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Entgangener Gewinn als Schaden des Mieters bei Vereitelung seines Vorkaufsrechts

BGH 21.1.2015, VIII ZR 51/14

Mie­ter können we­gen der Ver­ei­te­lung ih­res ge­setz­li­chen Vor­kaufs­rechts (§ 577 BGB) einen An­spruch auf Scha­dens­er­satz in Höhe des ih­nen ent­gan­ge­nen Ge­winns ha­ben. Der Er­stat­tungsfähig­keit ei­nes sol­chen Scha­dens steht auch nicht ein ein­ge­schränk­ter Schutz­zweck des Vor­kaufs­rechts nach § 577 BGB ent­ge­gen.

Der Sach­ver­halt:
Die Kläge­rin ist seit 1992 Mie­te­rin ei­ner Woh­nung in einem Mehr­fa­mi­li­en­haus in Ham­burg, die Be­klagte ist durch Ei­gen­tums­er­werb in den Miet­ver­trag ein­ge­tre­ten. Zwi­schen den Par­teien steht im Streit, ob vor oder nach Miet­be­ginn an den sie­ben Woh­nun­gen des Hau­ses Woh­nungs­ei­gen­tum begründet wor­den ist. Mit no­ta­ri­el­lem Kauf­ver­trag vom 17.5.2011 veräußerte die Be­klagte sämt­li­che Ei­gen­tums­woh­nun­gen zum Ge­samt­preis von rund 1,3 Mio. € an einen Drit­ten. Die­ser wurde am 18.7.2011 als neuer Ei­gentümer in das Grund­buch ein­ge­tra­gen. Die Kläge­rin wurde von der Be­klag­ten we­der vom Kauf­ver­trags­ab­schluss un­ter­rich­tet noch auf ein Vor­kaufs­recht hin­ge­wie­sen.

Am 12.1.2012 bot der neue Ei­gentümer der Kläge­rin die von ihr be­wohnte Woh­nung zum Preis von rd. 270.000 € zum Kauf an. Sie macht gel­tend, die Be­klagte habe durch die un­ter­las­sene recht­zei­tige Un­ter­rich­tung von dem Ver­kauf ihr ge­setz­li­ches Vor­kaufs­recht ver­ei­telt und sei da­her zum Er­satz des hier­durch ent­stan­de­nen Scha­dens ver­pflich­tet. Bei Ausübung des Vor­kaufs­rechts hätte sie die Woh­nung, die einen Ver­kehrs­wert von rd. 270.000 € auf­weise, zu einem Kauf­preis von (nur) rd. 190.000 € - auf ihre Woh­nung ent­fal­len­der An­teil an dem ge­zahl­ten Ge­samt­kauf­preis - er­wer­ben und da­durch einen Ge­winn von rd. 80.000 € er­zie­len können.

AG und LG wie­sen die auf Zah­lung die­ses Be­trags (nebst Zin­sen) ge­rich­tete Klage ab. Das LG sah den gel­tend ge­mach­ten Scha­den als nicht mehr vom Schutz­zweck des § 577 BGB ge­deckt an. Die Dif­fe­renz zwi­schen Ver­kehrs­wert und Kauf­preis sei nur er­satzfähig, wenn der Mie­ter sein Vor­kaufs­recht ausgeübt habe und der Ver­mie­ter an­schließend den da­durch zu­stande ge­kom­me­nen Kauf­ver­trag nicht erfülle, son­dern die Woh­nung an den Drittkäufer übe­reigne. Auf die Re­vi­sion des Klägers hob der BGH das Be­ru­fungs­ur­teil auf und ver­wies die Sa­che zur neuen Ver­hand­lung und Ent­schei­dung an das LG zurück.

Die Gründe:
Dem Mie­ter kann nicht nur in den vom LG an­ge­nom­me­nen Fällen der Ver­ei­te­lung ei­nes be­reits ausgeübten Vor­kaufs­rechts ein An­spruch auf Er­satz der Dif­fe­renz zwi­schen dem Ver­kehrs­wert der Woh­nung und dem mit dem Drit­ten ver­ein­bar­ten Kauf­preis - ab­zgl. er­spar­ter Kos­ten - als Erfüllungs­scha­den zu­ste­hen. Dies ist auch dann möglich, wenn der Mie­ter in­folge ei­ner Ver­let­zung der den Ver­mie­ter tref­fen­den Mit­tei­lungs­pflich­ten aus § 577 Abs. 1 S. 3, § 469 Abs. 1 S. 1 BGB, § 577 Abs. 2 BGB vom In­halt des Kauf­ver­trags und sei­nem Vor­kaufs­recht erst nach Übe­reig­nung der Woh­nung an den Drit­ten Kennt­nis er­langt und aus die­sen Gründen von der Ausübung des Vor­kaufs­rechts ab­sieht.

Die Mit­tei­lung vom Ein­tritt des Vor­kaufs­falls und die Be­leh­rung über die Vor­kaufs­be­rech­ti­gung sol­len den Mie­ter in die Lage ver­set­zen, sein Vor­kaufs­recht auszuüben und da­mit einen An­spruch auf Übe­reig­nung der Woh­nung zu begründen. Erhält der Mie­ter diese In­for­ma­tio­nen erst zu einem Zeit­punkt, zu dem der Kauf­ver­trag mit dem Drittkäufer schon ab­ge­wi­ckelt wor­den ist, steht zu ver­mu­ten, dass der Ver­mie­ter die nicht mehr in sei­nem Ei­gen­tum ste­hende Woh­nung nicht an den Mie­ter übe­reig­nen kann. In einem sol­chen Fall ist vom Mie­ter nicht zu ver­lan­gen, dass er zunächst das Vor­kaufs­recht ausübt, um hier­durch einen Kauf­ver­trag mit dem Ver­mie­ter zu­stande zu brin­gen, den die­ser von vorn­her­ein nicht erfüllen kann. Viel­mehr kann der Mie­ter dann un­mit­tel­bar Er­satz des Erfüllungs­scha­dens - hier ent­gan­ge­ner Ge­winn - be­geh­ren, der ihm bei Ausübung des Vor­kaufs­rechts ent­stan­den wäre.

Der Er­stat­tungsfähig­keit ei­nes sol­chen Scha­dens steht - an­ders als vom LG an­ge­nom­men - auch nicht ein ein­ge­schränk­ter Schutz­zweck des Vor­kaufs­rechts nach § 577 BGB ent­ge­gen. Denn der Ge­setz­ge­ber ver­folgte mit die­ser Re­ge­lung nicht nur die Ab­sicht, den Mie­ter vor ei­ner Verdrängung durch Drittkäufer zu schützen, son­dern wollte ihm auch die Möglich­keit eröff­nen, die Woh­nung zu einem Kauf­preis zu er­wer­ben, den auch ein Drit­ter zu zah­len be­reit ist, und ihn da­mit an den von die­sem aus­ge­han­del­ten güns­ti­gen Kon­di­tio­nen teil­ha­ben las­sen. Da das LG nicht alle für eine ab­schließende Ent­schei­dung er­for­der­li­chen tatsäch­li­chen Fest­stel­lun­gen ge­trof­fen hat, war der Rechts­streit dort­hin zurück­zu­ver­wei­sen.

Link­hin­weis:

  • Der Voll­text der Ent­schei­dung wird demnächst auf den Web­sei­ten des BGH veröff­ent­licht.
  • Für die Pres­se­mit­tei­lung des BGH kli­cken Sie bitte hier.
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