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Steuerberatung

Entgeltliche Mieterdienstbarkeit als grunderwerbsteuerrechtliche Gegenleistung

BFH 6.12.2017, II R 55/15

Ver­pflich­tet sich der Grundstückskäufer im Zu­sam­men­hang mit dem Grundstücks­kauf­ver­trag, dem Mie­ter eine be­schränkte persönli­che Dienst­bar­keit ge­gen an­ge­mes­se­nes Ent­gelt zu be­stel­len, liegt darin keine Ge­gen­leis­tung für das Grundstück i.S.v. § 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG. Nur wenn das Ent­gelt für die Dienst­bar­keit un­an­ge­mes­sen nied­rig ist, kann die Ver­pflich­tung, die Dienst­bar­keit zu be­stel­len, eine zusätz­li­che Ge­gen­leis­tung dar­stel­len.

Der Sach­ver­halt:
Die Kläge­rin hatte im März 2013 ein mit einem Le­bens­mit­tel­markt, Kfz-Stellplätzen und ei­ner Tank­stelle be­bau­tes Grundstück für über 7 Mio. € er­wor­ben. Das Grundstück war an eine Han­dels­ge­sell­schaft ver­mie­tet. Außer­dem be­stell­ten die Veräußerin und die Kläge­rin zu­guns­ten der Mie­te­rin eine be­schränkte persönli­che Dienst­bar­keit. Da­mit wurde der Mie­te­rin das Recht ein­geräumt, das Grundstück durch Ein­rich­tung, Be­trieb und Un­ter­hal­tung ei­nes Ein­zel­han­dels­ge­schäfts mit Kun­den­parkplätzen und ei­ner Tank­stelle mit Wasch­an­lage zu nut­zen. Dafür hatte die Mie­te­rin dem je­wei­li­gen Ei­gentümer statt der Miete ein Ent­gelt zu zah­len, das sich we­gen der Höhe nach dem zwi­schen dem je­wei­li­gen Ei­gentümer und der Mie­te­rin ge­schlos­se­nen Miet­ver­trag rich­ten sollte.

Am glei­chen Tag schloss die Kläge­rin mit der Mie­te­rin einen neuen Miet­ver­trag über die Nut­zung des Grundstücks. Als Be­ginn des Miet­verhält­nis­ses wurde der Tag des Be­sitzüberg­angs aus dem Grundstücks­kauf­ver­trag zwi­schen Veräußerin und Kläge­rin be­stimmt. Das Miet­verhält­nis sollte am 31.5.2031 en­den. Der Miet­zins be­trug jähr­lich 535.000 € zzgl. Um­satz­steuer. Außer­dem sollte die der Mie­te­rin ein­geräumte Dienst­bar­keit nach Be­en­di­gung des Miet­ver­trags erlöschen. Da­von aus­ge­nom­men war die Be­en­di­gung des Miet­ver­trags durch Kündi­gung nach § 111 InsO oder nach § 57a ZVG.

Das Fi­nanz­amt setzte die Grund­er­werb­steuer auf 731.711 € fest. Für die Be­rech­nung der Be­mes­sungs­grund­lage rech­nete es dem Kauf­preis den Wert der Mie­ter­dienst­bar­keit i.H.v. 6,2 Mio. € als sons­tige Leis­tung hinzu. Den Wert der Mie­ter­dienst­bar­keit er­rech­nete die Behörde durch An­satz des Jah­res­wer­tes i.H.v. 535.000 € und Mul­ti­pli­ka­tion mit dem sich aus § 13 Abs. 1 BewG für zeit­lich be­fris­tete, wie­der­keh­rende Leis­tun­gen er­ge­ben­den Ver­vielfälti­ger.

Das FG gab der hier­ge­gen ge­rich­te­ten Klage statt. Die Re­vi­sion des Fi­nanz­am­tes blieb vor dem BFH er­folg­los.

Gründe:
Zu­tref­fend war das FG da­von aus­ge­gan­gen, dass der Wert der Mie­ter­dienst­bar­keit nicht in die Be­mes­sungs­grund­lage für die Grund­er­werb­steuer ein­zu­be­zie­hen ist.

Be­mes­sungs­grund­lage der Grund­er­werb­steuer ist nach § 8 Abs. 1 GrEStG die Ge­gen­leis­tung. Bei einem Grundstücks­kauf gilt nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG als Ge­gen­leis­tung u.a. der Kauf­preis ein­schließlich der vom Käufer über­nom­me­nen sons­ti­gen Leis­tun­gen. Da­nach gehören alle Leis­tun­gen des Er­wer­bers zur grund­er­werb­steu­er­recht­li­chen Ge­gen­leis­tung (Be­mes­sungs­grund­lage), die die­ser nach den ver­trag­li­chen Ver­ein­ba­run­gen gewährt, um das Grundstück zu er­wer­ben.

Als sons­tige Leis­tun­gen i.S.d. § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG sind alle Ver­pflich­tun­gen des Käufers an­zu­se­hen, die zwar nicht un­mit­tel­bar Kauf­preis für das Grundstück im bürger­lich-recht­li­chen Sinne, aber gleich­wohl Ent­gelt für den Er­werb des Grundstücks sind. Der Er­werb des Grundstücks und die Ge­gen­leis­tung müssen kau­sal verknüpft sein. Da­bei ist nicht aus­schlag­ge­bend, was die Ver­trag­schließen­den als Ge­gen­leis­tung für das Grundstück be­zeich­nen, son­dern zu wel­chen Leis­tun­gen sie sich ver­pflich­tet ha­ben.

