Der Sachverhalt:
Der Kläger ist Alleinerbe seiner im September 2013 verstorbenen Mutter. Diese hatte im April 2008 bei einer Bank in Luxemburg eine Lebensversicherung abgeschlossen. Der Versicherungsvertrag sah vor, dass die Auszahlung der Versicherungsprämie nicht an den Tod der Versicherungsnehmerin geknüpft war, sondern zu einem festen Zeitpunkt im Juli 2023 erfolgen sollte (sog. Termfix-Geschäft). Begünstigter dieser Versicherung zum Ablauftermin war der Kläger. Bei Abschluss des Vertrages hatte die Mutter eine Einmalzahlung i.H.v. 600.000 € erbracht. Der Betrag wurde einem ihr zugewiesenen Deckungsstockdepot gutgeschrieben. Das gesamte Depot unterlag bis zum Ablauftermin einzig der Wertentwicklung der zugrunde gelegten Kapitalanlagen, sodass je nach Anlagestrategie grundsätzlich auch ein Totalverlust möglich war.
Die Bank teilte dem Kläger nach dem Tod der Mutter mit, dass ein unwiderrufliches Bezugsrecht des Begünstigten entstanden sei und das Vermögen der Termfix-Police zum Todestag 548.596 € betrage. Außer der Änderung der Anlagestrategie und der Möglichkeit einer "außerordentlichen Kündigung" sollten ihm als begünstigte Person keine weiteren Gestaltungsrechte zustehen. Nachdem das Finanzamt im April 2016 über die Termfix-Versicherung Kenntnis erlangt hatte, erhöhte es mit Änderungsbescheid die Erbschaftsteuer um 86.818 €. Dabei berücksichtigte es den Anspruch aus der Termfix-Versicherung mit einem Wert i.H.v. 355.800 €. Diesen Wert hatte es ermittelt, indem es den Einzahlungsbetrag i.H.v. 600.000 € mit einem Vervielfältiger von 0,618 € abzinste.
Der Kläger vertrat die Auffassung, die Erbschaftsteuer für die Versicherung entstehe wegen des bestehenden Risikos eines möglichen Totalverlustes nach der Ausnahmebestimmung des § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a ErbStG als betagter Anspruch erst im Juli 2023. Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Allerdings wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache die Revision zugelassen.
Die Gründe:
Die Erbschaftsteuerpflicht für die Ansprüche des Klägers aus der Termfix-Versicherung ergibt sich aus § 3 Abs. 1 Nr. 4, § 1 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Sie entstand bereits mit dem Tod der Mutter und nicht erst am vertraglich bestimmten Ablauftermin im Juli 2023.
Aufgrund der Zuordnung der Erwerbe i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG zu den Erwerben von Todes wegen bestimmt sich die Entstehung der Steuer nach § 9 Abs. 1 ErbStG. Nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG entsteht die Steuer bei Erwerben von Todes wegen im Regelfall mit dem Tode des Erblassers. Abweichend hiervon entsteht die Erbschaftsteuer für den Erwerb des unter einer aufschiebenden Bedingung, unter einer Betagung oder Befristung Bedachten sowie für zu einem Erwerb gehörende aufschiebend bedingte, betagte oder befristete Ansprüche erst mit dem Zeitpunkt des Eintritts der Bedingung oder des Ereignisses (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a ErbStG). Der Steuerentstehungszeitpunkt wird in diesen Fällen auf den Eintritt des Ereignisses nach hinten verschoben. Diese Voraussetzungen lagen im Streitfall allerdings nicht vor. Der Zahlungsanspruch gegenüber der Bank wurde zwar erst lange nach dem Todestag fällig. Da der Zeitpunkt der Fälligkeit mit dem Ablauftermin im Juli 2023 allerdings am Todestag bereits fest stand, war der Anspruch nicht betagt i.S.v. § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a ErbStG.
Zivilrechtlich liegt eine Betagung vor, wenn eine Forderung bereits entstanden und lediglich ihre Fälligkeit hinausgeschoben ist. Ein solcher (zivilrechtlich) betagter Anspruch ist auch der vom Kläger mit dem Tod der Erblasserin erworbene Anspruch als unwiderruflicher Bezugsberechtigter der Versicherungsleistung bzw. des Rückkaufswertes. Die von der Erblasserin unterzeichnete Termfix-Klausel zum Juli 2023 führte dazu, dass der Kläger vor diesem Ablauftermin die Leistung grundsätzlich nicht verlangen kann. Die Regelung in § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a ErbStG betrifft jedoch nach ständiger BFH-Rechtsprechung nicht alle zivilrechtlich als betagt anzusehenden Ansprüche, sondern nur solche, bei denen der Eintritt oder der Zeitpunkt des Eintritts des zur Fälligkeit führenden Ereignisses ungewiss oder unbestimmt ist (vgl. BFH-Urt. v. 27.8.2003, II R 58/01 sowie v. 7.10.2009, II R 27/07).
Für Ansprüche, die zu einem bestimmten (feststehenden) Zeitpunkt fällig werden, entsteht die Erbschaftsteuer dagegen dem Regelfall des § 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG entsprechend bereits im Zeitpunkt des Todes des Erblassers. In diesen Fällen ist ein Bereicherungszustand bereits im Zeitpunkt des Erwerbs eingetreten. Diese Ansprüche sind - ggf. mit ihrem abgezinsten - Wert auf den Stichtag anzusetzen. Dieses vom Zivilrecht abweichende Verständnis der Betagung rechtfertigt sich aus der § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a ErbStG zugrunde liegenden Erwägung, dass in den Fällen des § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a ErbStG eine wirtschaftliche Bereicherung um das von Todes wegen Erworbene noch nicht im Zeitpunkt des Todes des Erblassers eintritt.
Ist hingegen der Zeitpunkt des Eintritts des zur Fälligkeit führenden Ereignisses bestimmt, tritt eine Bereicherung schon mit dem Tod des Erblassers ein. Wird ein Anspruch zu einem bestimmten Stichtag fällig, führt dessen Erwerb bereits zum Zeitpunkt des Todes der Erblasserin zu einer wirtschaftlichen Bereicherung des Erwerbers. Ab diesem Zeitpunkt kann der Anspruch durch Abtretung o.Ä. verwertet werden. Dieses Ergebnis wird im Übrigen auch durch den Wortlaut des Gesetzes vorgegeben. So spricht das Gesetz selbst in § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a ErbStG von einem "Ereignis", das den Zeitpunkt der Steuerentstehung vorgebe. Ist jedoch ein fixer Fälligkeitstermin bereits vor dem Entstehen des Anspruchs vereinbart, bestimmt nicht das Ereignis, sondern die Abrede selbst die Steuerentstehung.
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