Zu den für eine EEG-Umlagen-Begünstigung wichtigen Fragestellungen betreffend die Abgrenzung selbstverbrauchter zu weitergeleiteten Strommengen einerseits und die sich aus Werk- und Dienstverträgen ergebende Behandlung der Aufwendungen im Rahmen der Ermittlung der Bruttowertschöpfung andererseits, wurde in der Vergangenheit insbesondere auf den Leitfaden zur Eigenversorgung der Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen (kurz: BNetzA), Bonn, mit Stand Juli 2016, auf das Hinweisblatt Stromzähler für stromkostenintensive Unternehmen des Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (kurz: BAFA), Eschborn, mit letztem Stand vom 14.5.2018 bzw. auf das jeweils relevante BAFA-Merkblatt für stromkostenintensive Unternehmen, zurückgegriffen.
Mit dem Energiesammelgesetz hat der Gesetzgeber über die §§ 62a und 62b und in § 104 Abs. 10 und 11 EEG 2017 n.F. rechtliche Vorgaben zur Beurteilung geringfügiger Stromverbräuche Dritter und zur Messung und Schätzung von Strommengen in Gesetzesform gegossen.
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass diese Neuregelung - zumindest nach der Regierungsbegründung zu § 104 Abs. 10 EEG 2017 n.F. - einen „Rechtsfrieden“ in diesem Zusammenhang bzgl. Stromverbräuchen vor dem 1.1.2017 schaffen will. Für Stromverbräuche nach diesem Zeitpunkt und vor dem 1.1.2020 wird eine Übergangsregelung geschaffen, die eine „sachgerechte und in einer für einen nicht sachverständigen Dritten jederzeit nachvollziehbaren und nachprüfbaren Weise“ Schätzungen eröffnen soll.
Das BAFA hat am 11.12.2018 und am 17.12.2018 alle Antragsteller bezüglich des Begrenzungsjahres 2019 angeschrieben und um nochmalige Überprüfung der bis zum Ende der Ausschlussfrist vorgenommenen Angaben zur Abgrenzung von selbstverbrauchten und zu weitergeleiteten Strommengen gebeten. Dabei bezieht sich das BAFA auf die Regierungsbegründung zum EnSaG, wonach sich die gesetzliche Neuregelung auch auf das laufende Antragsverfahren in der Besonderen Ausgleichsregelung für das Begrenzungsjahr 2019 auswirken soll. Sämtliche Antragsteller müssen sich daher bis spätestens 31.3.2019 nochmals umfassend mit dieser Thematik auseinandersetzen und in Zweifelsfällen überlegen, ob Änderungen an der bisherigen Beurteilung erforderlich sind.
In der Folge kommen mit Wirkung zum 1.1.2018 die §§ 62a und §§ 62b EEG 2017 n.F. zur Anwendung. Die wesentlichen Regelungsinhalte sehen folgendermaßen aus:
Bagatellfälle
Nach § 62a EEG 2017 n.F. sind geringfügige Stromverbräuche Dritter dem Letztverbraucher zuzuordnen, sofern sie
- geringfügig sind,
- üblicherweise und im konkreten Fall nicht gesondert abgerechnet werden und
- verbraucht werden
- in den Räumlichkeiten, auf dem Grundstück oder dem Betriebsgelände des Letztverbrauchers und
- im Fall einer gewerblichen Nutzung zur Erbringung einer Leistung der anderen Person gegenüber dem Letztverbraucher oder des Letztverbrauchers gegenüber der anderen Person.
Hinweis
Laut Gesetzesbegründung handelt es sich dabei etwa um den „Stromverbrauch von Gästen, Passagieren, externen auf Werkvertragsbasis beschäftigten Reinigungsdiensten oder Handwerkern, sofern es sich um unentgeltliche und im konkreten Fall auch nicht gesondert abgerechnete Verbräuche von untergeordneter Bedeutung handelt.“ Zusätzlich dürfte der Jahresverbrauch eines gewöhnlichen Haushaltskunden „auf das Jahr […]im Regelfall aber keinen Bagatellverbrauch mehr darstellen“.
