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Entstrickungsbesteuerung des UmwStG 1995 ist unionsrechtswidrig

FG Hamburg 15.4.2015, 2 K 66/14

Nach der EuGH-Ent­schei­dung vom 23.1.2014 (Az.: C-164/12 - DMC) steht fest, dass § 20 Abs. 3 u. Abs. 4 Um­wStG 1995 uni­ons­rechts­wid­rig ist. Schließlich ver­liert Deutsch­land nicht je­des Recht, die nicht rea­li­sier­ten Wert­zuwächse im Zu­sam­men­hang mit der Ein­brin­gung von KG-An­tei­len in eine inländi­sche GmbH ge­gen Gewährung von Ge­sell­schafts­an­tei­len durch öster­rei­chi­sche Ka­pi­tal­ge­sell­schaf­ten zu be­steu­ern.

Der Sach­ver­halt:
Zwei in Öster­reich ansässige Ka­pi­tal­ge­sell­schaf­ten - später zur Kläge­rin ver­schmol­zen - wa­ren Kom­man­di­tis­ten ei­ner deut­schen KG und zu­gleich Ge­sell­schaf­ter der Kom­ple­mentärin, ei­ner deut­schen GmbH. Sie brach­ten ihre An­teile an der KG im Wege der Sach­ein­lage ge­gen Gewährung von Ge­sell­schafts­an­tei­len zum Buch­wert in die GmbH ein. Das Fi­nanz­amt setzte dem­ge­genüber den Teil­wert an und deckte da­mit die stil­len Re­ser­ven auf ("Ent­stri­ckung"). Dies al­les ge­schah auf der Grund­lage von § 20 Abs. 3 u. Abs. 4 Um­wStG 1995, weil Deutsch­land das Be­steue­rungs­recht hin­sicht­lich des Ge­winns aus ei­ner Veräußerung der er­lang­ten GmbH-An­teile ver­liere. Nach dem Dop­pel­be­steue­rungs­ab­kom­men stehe die­ses Recht Öster­reich als dem Ansässig­keits­staat der GmbH-Ge­sell­schaf­ter Öster­reich zu.

Mit der hier­ge­gen ge­rich­te­ten Klage machte die Kläge­rin gel­tend, die So­fort­be­steue­rung der stil­len Re­ser­ven ver­stoße ge­gen Uni­ons­recht, weil bei im In­land ansässi­gen Ge­sell­schaf­tern die Buch­werte hätten fort­geführt wer­den können und es folg­lich nicht zu einem Veräußerungs­ge­winn komme. Auf das Vor­ab­ent­schei­dungs­er­su­chen des FG hatte der EuGH ent­schie­den, dass sich die an­ge­grif­fene Re­ge­lung als Be­schränkung der Ka­pi­tal­ver­kehrs­frei­heit er­weise, aber zur aus­ge­wo­ge­nen Auf­tei­lung der Be­steue­rungs­be­fug­nis zwi­schen den Mit­glieds­staa­ten ge­recht­fer­tigt sei. Der EuGH hatte al­ler­dings den Vor­be­halt ge­macht, dass dies nur dann gelte, wenn Deutsch­land tatsäch­lich je­des Recht ver­liere, die nicht rea­li­sier­ten Wert­zuwächse, etwa auch bei der Fest­set­zung der Körper­schaft­steuer bei der auf­neh­men­den Ge­sell­schaft, zu be­steu­ern (Urt. v. 23.1.2014, Az C-164/12).

Um die­sen Vor­be­halt hatte sich in der Fach­li­te­ra­tur ein hef­ti­ger Streit ent­wi­ckelt, so­dass auch nach der EuGH-Ent­schei­dung un­ge­wiss er­schien, ob die Re­ge­lung uni­ons­rechts­wid­rig ist oder nicht. Das FG gab der vor­lie­gen­den Klage statt. Die Re­vi­sion zum BFH wurde nicht zu­ge­las­sen.