Da­her gehören alle Leis­tun­gen des Käufers zur grund­er­werb­steu­er­recht­li­chen Ge­gen­leis­tung (Be­mes­sungs­grund­lage), die die­ser als Ent­gelt für die Veräußerung des Grundstücks gewährt. Leis­tun­gen des Käufers, die nicht den der Grund­er­werb­steuer un­ter­lie­gen­den Rechts­vor­gang be­tref­fen, ins­be­son­dere also für eine an­dere Leis­tung auf­ge­wen­det wer­den als für die Ver­pflich­tung, Be­sitz und Ei­gen­tum an dem Grundstück zu ver­schaf­fen, schei­den dem­ge­genüber aus der Ge­gen­leis­tung aus.

In­fol­ge­des­sen stellt die Ver­pflich­tung des Grundstückskäufers, dem Mie­ter eine be­schränkte persönli­che Dienst­bar­keit ge­gen an­ge­mes­se­nes Ent­gelt zu be­stel­len, keine Ge­gen­leis­tung für das Grundstück i.S.v. § 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG dar. Zwar kann eine dem Veräußerer des Grundstücks ge­genüber ein­ge­gan­gene Ver­pflich­tung, einen Ver­trag mit einem Drit­ten ab­zu­schließen, grundsätz­lich als sons­tige Leis­tung ein­zu­stu­fen sein und da­mit zur Ge­gen­leis­tung i.S.d. § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG gehören. Eine sol­che Ge­gen­leis­tung liegt bei ei­ner Ver­pflich­tung des Grundstückskäufers zur Ein­ge­hung ei­nes ge­gen­sei­ti­gen Ver­trags mit einem Drit­ten vor, wenn ge­wich­tige Umstände eine Un­aus­ge­wo­gen­heit der wech­sel­sei­ti­gen ver­trag­li­chen Ver­pflich­tun­gen zwi­schen dem Grundstückskäufer und dem Drit­ten er­ken­nen las­sen und der Grundstückskäufer die höher­wer­tige Leis­tung er­bringt.

Dem­ge­genüber ist eine Ver­pflich­tung des Grundstückskäufers zum Ab­schluss ei­nes Ver­trags mit einem Drit­ten keine Ge­gen­leis­tung, wenn sich die Ver­pflich­tun­gen der Ver­trags­part­ner in einem aus­ge­wo­ge­nen Verhält­nis ge­genüber­ste­hen; in die­sem Fall fin­det kein auf den Er­werbs­ge­gen­stand be­zo­ge­ner Wert­zu­fluss oder -ab­fluss statt. Ent­spre­chen­des gilt, wenn sich der Grundstückskäufer im Zu­sam­men­hang mit dem Grundstücks­kauf­ver­trag ver­pflich­tet, dem Mie­ter eine be­schränkte persönli­che Dienst­bar­keit ge­gen an­ge­mes­se­nes Ent­gelt zu be­stel­len. Der Grundstückskäufer, dem das Ent­gelt zu­steht und zu­fließt, er­bringt in­so­weit keine zusätz­li­che Leis­tung für den Er­werb des Grundstücks. Nur wenn das Ent­gelt für die Dienst­bar­keit un­an­ge­mes­sen nied­rig ist, kann die Ver­pflich­tung, die Dienst­bar­keit zu be­stel­len, eine zusätz­li­che Ge­gen­leis­tung dar­stel­len. In einem sol­chen Fall wäre der Wert der Dienst­bar­keit nicht nach dem vollen Ent­gelt, son­dern nur nach der Dif­fe­renz zwi­schen dem an­ge­mes­se­nen und dem ver­ein­bar­ten Ent­gelt zu be­mes­sen.

Im vor­lie­gen­den Fall sollte die ding­li­che Mie­ter­dienst­bar­keit le­dig­lich den schuld­recht­li­chen Miet­ver­trag ab­si­chern, und zwar für den Fall der Kündi­gung durch den Er­wer­ber nach Veräußerung im In­sol­venz­ver­fah­ren (§ 111 InsO) oder im Falle der Zwangs­ver­stei­ge­rung nach § 57a ZVG. Eine wei­ter­ge­hende Be­deu­tung hatte die Mie­ter­dienst­bar­keit nicht. Sie war eng mit dem Be­stand des Miet­ver­trags ver­bun­den, denn nach den miet­ver­trag­li­chen Ver­ein­ba­run­gen sollte sie mit des­sen Be­en­di­gung erlöschen, mit Aus­nahme ei­ner Be­en­di­gung nach § 57a ZVG oder § 111 InsO. An­halts­punkte dafür, dass zwi­schen der Nut­zungsüber­las­sung und dem Ent­gelt für die Dienst­bar­keit, das nach der je­weils ver­ein­bar­ten Miete rich­tet, ein un­an­ge­mes­se­nes Verhält­nis zu Las­ten der Steu­er­pflich­ti­gen be­steht, be­stan­den im Streit­fall nicht, so dass die Steu­er­pflich­tige mit der Be­stel­lung der Dienst­bar­keit keine sons­tige Leis­tung an die Veräußerin für den Er­werb des Grundstücks er­bracht hatte.

Link­hin­weis:

  • Der Voll­text der Ent­schei­dung ist auf der Home­page des BFH veröff­ent­licht.
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