Messen und Schätzen
§ 62b EEG 2017 n.F. regelt die gesetzlichen Vorgaben zur Messung und Schätzung. Durch § 62b Abs. 1 EEG 2017 n.F. wird zunächst klargestellt, dass Strommengen grundsätzlich durch mess- und eichrechtskonforme Messeinrichtungen abzugrenzen sind.
Von dieser Grundregel sieht § 62b Abs. 2 EEG 2017 n.F. jetzt zwei Möglichkeiten für die Fälle vor, in denen Stromverbräuche mit unterschiedlichen EEG-Umlagesätze zu belegen wären (sog. „Weiterleitungsfälle“). Danach kann auf eine messtechnische Erfassung verzichtet werden, wenn für die gesamte Strommenge der innerhalb dieser Strommenge geltende höchste EEG-Umlagesatz geltend gemacht wird.
Hinweis
Treffen beispielsweise hinter einem Zählpunkt Eigenversorgungsmengen aus einer neuen KWK-Anlage sowie an einen Dritten gelieferte Strommengen, der kein Umlageprivileg genießt, zusammen, bedarf es laut Gesetzesbegründung einer messtechnischen Abgrenzung der Erzeugung und der Weiterleitung an den Dritten dann nicht, wenn für die gesamte hinter diesem Zählpunkt verbrauchte Strommenge die EEG-Umlage in voller Höhe geltend gemacht und entrichtet wird.
Auch kann auf eine messtechnische Erfassung verzichtet werden, wenn die Abgrenzung technisch unmöglich oder mit unvertretbarem Aufwand verbunden ist und auch eine Abrechnung aufgrund der Menge des privilegierten Stroms, für den in Ermangelung der Abgrenzung der innerhalb dieser Strommenge geltende höchste EEG-Umlagesatz anzuwenden wäre, nicht wirtschaftlich zumutbar ist.
Hinweis
Hierbei handelt es sich laut Gesetzesbegründung um eine eng anzuwendenden Sondervorschrift, die etwa dann greift, wenn es sich um durchmischte Stromverbräuche an ein und derselben Verbrauchsstelle (i.d.R. einer Steckdose, einem Stromverteiler oder einem abgrenzbaren Stromkreis) handelt und eine messtechnische Abgrenzung insoweit eine technisch unmögliche oder vom wirtschaftlichen Aufwand unzumutbare messtechnische Protokollierung der jeweiligen Verbräuche verschiedener Letztverbraucher erfordern würde. Dies ist etwa der Fall bei zu unterschiedlichen Zeiten sowohl von nicht umlageprivilegierten Dritten etwa Werkvertragsnehmern als auch von dem umlageprivilegierten Unternehmen selbst benutzten Produktionsanlagen.
Ist daher die Abgrenzung von Strommengen technisch unmöglich oder nur mit unvertretbarem Aufwand verbunden, ist eine Schätzung in sachgerechter und in einer für einen sachverständigen Dritten jederzeit nachvollziehbaren und nachprüfbaren Weise nun gesetzlich möglich. Über diese Schätzung muss jedoch sichergestellt werden, dass nicht weniger EEG-Umlagebeträge zu zahlen sind, als sie bei einer installierten Messeinrichtung im Sinne des MessEG zu zahlen wären. Hierzu stellt § 62b Abs. 3 Satz 4 EEG 2017 n.F. insbesondere auf eine Schätzung ausgehend von der maximalen Leistungsaufnahme der betreffenden Stromverbrauchseinrichtung (Worst-Case-Betrachtung), die mit der Summe der vollen Zeitstunden des jeweiligen Kalenderjahres, in der Regel 8.760 Stunden, zu multiplizieren ist, ab.