Die Gründe:
Der an­ge­grif­fene Fest­stel­lungs­be­scheid war rechts­wid­rig, so­weit darin ein Veräußerungs­ge­winn für den hier strei­ti­gen Ein­brin­gungs­vor­gang un­ter Berück­sich­ti­gung des Teil­wer­tes nach Maßgabe von § 20 Abs. 3 i.V.m. Abs. 4 Um­wStG 1995 an­stelle des Buch­werts fest­ge­stellt wor­den war.

Die So­fort­be­steue­rung war uni­ons­rechts­wid­rig, weil Deutsch­land tatsäch­lich nicht je­des Be­steue­rungs­recht an den stil­len Re­ser­ven des ein­ge­brach­ten Be­triebs­vermögens ver­lo­ren hat. Aus der Ein­brin­gung zu Buch­wer­ten re­sul­tiert grundsätz­lich eine dop­pelte Steu­er­ver­stri­ckung und zwar des ein­ge­brach­ten Be­triebs­vermögens bei der Ka­pi­tal­ge­sell­schaft so­wie der ein­brin­gungs­ge­bo­re­nen An­teile des An­teils­eig­ners. Während Deutsch­land kein Be­steue­rungs­recht an den ein­brin­gungs­ge­bo­re­nen An­tei­len er­langt, un­ter­lie­gen ih­rem Be­steue­rungs­zu­griff wei­ter­hin die stil­len Re­ser­ven im ein­ge­brach­ten Be­triebs­vermögen, d.h. an dem durch den Ein­brin­gungs­vor­gang "an­ge­rei­cher­ten" Be­triebs­vermögen der Ka­pi­tal­ge­sell­schaft. Die dort vor­han­de­nen stil­len Re­ser­ven un­ter­lie­gen un­zwei­fel­haft wei­ter­hin der deut­schen Be­steue­rung.

Der Se­nat und mit ihm das weit über­wie­gende Schrift­tum ver­steht den EuGH in der Weise, dass es für die Frage des Fort­be­ste­hens des  Be­steue­rungs­rechts auf die sach­li­che Steu­er­pflicht, d.h. die mögli­che Fortführung der Buch­werte bei der auf­neh­men­den Ge­sell­schaft an­kommt. Dem EuGH reicht die Ver­haf­tung der stil­len Re­ser­ven durch den An­satz des Buch­wer­tes bei der über­neh­men­den Ge­sell­schaft aus. Die ein­ma­lige Er­fas­sung der stil­len Re­ser­ven soll gewähr­leis­tet sein, ohne dass es dar­auf an­kommt, dass es ge­rade der­selbe Steu­er­pflich­tige ist, bei dem diese be­steu­ert wer­den.

Diese Be­trach­tung kor­re­spon­diert auch mit der Sys­te­ma­tik der Richt­li­nie 90/433/EWG des Ra­tes vom 23.7.1990 über das ge­mein­same Steu­er­sys­tem für Fu­sio­nen, Spal­tun­gen, die Ein­brin­gung von Un­ter­neh­mens­tei­len und den Aus­tausch von  An­tei­len, die Ge­sell­schaf­ten ver­schie­de­ner Mit­glied­staa­ten be­tref­fen (Fu­si­ons­richt­li­nie), die bei grenzüber­schrei­ten­den Um­struk­tu­rie­run­gen grundsätz­lich nicht die Ver­dop­pe­lung der stil­len Re­ser­ven auf der Ebene der Ge­sell­schaft und der Ebene der Ge­sell­schaf­ter ver­langt bzw. sie mit der Fu­si­ons­richt­li­nie für un­ver­ein­bar hält.

Link­hin­weis:

  • Der Voll­text des Ur­teils ist erhält­lich auf dem Jus­tiz­por­tal Ham­burg.
  • Um di­rekt zu dem Voll­text zu kom­men, kli­cken Sie bitte (pdf-Do­ku­ment) hier .
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