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Entfernungspauschale: Privilegierung der Benutzer öffentlicher Verkehrsmittel verfassungsgemäß

BFH 15.11.2016, VI R 4/15

Es be­geg­net kei­nen ver­fas­sungs­recht­li­chen Be­den­ken, dass durch die Ent­fer­nungs­pau­schale sämt­li­che gewöhn­li­chen wie außer­gewöhn­li­chen Auf­wen­dun­gen für Fahr­ten zwi­schen Woh­nung und re­gelmäßige Ar­beitsstätte ab­ge­gol­ten wer­den. Ins­be­son­dere ist in dem Um­stand, dass der Ge­setz­ge­ber Be­nut­zer öff­ent­li­cher Ver­kehrs­mit­tel von der ab­zugs­be­schränken­den Wir­kung der Ent­fer­nungs­pau­schale aus­ge­nom­men hat, kein Ver­stoß ge­gen den all­ge­mei­nen Gleich­heits­satz (Art. 3 Abs. 1 GG) zu er­bli­cken.

Der Sach­ver­halt:
Strei­tig ist, ob Auf­wen­dun­gen für Fahr­ten zwi­schen Woh­nung und re­gelmäßiger Ar­beitsstätte mit den tatsäch­li­chen Kos­ten oder nur in Höhe der Ent­fer­nungs­pau­schale an­ge­setzt wer­den können. Die ver­hei­ra­te­ten Kläger wur­den für das Streit­jahr (2010) zur Ein­kom­men­steuer zu­sam­men ver­an­lagt. Sie er­ziel­ten im Streit­jahr u.a. Einkünfte aus nicht­selbständi­ger Ar­beit. In der Ein­kom­men­steu­er­erklärung machte der Kläger für Fahr­ten zwi­schen Woh­nung und Ar­beitsstätte (Ent­fer­nung 43 km) die tatsäch­li­chen Kos­ten von 0,44 €/km gel­tend. Das Fi­nanz­amt berück­sich­tigte die gel­tend ge­mach­ten We­ge­kos­ten hin­ge­gen le­dig­lich in Höhe der Ent­fer­nungs­pau­schale (§ 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 EStG).

Das FG wies die hier­ge­gen ge­rich­tete Klage ab. Die Re­vi­sion der Kläger hatte vor dem BFH kei­nen Er­folg.

Die Gründe:
Das FG hat die Auf­wen­dun­gen des Klägers für die Fahr­ten zwi­schen Woh­nung und re­gelmäßiger Ar­beitsstätte zu Recht nur nach Maßgabe der Ent­fer­nungs­pau­schale zum Wer­bungs­kos­ten­ab­zug zu­ge­las­sen.

Nach § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 S. 1 EStG sind Wer­bungs­kos­ten auch die Auf­wen­dun­gen des Ar­beit­neh­mers für die Wege zwi­schen Woh­nung und re­gelmäßiger Ar­beitsstätte. Zur Ab­gel­tung die­ser Auf­wen­dun­gen ist nach § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 S. 2 EStG für je­den Ar­beits­tag, an dem der Ar­beit­neh­mer die re­gelmäßige Ar­beitsstätte auf­sucht, eine Ent­fer­nungs­pau­schale für je­den vollen Ki­lo­me­ter der Ent­fer­nung zwi­schen Woh­nung und re­gelmäßiger Ar­beitsstätte von 0,30 € an­zu­set­zen. Nach § 9 Abs. 2 S. 1 EStG sind durch die Ent­fer­nungs­pau­scha­len "sämt­li­che Auf­wen­dun­gen" ab­ge­gol­ten, die durch die Wege zwi­schen Woh­nung und re­gelmäßiger Ar­beitsstätte ver­an­lasst sind, es sei denn, es han­delt sich um Auf­wen­dun­gen für die Be­nut­zung öff­ent­li­cher Ver­kehrs­mit­tel. Diese können nach § 9 Abs. 2 S. 2 EStG auch an­ge­setzt wer­den, so­weit sie den als Ent­fer­nungs­pau­schale ab­zieh­ba­ren Be­trag über­schrei­ten.

Es be­geg­net kei­nen ver­fas­sungs­recht­li­chen Be­den­ken, dass durch die Ent­fer­nungs­pau­schale sämt­li­che gewöhn­li­chen wie außer­gewöhn­li­chen Auf­wen­dun­gen für Fahr­ten zwi­schen Woh­nung und re­gelmäßiger Ar­beitsstätte ab­ge­gol­ten wer­den (§ 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 S. 2 und Abs. 2 S. 1 EStG). Der Ge­setz­ge­ber hat das ihm ein­geräumte Re­ge­lungs­er­mes­sen in­so­weit nicht über­schrit­ten. Viel­mehr er­wei­sen sich diese be­ruf­li­che Mo­bi­litätskos­ten nur ein­ge­schränkt berück­sich­ti­gen­den Re­ge­lun­gen für den - auch hier vor­lie­gen­den - Grund­fall, den im­mer wie­der­keh­ren­den Fahr­ten zu ei­ner re­gelmäßigen Ar­beitsstätte, nach der mitt­ler­weile ständi­gen Recht­spre­chung des er­ken­nen­den Se­nats als sach­ge­rechte und fol­ge­rich­tige Aus­nahme vom ob­jek­ti­ven Net­to­prin­zip. Eine Ver­let­zung von Grund­rech­ten oder grund­rechts­glei­cher Rechte des Klägers durch die An­wen­dung der im Streit­fall wer­bungs­kos­ten­ab­zugs­be­schränkend wir­ken­den Ent­fer­nungs­pau­schale liegt nicht vor.

Der Um­stand, dass der Ge­setz­ge­ber ent­spre­chende Auf­wen­dun­gen für die Be­nut­zung öff­ent­li­cher Ver­kehrs­mit­tel nach § 9 Abs. 2 S. 2 EStG, auch so­weit sie den als Ent­fer­nungs­pau­schale ab­zieh­ba­ren Be­trag über­schrei­ten, zum Wer­bungs­kos­ten­ab­zug zulässt, verstößt eben­falls nicht ge­gen Art. 3 Abs. 1 GG. Die Pri­vi­le­gie­rung öff­ent­li­cher Ver­kehrs­mit­tel in § 9 Abs. 2 S. 2 EStG ist ver­fas­sungs­recht­lich un­be­denk­lich. Denn diese Re­ge­lung ist er­kenn­bar von um­welt- und ver­kehrs­po­li­ti­schen Zie­len ge­tra­gen. Es ist des­halb gleich­heits­recht­lich nicht zu be­an­stan­den, wenn der Ge­setz­ge­ber Auf­wen­dun­gen für öff­ent­li­che Ver­kehrs­mit­tel von der ab­zugs­be­gren­zen­den Wir­kung der Ent­fer­nungs­pau­schale aus­nimmt. Der Um­stand, dass diese Ver­kehrs­mit­tel ins­be­son­dere ge­genüber dem mo­to­ri­sier­ten pri­va­ten In­di­vi­du­al­ver­kehr in Be­zug auf den Primären­er­gie­ver­brauch und den Aus­stoß von Treib­haus­ga­sen um­welt­freund­li­cher sind, recht­fer­tigt de­ren Pri­vi­le­gie­rung.

Link­hin­weis:

  • Der Voll­text der Ent­schei­dung ist auf der Home­page des BFH veröff­ent­licht.
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