Ergänzend sind bei derartigen Schätzungen zusätzliche Angaben für die Endabrechnung nach § 74 Abs. 2 oder § 74a Abs. 2 EEG 2017 n.F. erforderlich. Diese Angaben sind auch gegenüber dem BAFA nach § 62b Abs. 6 Nr. 3 EEG 2017 n.F. im Rahmen der Antragstellung zu machen, sofern dieses nicht ausdrücklich verzichtet:
(Übertragungs-)Netzbetreiber | BAFA | ||
1 | Angabe, ob und welche Strommengen im Wege einer Schätzung abgegrenzt wurden, | x | x |
2 | Höhe des EEG-Umlagesatzes, der für diese Strommengen jeweils zu zahlen ist, | x | x |
3 | Art, maximale Leistungsaufnahme und Anzahl der Stromverbrauchseinrichtungen, in denen die geschätzten Strommengen verbraucht wurden, | x (optional) | x |
4 | jeweils den Betreiber der anzugebenden Stromverbrauchseinrichtungen, | x (optional) | x |
5 | bei Schätzungen eine nachvollziehbare Begründung, weshalb die messtechnische Abgrenzung technisch unmöglich oder mit unvertretbarem Aufwand verbunden ist | x | x |
6 | Darlegung der Methode der Schätzung, die umfassende Angaben enthält, wie sichergestellt wird, dass aufgrund der Schätzung auf die gesamte Strommenge nicht weniger EEG-Umlage gezahlt wird als im Fall einer Abgrenzung durch mess- und eichrechtskonforme Messeinrichtungen. | x | x |
Insbesondere die schwierige Abgrenzungsfrage, wer Betreiber der Stromverbrauchseinrichtungen ist, wird eine umfassende Aufarbeitung jedes einzelnen Sachverhalts unabdingbar machen.
Hinweis
Laut Gesetzesbegründung ist „zur Bestimmung dieser Betreibereigenschaft […] grundsätzlich auf die von der Rechtsprechung und der Bundesnetzagentur in ihrem Leitfaden zur Eigenversorgung herausgearbeiteten Kriterien zur Bestimmung des Betreibers einer Stromerzeugungsanlage zurückzugreifen. Danach ist maßgeblich, wer die tatsächliche Herrschaft über die elektrischen Verbrauchsgeräte ausübt, wer ihre Arbeitsweise eigenverantwortlich bestimmt und das wirtschaftliche Risiko trägt. Insbesondere letzteres Kriterium führt im hypothetisch anzunehmenden Fall des Ausfalls der Stromverbrauchseinrichtung in vielen Konstellationen zu einer trennscharfen Abgrenzung. So ist der Stromverbrauch eines Werkvertragsnehmers grundsätzlich anders einzuordnen als der Stromverbrauch eines Angestellten. Ersterer wird regelmäßig als Stromverbrauch des Dritten, letzterer regelmäßig als Selbstverbrauch des Arbeitgebers zu qualifizieren sein.“
In obiger Übersicht sind die Angaben 3 und 4 als optionale Anforderung der (Übertragungs-) Netzbetreiber gekennzeichnet. Hierauf kann verzichtet werden, wobei allerdings eine Nacherhebung erlaubt bleibt. Bis zu welchem Zeitpunkt eine solche Nacherhebung erfolgen kann, wurde nicht gesetzlich geregelt.
Sondervorschriften
In § 62b Abs. 5 EEG 2017 n.F. wird die bisher in § 61h Abs. 2 EEG 2017 a.F. enthaltene Regelung übernommen und nach der Gesetzesbegründung nur sprachlich präzisiert.
§ 62b Abs. 6 EEG 2017 n.F. enthält eine Sondervorschrift zur Besonderen Ausgleichsregelung, wonach nur in diesen Fällen die zuvor beschriebenen Regelungen zu Bagatellfällen und zur Schätzung und Messung Anwendung finden.
Danach haben Antragsteller selbstverbrauchte Strommengen von an Dritte weitergeleitete Strommengen auch bei nicht unterschiedlicher Höhe der zu zahlenden EEG-Umlage abzugrenzen. Dies jedoch nur, sofern die gesamte Strommenge nicht als Selbstverbrauch geltend gemacht wird. In diesen Fällen sind die oben dargestellten Angaben erforderlich.
