beraten (BT-Drs. 20/1599). Mit einer Änderung in § 36 EnWG soll Grundversorgern untersagt werden, bei allgemeinen Preisen und Bedingungen der Grundversorgung nach dem Zeitpunkt des Vertragsabschlusses zu unterscheiden. Der Gesetzgeber erkennt an, dass Grundversorger ein berechtigtes Interesse daran haben können, Neukunden zu anderen Preisen zu beliefern als Bestandskunden. Bislang dürfen die allgemeinen Preise der Ersatzversorgung für Haushaltskunden nicht höher sein als die allgemeinen Preise der Grundversorgung. Dieses Verbot soll aufgehoben werden. Zudem sollen Grundversoger die Möglichkeit erhalten, die Preise für die Ersatzversorgung mit kürzerer Frist an die Gegebenheiten des Marktes anzupassen, ohne dass allerdings übermäßige Gewinne generiert werden dürfen. Neukunden sollen zunächst für drei Monate in die Ersatzversorgung fallen, bevor der Grundversorgungsvertrag beginnt, wenn ihr bisheriger Lieferant die Lieferung eingestellt hat, weil ihm der Bilanzkreisvertrag gekündigt wurde. In diesem Zeitraum hat der Kunde die Möglichkeit, sich einen anderen Lieferanten zu suchen, so dass schon kein Grundversorgungsvertrag zustande kommt.
Außerdem soll Energielieferanten verboten werden, die Belieferung ihrer Kunden so kurzfristig einzustellen, wie das im Dezember 2021 geschehen ist. Künftig sollen Lieferanten mindestens drei Monate vorher bei der Bundesnetzagentur ankündigen, wenn sie ihre Tätigkeit einstellen möchten.
Hinweis: Grundversorger und andere betroffene Energielieferanten, die befürchten müssen, mit einer Vielzahl von Ansprüchen oder gar einer Musterfeststellungsklage konfrontiert zu werden, sollten sich rechtzeitig vorbereiten. Derartige Verfahren enthalten sowohl inhaltlich als auch prozessual eine Reihe von Fallstricken und Besonderheiten gegenüber „normalen“ Schadensersatzprozessen. Eine erfolgreiche Verteidigung muss rechtzeitig vorbereitet sein und sowohl die energierechtlichen als auch die verfahrensrechtlichen Besonderheiten berücksichtigen.