Hinweis
Ausweislich der Gesetzesbegründung ist dies insbesondere dann relevant, wenn in der Vergangenheit an der betreffenden Abnahmestelle bereits Weiterleitungen stattgefunden haben, für Weiterleitung und Selbstverbrauch mangels Privilegierung aber derselbe Umlagesatz anzuwenden war. Aus diesem Grund bestand keine Messpflicht nach § 62b Abs. 2 Satz 1 EEG 2017 n.F. und in der Folge war auch nicht die Schätzmöglichkeit nach Abs. 2 eröffnet. Durch die entsprechende Anwendung unter Maßgabe wird auch in diesen Fällen eine Schätzungsmöglichkeit nach Abs. 2 eröffnet. Für alle anderen Fälle, in denen regelmäßig Umlagesätze in unterschiedlicher Höhe anfallen werden, ergibt sich die Abgrenzungspflicht bei entsprechender Anwendung von § 62b Abs. 1 Satz 2 EEG 2017 n.F. ohne die Maßgabe. Dies gilt insbesondere auch für die Abgrenzung des privilegierten Fahrstroms von anderen nicht privilegierten Stromverbräuchen einer Schienenbahn.
Eine Schätzung nach der Übergangsbestimmung des § 104 Abs. 10 EEG 2017 n.F. unterliegt nicht der Einhaltung des § 62b EEG 2017 n.F. ab dem 1.1.2020 und kann auch für Strommengen erfolgen, die nach dem 31.12.2016 oder aber im Fall von vom Kalenderjahr abweichenden Geschäftsjahren im letzten abgeschlossenen Geschäftsjahr vor der Antragstellung verbraucht wurden.
Hinweis
Entsprechend bedarf es laut Gesetzesbegründung im Rahmen des Antragsverfahrens keiner Vorlage […] einer Erklärung über die erfolgte Umsetzung der Anforderungen von § 62b Abs. 1. Satz 1 EEG 2017 n.F.
§ 62b Abs. 6 Sätze 2 und 3 EEG 2017 n.F. regeln einerseits, dass im Falle einer nach § 75 Satz 2 EEG 2017 geprüften Endabrechnung nicht nochmals im Rahmen des Antragsverfahrens auf Begünstigung nach der Besonderen Ausgleichsregelung eine Überprüfung einer Schätzung zu erfolgen hat und andererseits, dass für die Begrenzungsjahre 2019 und 2020 unwiderlegbar vermutet werden soll, dass die Angaben zu selbstverbrauchten Strommengen des jeweiligen Nachweisjahres richtig sind, soweit diese bereits in den Antragsverfahren zu den Begrenzungsjahren 2016 und 2018 vom BAFA geprüft und akzeptiert worden sind.
Wie eingangs erwähnt, soll für Strommengen vor dem 31.12.2017 ein „Rechtsfrieden“ erreicht werden und für Strommengen betreffend Zeiträume nach diesem Termin und bis zum 1.1.2020 eine Übergangsregelung geschaffen werden, die in § 104 Abs. 10 EEG 2017 n.F. enthalten ist. Die Übergangsregelung ermöglicht für Fälle fehlender mess- und eichrechtskonformer Messeinrichtungen auch dann eine Schätzung, sofern diese insbesondere abweichend von § 62b Abs. 2 EEG 2017 n.F. gerade nicht technisch unmöglich oder mit unvertretbarem Aufwand verbunden wäre. In diesen Fällen ist dann jedoch eine Schätzung nach § 62b Abs. 3 bis 5 EEG 2017 n.F. vorzunehmen. Darüber hinaus ist zumindest für Strommengen ab dem Kalenderjahr 2019 im Rahmen der Endabrechnung eine Erklärung vorzulegen, mit der anhand eines Messkonzepts dargelegt wird, durch welche Maßnahmen ab dem 1.1.2020 sichergestellt wird, dass § 62b EEG 2017 n.F. eingehalten wird. Der relevante (Übertragungs-) Netzbetreiber kann eine Prüfung dieses Messkonzepts verlangen.